Seewölfe Paket 10. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 10 - Roy Palmer


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Für ihn war diese Sprache allerdings nichts weiter als eine stupide Aneinanderreihung von Urlauten.

      Er konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf das Geschehen bei der schlanken Galeone. Die Sicht war hervorragend. Das Beiboot war zu Wasser gelassen worden, und blitzende Lichtreflexe zeigten an, daß die Riemenblätter eingetaucht wurden.

      Charangus Anspannung wich. Zwar empfand er noch keine Erleichterung, aber wenigstens tat sich endlich etwas. Das Warten war nervenzermürbend gewesen. Trotz der beträchtlichen Entfernung war deutlich, daß es sich diesmal um ein größeres Beiboot handelte als bei der ersten unliebsamen Begegnung mit den fremden Seefahrern.

      Neue Besorgnis wuchs in dem Inder.

      Wenn die Engländer eine gewaltsame Aktion planten, war es schlecht bestellt um ihn. Es gab keine Feuerwaffen auf Kahoolawe, und es waren weniger als hundert Männer, die auf der Insel lebten. Selbst wenn er ihnen befahl, sich mit ihren primitiven Waffen zum Kampf zu stellen, würden sie ein rasch aufgezehrtes Kanonenfutter sein.

      Nein, eine kriegerische Auseinandersetzung war alles andere als wünschenswert. Diplomatisches Geschick allein konnte helfen.

      Schließlich geht es nur um das Mädchen, dachte Charangu, um sich selbst zu beruhigen, wenn ihnen soviel an der Kleinen liegt, dann sollen sie sie eben behalten!

      Wieder wurde seine Aufmerksamkeit abgelenkt. Diesmal auf einen anderen bemerkenswerten Umstand.

      Die Männer in dem Beiboot nahmen zielstrebig den richtigen Kurs. Ohne erkennbare Mühe fanden sie das natürliche Tor im Korallenriff auf Anhieb.

      Charangu gelangte zu der Überzeugung, daß die Fremden über außergewöhnliche seemännische Fähigkeiten verfügten. Möglicherweise kannten sie sich sogar in der Südsee aus. Wenn das allerdings der Fall war, würden sie allzu rasch das Ungewöhnliche an den Lebensumständen auf Kahoolawe erkennen.

      Charangu schüttelte sich. Wieder wurde sein Unbehagen stärker. Die Möglichkeit, Moana zum Austausch in die Waagschale zu werfen, vermochte ihn nicht länger zu beruhigen.

      Gespannt spähte er zu dem zügig herannahenden Boot. Etwa zehn oder zwölf Männer waren es, die sich in die Riemen stemmten. Und sie verfügten über Bärenkräfte. Das ließ sich unschwer an der rauschenden Fahrt erkennen, die das Boot lief.

      Zusehends schmolz die Entfernung zusammen. Einzelheiten wurden deutlicher, immer deutlicher.

      Und jäh hatte Charangu das Gefühl, von einem imaginären Fausthieb getroffen zu werden.

      Es riß ihn regelrecht aus der Sänfte. Er beugte sich vor und schirmte die Augen mit der Handfläche ab. An dem zunehmenden Geschnatter der Polynesier hörte er, daß sie das gleiche beobachteten wie er.

      Dieser schwarzhaarige englische Riese im Heck des Bootes war aufgestanden.

      Auf seiner Schulter thronte ein pechschwarzer Affe, hoch aufgerichtet, den Kopf mit unverschämter Arroganz in den Nacken geworfen.

      Charangu hatte ein Gefühl, als würde ihm der Boden unter den Füßen weggerissen.

      Der Engländer hatte ihn bis in das Mark seiner Knochen durchschaut.

      Jetzt gab es nur noch eins. Charangu faßte diesen Entschluß in aller Eile, wie es seine rebellierenden Nerven geboten.

      Freundlichkeit!

      Man mußte den Fremden mit allergrößter Freundlichkeit entgegentreten.

      Er straffte seine Haltung.

      „Auf die Knie!“ rief er energisch. „Respekt vor dem fremden Gott!“

      Die Polynesier gehorchten und schienen sogar froh, daß ihr König mit dieser Verhaltensmaßregel das Unerklärliche in geordnete Bahnen lenkte.

      Es sah in der Tat wie ein Paradies aus, dem sie sich näherten.

      Zierliche Auslegerboote ruhten auf dem weißgoldfarbenen Strand, der vom Wasser bis zum Palmenhain etwa fünfzig Yards breit war. Die mächtigen Bäume bildeten ein natürliches Dach, unter dem tropische Pflanzen in verschwenderischer Üppigkeit gediehen. Jenseits dieser grünen Wand aus Palmen, Kletterpflanzen und Bodengewächsen ragte eine dunkle Bergformation auf, deren höchster Punkt kegelförmig war. Wahrscheinlich handelte es sich um einen erloschenen Vulkan.

      Hasard brauchte keinen Kieker, um zu erkennen, was sich dort am Rand des Palmenhains abspielte.

      Die kleine Gruppe von Menschen war beim Anblick des Bootes in Bewegung geraten. Einige von ihnen rannten eilig hin und her. Nur Charangu und die alten Männer blieben an ihrem Platz. Anwachsendes Stimmengewirr war bis auf die Lagune zu hören. Jemand brachte den seidenen Umhang und legte ihn um Charangus Schultern. Der Inder hatte sich in seiner Sänfte aufgerichtet und scheuchte seine Untergebenen mit herrischen Bewegungen durch die Gegend. Auch der dicke alte Gibbon-Affe war wieder zur Stelle. Jetzt hockte er zu Charangus Füßen.

      Die Männer der „Isabella“ pullten zügig weiter. Knapp eine halbe Kabellänge trennte sie noch von dem paradiesischen Strand.

      Ein Paradies, das keins sein konnte – davon war Hasard überzeugt. Wo Menschen verfolgt wurden und Todesängste ausstanden, konnte von einem Paradies nicht die Rede sein.

      Er hatte vorsorglich Pistolen und einen Vorrat an chinesischem Feuer in das Beiboot mannen lassen. Al Conroy war dabei, denn er beherrschte das Instrumentarium der Schwarzpulverladungen mit vollendeter Virtuosität. Es sah allerdings nicht danach aus, daß er seine Künste demonstrieren mußte. Mit im Boot waren außerdem Ferris Tukker, Edwin Carberry, Smoky, Blacky, Sam Roskill, Bob Grey, Luke Morgan, Stenmark und Pete Ballie. Ben Brighton war mit der restlichen Crew als Bordwache zurückgeblieben. Siri-Tong bemutterte nach wie vor das Mädchen Moana, wobei Dan O’Flynn ständig auf dem Sprung stand, seinerseits durch kleine Gefälligkeiten zu Moanas Wohlbefinden beizutragen.

      Ein sichtlicher Genuß war für Arwenack indessen der erhöhte Platz auf der Schulter des Seewolfs. Anfangs war der Schimpanse verwirrt gewesen, doch Hasard hatte ihn schließlich dazu gebracht, in dieser ungewohnten Pose zu verharren. Mittlerweile trug Arwenack die breite Nase reichlich hoch. Herablassend ließ er seinen Blick über die Männer schweifen, die zu seinen Füßen schwitzten.

      „Seht euch diesen schwarzen Stinker an“, knurrte Edwin Carberry, „der glaubt jetzt, er sei was Besonderes.“

      „Soll er auch“, entgegnete Hasard lächelnd, „er soll sich fühlen wie ein junger Gott.“

      „Warum nimmst du nicht mich auf die Schulter?“ rief Sam Roskill. Seine dunklen Augen funkelten vor Vergnügen. „So ein göttliches Gefühl könnte mir auch gefallen.“

      „Verdammt ja!“ prustete Ferris Tucker. „Genug Ähnlichkeit mit einem Affen hat er, der Junge!“

      Grölendes Gelächter setzte ein, und Sam Roskill zog den Kopf zwischen die Schultern, schweigend. Diese Kerle verstanden es doch immer wieder, einen gutgemeinten Scherz ins Gegenteil umzukehren.

      „Ruhe jetzt“, mahnte der Seewolf, und das Gelächter verebbte.

      Die lautstarke Fröhlichkeit war auf der Insel nicht unbemerkt geblieben. Charangu und seine Untertanen standen wie erstarrt und waren verstummt. Erst jetzt, als es im Boot der Seewölfe stiller wurde, setzten sie ihre hektische Betriebsamkeit fort.

      Hasard erblickte einen Schwarm von Menschen, der sich aus dem Inneren der Insel zum Strand hin ergoß.

      Nicht nur Menschen.

      Langarmige, haarige Wesen hangelten überall aus Palmenkronen und Kletterpflanzen zu Boden und schlossen sich den Männern, Frauen und Kindern mit hüpfenden Bewegungen an.

      Gibbons in geradezu unüberschaubarer Zahl – eine grauschwarze Menge, die jetzt den Strand erreichte und dort Aufstellung nahm. Frauen und Männer hasteten herum und versorgten die Gibbons mit Nüssen, Früchten und anderen Leckereien. In stoischer Ruhe nahmen die Affen das Naschwerk entgegen.

      Hasard rieb sich verdutzt die Augen. Schlagartig wurde ihm klar, welches raffinierte Spiel der Inder hier


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