Seewölfe - Piraten der Weltmeere 418. Burt Frederick

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 418 - Burt Frederick


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noch viel weniger. Daß sie sich anmaßten, an der Besprechungsrunde der Kommandanten teilzunehmen, zeugte von ihrer Blasiertheit. Denn von seemännischen Dingen verstanden sie nun wahrhaftig nichts – wohl aber davon, nächtelang zu saufen und zu würfeln und tagsüber den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen. Das hatten sie in den knapp drei Monaten seit dem Auslaufen aus dem Hafen von Plymouth hinlänglich bewiesen.

      Jener, der in dieser gepuderten Perückengesellschaft am unangenehmsten auffiel, war für George Rooke ein Mann, der sich durch geschickte und flinke Hände auszeichnete und das Aussehen eines eiskalten Haies hatte. Das war er ohne Zweifel – ein mit allen Wassern gewaschener Hasardeur und Abenteurer: Sir Robert Monk, der Spieler.

      Wegen ihm hatte es erst vor ein paar Tagen ziemliches Aufsehen gegeben. Vom Alkohol umnebelt, hatte ihn Sir Henry nachts des Falschspiels bezichtigt und war von Sir Robert zum Duell gefordert worden. Ob Falschspiel oder nicht, das Duell hatte zum großen Bedauern der Mannschaften nicht stattgefunden. Denn am nächsten Morgen hatte sich der erlauchte Sir Henry – leider, leider – so unpäßlich gefühlt, daß er nicht imstande war, dem Herausforderer mit einer Pistole gegenüberzutreten.

      Statt dessen hatte Sir Henry anschließend geruht, ein paar Decksleute auspeitschen zu lassen – sehr zur Erheiterung der gepuderten Achterdecksgesellschaft, die damit wenigstens vorübergehend der Eintönigkeit eines langen Tages enthoben war.

      Sir Edward hob den Kopf und räusperte sich. Es klang wie ein Krächzen.

      „Nun, äh – Mister Rooke, da Sie auch schon anwesend sind, können wir wohl anfangen.“ Tottenham blickte in die Runde, wartete auf ein Lachen, doch niemand schien seinen Scherz zu verstehen.

      „Verspätet hat er sich“, sagte Sir Henry von oben herab und scheinbar gelangweilt. Er hing auf seinem Stuhl und war hingebungsvoll damit beschäftigt, mit einem kostbaren ziselierten Dolch seine Fingernägel zu reinigen. Ohne aufzublicken, fuhr er im gleichen Tonfall fort: „So ein Verhalten ist ungezogen. Man sollte es bestrafen.“

      Die Gentlemen in seiner Umgebung nickten so heftig Beifall, daß man befürchten mußte, der Puder würde ihnen aus den Gesichtsfalten bröckeln.

      „Ich habe niemanden darum gebeten, auf mich zu warten“, sagte George Rooke kühl. „Sie hätten Ihre Gesprächsrunde auch ohne mich beginnen können, Gentlemen.“

      Sir Henry hob nun doch den Kopf, öffnete und schloß den Mund fassungslos und sah dabei aus wie ein Karpfen auf dem Trockenen.

      Sir Edward nagte angestrengt auf seiner Unterlippe und fand offenbar nicht die rechten Worte der Zurechtweisung.

      Kapitän Charles Stewart von der „Dragon“ war es, der lospolterte, bevor ein anderer etwas sagen konnte.

      „Wie wär’s, wenn wir endlich anfangen? Oder wollen wir den Nachmittag mit dämlicher Quatscherei verplempern?“

      Kapitän Tottenham gab sich einen Ruck, als hätte man ihm den ersehnten Geistesblitz vermittelt.

      „Sehr richtig, Mister Stewart, sehr richtig.“ Er wandte sich dem Kapitän der „Centurion“ zu, der immer noch mit abweisendem Gesichtsausdruck dastand. „Setzen Sie sich endlich, Mister Rooke.“ Es klang wie ein Befehl, wobei Sir Edward nur zu gut wußte, daß er einen solchen Befehl bestenfalls als Gastgeber aussprechen konnte. Eine höhere Art von Autorität hatte er gegenüber den drei anderen Kapitänen nun einmal nicht.

      George Rooke folgte der Anordnung nach einem drängenden Blick von James Wavell, der ihm zu sagen schien, er solle endlich klein beigeben und nicht unnötige Scherereien anfangen.

      Sir Edward räusperte sich abermals, zwirbelte den Federkiel heftiger mit seinen mageren Fingern und suchte nach einem passenden Beginn für seinen Lagebericht. Was er schließlich zustande brachte, klang eher wie ein hilfloses Gestammel, immer wieder von längeren Pausen unterbrochen.

      Wavell und Rooke wechselten einen Blick und erkannten, daß sie offenbar das gleiche dachten: Tottenham war völlig durcheinander. Was sich ereignet hatte, paßte nicht in sein Schema von einem Tagesablauf auf See. Ein so unkalkulierbares Verhalten, wie es Sir John Killigrew an den Tag gelegt hatte, brachte einen Mann wie Sir Edward völlig aus dem Häuschen. Schließlich war er gewohnt, sein Leben nach Dienstvorschriften einzurichten und nicht etwa auf plötzlich sich ergebende Situationen durch prompte Entscheidungen zu reagieren.

      Sir Edward schloß seinen Bericht mit wedelnden Handbewegungen, wobei er den Federkiel fast zerpflückte.

      „Wenn man abschließend darüber nachdenkt, war das Ganze von Anfang an reichlich merkwürdig. Wir haben letzten Endes alle beobachtet, wie die ‚Lady Anne‘ an der ‚Santa Cruz‘ längsseits ging und Kisten aus der Galeone auf die Karavelle verladen wurden. Niemand von uns hat doch Verdacht geschöpft – auch dann nicht, als Sir John Killigrew auf der ‚Orion‘ erschien und anschließend mit Sir Andrew zurückpullte.“ Tottenham hielt inne und schnaufte wie nach einer schweren körperlichen Anstrengung.

      Minutenlang herrschte Stille. Die hochwohlgeborenen Gentlemen blickten stumpfsinnig und verschlafen drein. Sie hatten kaum richtig zugehört. Ohnehin war dies die Tageszeit, zu der ihre Neigung zu jedweder Aufmerksamkeit oder gar Tätigkeit absoluten Tiefpunkt hatte. Richtig lebendig würden sie erst wieder in der Nacht werden, wenn der Wein in den Gläsern funkelte und Würfel mit markantem Geräusch über hölzerne Tischplatten rollten. Es war letzten Endes das einzige Vergnügen, das man während einer so stinklangweiligen Seereise hatte.

      George Rooke und James Wavell hatten den Bericht Sir Edwards zur Kenntnis genommen. Auf eine Diskussion darüber verzichteten sie gern.

      Lediglich Charles Stewart schien in den letzten Augenblicken noch wacher geworden zu sein als zuvor. Lauernd beugte er sich vor, und unvermittelt schoß er die entscheidende Frage ab.

      „Was hatte denn diese verdammte Galeone geladen? Wenn ich nicht völlig dämlich bin, habe ich doch mitgekriegt, daß da Unmengen von Kisten auf die ‚Lady Anne‘ verladen wurden. Die lag doch mindestens drei, vier Handbreiten tiefer im Wasser, als sie absegelte!“

      Sir Edward Tottenham zuckte ungewollt zusammen. Aus geweiteten Augen starrte er den vierschrötigen Kapitän der „Dragon“ an. Erst in diesem Moment dämmerte ihm die ganze Tragweite der Zusammenhänge. Erst jetzt war es ihm möglich, die Mosaiksteinchen aneinanderzufügen. Und es war ein teuflisch grelles Bild, das ihn da vor seinem geistigen Auge anschrie.

      „Sir John – Sir John hat …“, stammelte Tottenham.

      „Ja, was hat er denn?“ schnaubte Stewart, immer noch vorgebeugt.

      „Er hat – zwei Kisten auf mein Schiff gebracht. Musterstücke aus der Ladung der spanischen Galeone – zu treuen Händen, gewissermaßen. Sir Henry hat diese Kisten in Besitz genommen.“

      Der Kopf des vierschrötigen Kapitäns ruckte herum. Und ohne zu zögern, blaffte er den adligen Gockel in herrischem Tonfall an.

      „Inhalt?“

      Sir Henry, Duke of Battingham, ließ erschrocken den Nagelreinigerdolch sinken. Doch im nächsten Moment hatte er sich wieder in der Gewalt.

      „Reden Sie mit mir?“ näselte er von oben herab.

      „Allerdings. Was in den beiden Kisten ist, will ich wissen.“ Der Ton Stewarts war weiterhin ruppig.

      „Was nehmen Sie sich heraus, Mann!“ Sir Henry hörte sich an wie ein beleidigt quakender Ochsenfrosch. „Erstens verbitte ich mir diesen Ton. Und zweitens hat der Inhalt der Kisten niemanden zu interessieren.“

      Charles Stewart hieb mit der Faust auf den Tisch, daß es krachte. Ein paar Weingläser begannen klirrend zu tanzen.

      Tottenham und etliche der Gentlemen zuckten zusammen. In ihren kalkigen Gesichtern malte sich Abscheu. Zu einem solchen Wutausbruch, wie ihn sich dieser ordinäre Stewart leistete, würde sich ein Mann von Stand natürlich niemals hinreißen lassen. Das änderte aber bedauerlicherweise nichts daran, daß man gezwungen war, diese rüpelhafte Art der Meinungsäußerung zu ertragen.

      „Mich


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