Seewölfe - Piraten der Weltmeere 606. Davis J.Harbord

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 606 - Davis J.Harbord


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Köpfe ruckten zu ihm herum.

      „Vier?“ fragte Smoky verdutzt. „Wieso vier? Wer denn noch?“

      „Ich!“ sagte der Kutscher, starrte verlegen auf seine Stiefel und hatte einen roten Kopf.

      Die Kerle standen da, als seien sie mit den Köpfen gegen ein Scheunentor gerannt. Völlig perplex. Der einzige, der still vor sich hinlächelte, irgendwie wissend, war Doc Freemont. Bei ihm war der Kutscher damals in Plymouth so eine Art Mädchen für alles gewesen, bevor ihn Kapitän Drakes Preßgang auf die „Marygold“ verschleppt hatte.

      Hasard warf ihm einen schnellen Blick zu. Wußte der Doc mehr von der Vergangenheit oder Herkunft des Kutschers? Aber er sagte nichts. Da war nur sein Lächeln.

      Auch der Kutscher beließ es dabei, ein Zipfelchen seiner Vergangenheit angehoben zu haben. Den Mannen brannte die Neugier in den Mienen, aber sie erfuhren nichts weiter, gar nichts.

      Der Kutscher hatte seine Verlegenheit schnell überwunden. Er sagte zu Carberry – fast kühl: „Unter vierunddreißig Männern hier an Bord vier Vollwaisen, Profos! Das reicht doch wohl als Beweis für das, was Smoky vorschwebt. Vielleicht solltest du einmal ein Waisenhaus besuchen, um selbst zu sehen, wie viele Kinder dort gezwungen sind, zu leben, und zwar in qualvoller Enge und unter Bedingungen, die jedem menschenwürdigen Dasein Hohn sprechen.“

      Smoky nickte bestätigend. „Erinnerst du dich an die Affen-Galeone, Ed, die wir vor vier Jahren mit Siri-Tong in der westlichen Karibik aufbrachten? Da waren vier und mehr Affchen in einen Käfig gesperrt, einige standen an Deck, andere unten in den Laderäumen – es stank zum Gotterbarmen, und nur ein Pater war an Bord, der sich um die armen Tiere kümmerte. Damals dachte ich an das Waisenhaus, in dem ich ein paar Jahre zugebracht hatte – bis ich eines Nachts ausbrach. Zwischen den Affenkäfigen auf der Galeone und dem verdammten Waisenhaus war gar kein so großer Unterschied.“

      „Schon gut, schon gut“, murmelte der Profos, „hab’s begriffen, Smoky.“ Er atmete tief durch. „Und du meinst, die Feste Arwenack wäre für einen solchen Zweck geeignet?“

      „Überhaupt nicht zu vergleichen mit dem scheußlichen Gemäuer, in dem wir vegetierten“, erwiderte Smoky. „Auf Arwenack könnten die Würmerchen wie kleine Prinzen und Prinzessinnen leben, nicht wahr, Sir?“ Er blickte zu seinem Kapitän.

      „Hm“, brummelte Hasard, „ich weiß zwar nicht, wie kleine Prinzen und Prinzessinnen zu leben pflegen, aber auf Arwenack ist es sicher schöner als in den üblichen Waisenhäusern.“ Er grinste etwas schief. „Vorausgesetzt natürlich, auf Arwenack hausen keine Killigrews, die mir die Kindheit versauert haben.“

      „Du hast ihnen ganz schön die Zähne gezeigt!“ ertönte der Baß von Big Old Shane.

      „Na ja“, sagte Hasard lahm, „was blieb mir anderes übrig bei dem Alten und seinen Ferkelsöhnen.“ Er reckte den Kopf. „Also, ihr wollt nach Falmouth segeln, habt ihr beschlossen, und die beiden Kerle ins Gebet nehmen, richtig?“

      „Richtig“, erwiderte Smoky und nickte. Auch die Mannen nickten.

      „Und wie stellt ihr euch das vor?“ fragte Hasard. „Wollt ihr Arwenack belagern, oder was?“

      „Das überlassen wir dir, Sir“, sagte Smoky schlicht. „Dir fällt bestimmt was ein, wie wir den Kerlen auf den Zahn fühlen können.“

      „Immer ich“, sagte Hasard.

      „Uns fällt bestimmt auch was ein“, erklärte jetzt der Profos, „aber was dir einfällt, Sir, ist meistens besser. Wir würden natürlich – was die beiden Rübenferkel betrifft – gern ordentlich draufhauen, mit Bum-bum und so, aber da müssen wir bedenken, daß auf Arwenack alles heil bleiben soll, wenn wir es als Waisenhaus einrichten wollen. Da dürfen wir nichts zertöppern. Du könntest es mit Dingsda – äh, Diplomatie versuchen.“

      „Mit Diplomatie, aha“, sagte Hasard gallig. „Was meinst du wohl, wie meine beiden sogenannten Brüder auf Diplomatie reagieren? Die lachen sich halbtot!“

      „Wenn sie sich halbtot lachen“, sagte der Profos trocken, „dann tun sie uns schon einen Gefallen – wir brauchen den Halbtoten nur noch die andere Hälfte zu verpassen, was uns ’ne Menge Arbeit erspart.“

      Hasard runzelte die Stirn. „Ed, Ed! Wir sind weder Richter noch Vollstrecker von Urteilen, vor allem nicht in England. Wenn Simon Llewellyn und Thomas Lionel Dreck am Stecken haben, ist es Sache des Friedensrichters von Cornwall, darüber zu urteilen.“

      „Friedensrichter, Sir, können auch Dreck am Stecken haben oder bestochen worden sein“, sagte der Profos nüchtern. „Das kennen wir doch. Aber gut, das werden wir sehen. Was befiehlst du, Sir?“

      „Was soll ich befehlen?“ entgegnete Hasard. „Ihr habt euch entschieden, nach Falmouth zu segeln, also muß ich mich beugen.“

      „Vor einer halben Stunde hat ablaufendes Wasser eingesetzt“, verkündete Dan O’Flynn, „wir können sofort auslaufen.“

      Hasard wandte sich zum Kutscher. „Genug Proviant und Trinkwasser an Bord?“

      „Aye, Sir, kein Problem.“

      „Gut.“ Hasard schaute Doc Freemont an und sagte: „Abe, wir haben London angelaufen, weil die Königin irgendeinen Auftrag für uns hat. Ich müßte mich also bei ihr entschuldigen, wenn ich – hm – noch einmal für eine Woche etwa verschwinde …“

      Doc Freemont winkte ab. „Das erledige ich, mein Junge, du brauchst dich darum nicht zu kümmern. Erbschaftsangelegenheiten haben Vorrang, das ist auch im Sinne der königlichen Lissy. Ihr könnt ablegen.“

      „Danke, Abe.“ Die beiden Männer schüttelten sich die Hände. Der Doc winkte den Mannen zu, wünschte eine gute Fahrt und verließ die Schebecke.

      Eine knappe Viertelstunde später segelten die Arwenacks themseabwärts.

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