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Читать онлайн книгу.Flagge wehte jetzt im Großtopp der davonsegelnden Galeone? War das das irische Nationalitätszeichen? Ohne Spektiv konnte der Kapitän es nicht erkennen, aber er glaubte noch, ein rotes Kreuz auf weißem Grund zu erkennen.
Der White Ensign, die Flagge Englands!
„Senor“, stieß der junge Fischer plötzlich aufgeregt aus. „Da ist es ja wieder – das andere Schiff!“
„Welches andere Schiff?“ fragte Monforte, während er seinen Blick nach links wandte, in die Richtung, in die die Fischer spähten.
„Wir haben es vorhin an der Spitze des kleinen Verbandes in die Felsenbucht laufen sehen“, sprudelte der junge Mann hervor. Er stand im Bug der Schaluppe und hielt sich an den Wanten des Mastes fest. „Dann haben wir dicht unter Land verholt, um jeder Gefahr aus dem Weg zu gehen. Die Viermast-Galeone muß schwer beschossen worden sein. Dios, wie die aussieht! Aber ihre Mannschaft scheint noch recht glimpflich davongekommen zu sein.“
„Die ‚Candia‘“, sagte Alvaro Monforte betroffen.
Er hatte wirklich nicht damit gerechnet, sie hier und unter so dramatischen Umständen wiederzutreffen. Außer der „Sao Sirio“ fehlte dem Verband also nur die „Extremadura“.
Nur!
Jäh keimte in Monforte wieder die Wut auf, die er gegen den Kommandanten Lucio do Velho verspürte. Leichtfertig hatte do Velho seiner Ansicht nach das Leben seiner Männer in die Waagschale geworfen, als der Sturm in der vergangenen Nacht begonnen hatte.
Gewiß, sie waren hinter einem erbitterten Feind des Königreiches hergejagt – hinter diesem Philip Hasard Killigrew, den sie „El Lobo del Mar“ nannten. Aber hatte sich der Einsatz gelohnt? Nie und nimmer konnte do Velho seine Entscheidung damit rechtfertigen, daß Killigrews Vorsprung zu groß geworden wäre, hätte man das Wüten des Wetters irgendwo abgewartet. Keiner wußte genau, wo der Feind steckte, er konnte praktisch schon die Biskaya erreicht haben.
Aber mußte ein Seemann nicht täglich mit seinem Ende rechnen? Sicher, Monforte stritt dies nicht ab. Nur zürnte er darüber, daß man Männer grundlos und leichtsinnig in den Tod hetzte.
Deswegen hatte er vor seinen letzten vier Männern verkündet, daß er do Velho stellen und ein Disziplinarverfahren gegen ihn anstrengen würde. Zwei verlorene Schiffe, das war ein zu hoher Preis für ein wahnwitziges Unternehmen mit höchst vagen Erfolgschancen.
„Die „Candia“ glitt an der manövrierenden „Sao Joao“ vorbei, näherte sich der ebenfalls noch brennenden „Santa Angela“ und überholte schließlich auch sie.
Monforte vernahm die Rufe, die von Bord zu Bord hallten, aber er verstand sie nicht. Befehle wurden gegeben, wahrscheinlich war ihr Inhalt, daß man den Gegner um jeden Preis verfolgen solle.
Wieder blickte Monforte zu der Galeone der Iren. Ein neuer Verdacht reifte in ihm heran und drohte sich zu einer ungeheuerlichen Gewißheit zu verdichten.
Gestalten sah Monforte auf den Decks der Schiffe hin und her eilen, aber er konnte nicht sehen, welche Männer es waren. Lebte Lucio do Velho? Der Kapitän vermochte auch ihn unter den kleinen, dunklen, huschenden Gestalten nicht zu identifizieren.
Monforte kletterte über die Fischkörbe bis zum Bug der Schaluppe.
„Ich brauche eine Signalfahne“, sagte er zu dem Sohn des Fischers. „Ich muß dem Kapitän der ‚Sao Joao‘ ein Zeichen geben.“
„Zu Befehl, Senor Capitán“, antwortete der junge Mann. „Wir haben eine kleine Signalflagge an Bord.“ Bewunderung lag in seinem auf Monforte gerichteten Blick, denn er hatte keinen größeren Traum als den, das eintönige Dasein eines Fischers mit dem Dienst auf einem Kriegsschiff der Armada zu vertauschen.
Der Vater beobachtete voll Besorgnis, wie sein Sohn dem Kapitän zur Hand ging. Er konnte letztlich aber nur mit den Schultern zucken und sich den Dingen fügen.
Monforte richtete sich im Bug auf und schwenkte die Fahne. Eine Reihe geheimer Zeichen waren vereinbart worden, ehe der Verband den Hafen von Lissabon verlassen hatte, und dies kam Monforte nun zugute. Kein Außenstehender konnte über die besondere Art von Signalen unterrichtet sein. Als der Ausguck der „Sao Joao“ also die Schaluppe durchs Spektiv anpeilte und den gestikulierenden Mann in der Kapitänsuniform entdeckte, wußte er sofort, daß er ein Mitglied des Verbandes vor sich hatte.
Die Stimme des Ausgucks überschlug sich. „Deck! Schaluppe Backbord achteraus! Sie bringt einen der verschollenen Kapitäne! Ein Wunder ist geschehen!“
Der Kapitän der Galeone, ein Mann namens Joaquin Galardes, richtete sich mit schweißüberströmtem, rußbedecktem Gesicht vom Achterdeck auf. Er hatte selbst mitgeholfen, einen der verletzten Offiziere zu versorgen, während um ihn herum die fieberhafte Tätigkeit der Besatzung war. Mit Mühe löschten die Portugiesen das Feuer im Rigg und an Deck. Sie stützten den ramponierten Großmast ab und brachten in aller Eile Ordnung ins laufende und stehende Gut – sofern das unter diesen Bedingungen überhaupt möglich war.
Galardes glaubte an einen Irrtum des Ausgucks, ja, er zog sogar in Betracht, daß der Mann im Gefecht den Verstand verloren haben konnte. Schließlich hatte der „Vijía“, wie man den Ausguck auf spanischen und portugiesischen Schiffen zu bezeichnen pflegte, für einige entsetzliche Augenblicke in der Gefahr geschwebt, mit dem brechenden Oberteil des Großmastes an Deck zu stürzen. Daß der Mast samt seinem Mars doch gehalten hatte, war genauso ein Wunder wie das unvermittelte Auftauchen des Kapitäns in der Schaluppe.
Ja, der Mann war Wirklichkeit, und der Ausguck der „Sao Joao“ war immer noch geistig zurechnungsfähig. Galardes gewahrte durch sein Spektiv das Gesicht des Mannes, und er war mehr als erschüttert, als er ihn erkannte.
„Monforte – por Dios, das ist ja schier unglaublich!“ Galardes fuhr zu seinen Leuten herum. „Kurs halten, nicht weiter anluven! Wir lassen die Schaluppe heran und nehmen sie in Lee wahr!“
Die Männer gehorchten. Sie nahmen Segelfläche weg, und die Galeone dümpelte nur noch dahin, als die Schaluppe längsseits ging. Die „Sao Joao“ gewann mehr und mehr an Distanz zur „Candia“ und zur „Santa Angela“, aber: „Das ist mir scheißegal!“ rief Galardes seinen Offizieren und Soldaten zu. „Jetzt geht es mir darum, meinem Freund Monforte zu helfen.“
Die Schaluppe schor längsseits, Monforte streckte schon die Hände nach einer rasch ausgebrachten Jakobsleiter aus.
„Senor Capitán“, sagte der Sohn des Fischers. „Verzeihen Sie mir, wenn ich Sie mit meinen Fragen belästige – aber hat die Armada keinen Bedarf an tüchtigem Schiffsvolk?“
„Doch, das hat sie“, erwiderte Monforte, ehe er von Bord ging. Er fing den geradezu verzweifelten Blick des Vaters auf, besann sich und fügte hinzu: „Aber du bist zu jung und zu unerfahren, mein Junge, glaube es mir. Bleibe noch ein paar Jahre zu Hause, dort bist du vorläufig besser aufgehoben. Senores, ich danke euch.“
„Ich danke Ihnen, Capitán“, sagte der Vater.
Alvaro Monforte kletterte auf den Sprossen der Jakobsleiter hoch. Die Schaluppe löste sich von der Bordwand der Galeone und blieb zurück. Noch einmal blickte der Kapitän zu den Fischern und sah, daß sie ihm beide zuwinkten.
Dann enterte Monforte auf die Kuhl. Galardes eilte auf ihn zu, begrüßte ihn stürmisch und überschüttete ihn mit seinen Fragen.
„Die ‚Sao Sirio‘ ist aufs Riff gelaufen und gesunken“, sagte Monforte als erstes. „Ihr habt das Riff sicher bei ablaufendem Wasser sehen können.“
„Ja. Dann hatte do Velho ja recht mit seiner Annahme, daß die Wrackteile auf den Felsen die Überreste der ‚Sao Sirio‘ wären.“
„Richtig“, erwiderte Monforte. „Ich bin eben noch einmal daran vorbeigefahren, Amigo mio, und ich versichere dir, das ging mir nahe. So, do Velho lebt also noch?“
„Ja.“
„Das freut mich außerordentlich“, sagte Monforte grimmig.