Seewölfe - Piraten der Weltmeere 411. Roy Palmer

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 411 - Roy Palmer


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Handelssegler gewesen war, bevor die Bande ihn gekapert hatte, konnten sie aus den Laderäumen wirklich allerlei Brauchbares bergen. Caligula hatte tatsächlich die Absicht, später aus den Planken der Schaluppe ein Floß und mit Spieren und Segeltuch ein Behelfsrigg zu bauen.

      „Keiner von uns hat die Absicht, seinen Lebensabend auf dieser beschissenen Insel zu verbringen“, sagte er am Abend dieses Tages, als sie erschöpft auf ihre behelfsmäßigen Lager sanken. „Oder täusche ich mich?“

      „Wie weit ist die Küste von Kuba wohl entfernt?“ fragte Pablo.

      „An die fünfzig Meilen“, erwiderte Caligula.

      „Ich würde rüberschwimmen, wenn die verfluchten Haie nicht wären.“

      „Ich auch“, sagte ein anderer.

      „Nichts wie weg hier, wenn sich die Chance bietet“, brummte der Kerl, der die Kokosnüsse gesammelt und das frische Trinkwasser von der Quelle geholt hatte, die sie im Inneren der Insel entdeckt hatten. „Wir alle haben die Schnauze gestrichen voll.“

      „Verirrt sich denn nie ein Kahn hierher?“ fragte Pablo. „Ein schäbiger Fischerkahn würde uns schon genügen. Wir würden ihn kapern und uns damit verholen.“

      „Darauf dürfen wir nicht hoffen“, sagte Caligula und bewies damit, daß er doch eine Menge Sinn für die Realität hatte. „Wir sollten lieber ranklotzen, was das Zeug hält. Mit einem stabilen Segelfloß können wir bei guter Wetterlage und günstigem Wind Kuba durchaus erreichen. Wir haben einen Vorteil: Wir haben Zeit und sind an keine Frist gebunden. Zu hungern brauchen wir vorerst nicht, ebenso werden wir nicht verdursten. Es gibt Kokosnüsse und Wasser genug.“

      „Und Fische“, sagte Pablo.

      Der versenkte Handelssegler führte unter anderem auch Güter für die Fischerdörfer an der Küste mit an Bord, darunter Netze und Angelhaken. Diese hatten die Kerle bereits geborgen, so daß sie in der Bucht ausgiebig auf Fischfang gehen konnten.

      So vergingen die Tage mit dem Ausschlachten des Zweimasters. Einmal wurden sie in ihrer Tätigkeit unterbrochen. Der Mann, der gerade den Posten des Ausgucks am Ufer versah, entdeckte ein Boot, das sich der Insel näherte. Sofort alarmierte er die anderen. Sie vergewisserten sich, daß die Besatzung des Bootes den Kurs nicht änderte und nach wie vor auf das Eiland zuhielt.

      Hastig wurde ein Plan entworfen.

      „Wir müssen ihr Mitleid erregen“, sagte Caligula. „Aber es dürfen nicht zu viele von uns auftreten, sonst kriegen sie es mit der Angst zu tun.“

      „Es ist ein Fischerboot“, sagte Pablo nach einem Blick auf das Boot.

      „Wahrscheinlich sind die Insassen einfältig genug, auf unsere List reinzufallen“, murmelte Caligula. „Wir dürfen aber auch nicht den Fehler begehen, sie zu unterschätzen. Also: Pablo, du legst dich in den Sand und spielst den Schwerverletzten oder von mir aus auch den Toten.“ Er deutete auf einen anderen Kerl. „Du taumelst hin und her und gibst verzweifelt Signale. Klar?“

      „Klar.“

      „Wir verstecken uns im Dickicht“, sagte Caligula. „Los jetzt, bevor sie uns entdecken.“

      Jeder nahm seinen Posten ein. Pablo spielte seine Rolle gut. Aber auch der Kumpan stellte den verzweifelten Schiffbrüchigen überzeugend dar. So schien der Plan, die Insassen des Fischerbootes anzulocken, wirklich zu funktionieren.

      Die Black Queen erhob sich von ihrem Platz und schritt mit wiegenden Hüften auf die Brandung zu. Sie blieb stehen und winkte den Fischern zu.

      „Was soll das?“ zischte der Kerl, der rechts neben Caligula kauerte. „Ist sie total übergeschnappt?“

      „Halt ’s Maul!“ zischte Caligula. „Sie spielt mit, und das ist gut so. Wenn diese Narren eine Frau sehen, können sie’s kaum noch erwarten, an Land zu gehen.“

      Doch er irrte sich. Das Boot drehte bei, und die Besatzung schien die Vorgänge auf der Insel durch Spektive zu beobachten. Flüche wurden laut, sie waren deutlich zu vernehmen. Jetzt, da sie die Kerle auf der Insel näher in Augenschein nehmen konnten, wurden die Fischer mehr als mißtrauisch.

      „Das sind Piraten!“ schrie einer von ihnen.

      „Schnapphähne!“ brüllte ein zweiter. „Es ist eine Falle!“

      „Und das halbnackte Weib!“ gellte eine andere Stimme. „Sie ist die Tochter des Teufels!“

      Schleunigst setzten sie sich wieder ab und gingen mit dem Boot auf westlichen Kurs. Jetzt gab es für Caligula und die anderen im Gebüsch kauernden Kerle kein Halten mehr. Sie stürmten auf den Strand und brüllten ihre Wut und Enttäuschung heraus. Da begriffen die Fischer, daß sie gut daran getan hatten, nicht zu landen.

      Die Black Queen begann ihrerseits zu toben, und fast sah es so aus, als wolle sie sich noch einmal auf Caligula stürzen. Doch das blieb aus. Verdrossen zogen sich später alle zum Lagerplatz zurück und legten sich schlafen.

      Nur Pablo saß noch eine Weile da und murmelte: „Hölle. Sturm wird es geben. Ich spür’s in allen Knochen.“

      Ob die Sturmgeister und Wasserhexen ihm das zugeflüstert hatten oder nicht – er sollte recht behalten. Am Abend des 29. Juli war es soweit. Ein Hurrikan braute sich zusammen und raste heran. Sie verkrochen sich im Dschungel und vertrauten ihre schwarzen Seelen der Obhut des Teufels an. Es orgelte, heulte und pfiff, und der Weltuntergang schien über sie hereinzubrechen.

      Doch es waren nur die Ausläufer des Hurrikans, die in dieser Nacht die Cay-Sal-Bank erreichten. Das Zentrum des Sturmes war vorher auf Norden geschwenkt. Aber das änderte nichts. Auch so meinten die Kerle, sie würden den nächsten Tag nicht mehr erleben.

      Trotzdem spuckte die Hölle sie noch einmal wieder aus. Sie blieben am Leben, doch es schien wenig gewonnen zu sein. Sie waren weiterhin dazu verdammt, auf der Insel zu hocken und ein trostloses Dasein zu fristen. Daß sich dieser Zustand recht bald ändern sollte und ihnen eine ebenso unverhoffte wie überraschende Begegnung bevorstand, konnten sie zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen.

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