Seewölfe - Piraten der Weltmeere 413. Roy Palmer

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 413 - Roy Palmer


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„Wir kommen hier raus, keine Sorge. Und sie werden sich wundern, diese verfluchten Hunde. Diese feigen, dreckigen Hunde.“

      „Du solltest dir aber doch ein wenig Schlaf gönnen“, sagte Jost Heineken, sein Erster Offizier und Bootsmann, der rechts neben ihm saß und die Beine an den Leib gezogen hatte. „Hau dich endlich hin.“

      „Nein. Später, wenn wir wieder an Bord sind, kann ich genug pennen“, brummte de Bruijn.

      Ja, das war sein Plan: Er wollte ausbrechen und sein Schiff zurückerobern – sein rechtmäßiges Eigentum.

      Heineken ließ aber doch nicht locker. „Ich meine nur – du solltest dich nicht zu sehr verausgaben. Du brauchst doch deine Energien noch.“

      „Ich bin so frisch und munter wie ein Fisch“, sagte der Kapitän mit grimmiger Miene. „Und du, Jost Heineken, brauchst dir deswegen keine Gedanken zu machen. Ich kann eine Woche lang auf Schlaf verzichten, das weißt du.“

      „Ja, natürlich.“

      „Wir sitzen jetzt seit drei Tagen und zwei Nächten hier fest, und das ist bereits entschieden zuviel.“ De Bruijn lauschte den Schritten des Postens. Sie bewegten sich an der Bohlentür der Zelle vorbei, entfernten sich und verklangen dann ganz. Der Posten war seine gewohnte Runde gegangen und wieder ins Wachlokal zurückgekehrt.

      Die Männer hatten sich an diese Kontrollgänge gewöhnt. Sie legten eine Verschnaufpause ein, wenn der jeweilige Wächter vorbeimarschierte. Gleich danach begaben sie sich wieder an die Arbeit.

      De Bruijn richtete sich auf. Heineken, der Profos, der Segelmacher und die meisten anderen folgten seinem Beispiel. Sie waren sechsundzwanzig Männer, doch sie waren dreißig gewesen, als sie sich noch an Bord ihres Schiffes befunden hatten. Aber vier von ihnen waren gefallen, als sie sich gegen die Besetzung der „Zeehond“ durch die Gardisten unter der Führung von Don Alonzo de Escobedo zur Wehr gesetzt hatten.

      Die „Zeehond“ war erobert und beschlagnahmt worden. De Escobedo hatte die Holländer abführen und in das Stadtgefängnis sperren lassen. Es hatte de Bruijn nichts genutzt, daß er Protest eingelegt hatte. De Escobedo hatte ihm sogar angedroht, ihn in Ketten zu legen, wenn er keine Ruhe gäbe.

      Die Verwundeten hatten sie mit primitivsten Mitteln versorgen müssen. Kein Feldscher oder Arzt hatte sich ihrer angenommen. Ein halbes Dutzend klagte noch immer über Schmerzen, aber de Bruijn konnte nichts mehr für sie tun – und auch das setzte ihm zu. Ein Mann hatte ein gebrochenes Nasenbein, ein anderer eine Fleischwunde im linken Oberarm. Die anderen hatten ähnliche Blessuren, aber de Bruijn konnte noch von Glück sprechen, daß keiner von ihnen fieberte. Ein Kerl wie de Escobedo hätte jeden Kranken mitleidlos verrecken lassen.

      „Käp’ten“, sagte einer der Seeleute mit dunkler Stimme. Er hieß Hendrik. „Warum locken wir den Wachtposten nicht unter einem Vorwand rein und hauen ihm was über die Rübe, den Marlspieker beispielsweise?“

      „Hendrik, das habe ich dir schon mal erklärt“, erwiderte de Bruijn. „Er sitzt nicht allein in dem Wachlokal. Das Stadtgefängnis ist nicht gerade klein, und die Zellen sind alle voll, wie du weißt. Wir würden auf diesem Weg nicht rauskönnen, verlaß dich drauf.“

      „Das mit dem Fenster dauert zu lange.“

      „Wir sind schon ein gutes Stück weiter.“

      „Ich meine, wenn wir zu lange brauchen, dann hauen diese Halunken mit unsrer ‚Zeehond‘ ab, das ist es, was ich sagen will“, brummte Hendrik. „Und das wäre dann der größte Dreck für uns, nicht wahr?“

      „Noch laufen sie nicht aus“, entgegnete de Bruijn ruhig. „Das habe ich dir doch schon dreimal erklärt. Sie suchen noch andere Schiffe. Sie wollen, wie es scheint, einen Verband zusammenstellen.“

      Er hatte das von einem der Wächter erfahren. Durch Zufall hatte er in seiner Hosentasche einen Silberling gefunden, der bei der flüchtigen Leibesvisitation nicht entdeckt worden war. Die Münze hatte ihren Besitzer gewechselt, und de Bruijn, der als einziger Mann der holländischen Schiffsbesatzung die spanische Sprache beherrschte, hatte zumindest ein paar Kleinigkeiten vernommen, die er unbedingt wissen wollte.

      In Havanna hatten die Wände Ohren, und so hatte die Kunde von den Neuigkeiten rasch ihren Lauf genommen. Am späten Nachmittag des 4. August war Don Antonio zurückgekehrt. Inzwischen wußte man, daß er den Kampf gegen die englischen Piraten verloren hatte, obwohl offiziell nichts darüber bekannt war. Indessen hatte er sich mit der Black Queen und ihrer Piratenmeute verbündet – wohl, um erneut zu einem Schlag gegen die Engländer auszuholen.

      „Was ist, wenn es nicht stimmt?“ fragte Hendrik. „Wenn der Wächter gelogen hat?“

      „Er hat keinen Grund dazu“, erwiderte de Bruijn. „Ich habe ihm mein Messer versprochen, wenn er mich weiterhin auf dem laufenden hält. Und gewisse Dinge kann man ja sogar von hier aus nachprüfen.“

      „Käp’ten“, sagte Hendrik. „Diese Suppe habe ich uns eingebrockt, und ich würde sie am liebsten allein auslöffeln.“

      „Fängst du wieder damit an?“

      „Ich bin bereit, für alles geradezustehen.“

      „Hör auf“, sagte der Profos. „Hier gibt’s für dich keine Suppen auszulöffeln, aber du kannst hier auch nicht alles kurz und klein schlagen. Die Steine sind viel zu hart.“

      „Ich hab’ keinen Grund, Witze zu reißen“, sagte Hendrik. „Es ist alles meine Schuld gewesen, verdammt noch mal.“

      „Ist es nicht“, sagte Heineken. „Du hast das Negerweib angequatscht, und sie hat dich niedergeschlagen, aber das war nicht der eigentliche Anlaß für das Eingreifen der Stadtgarde. Sie haben den Vorfall nur als Vorwand benutzt, um sich unsere ‚Zeehond‘ unter den Nagel zu reißen.“

      „Hätte ich diese Hure nicht so blöd angehauen, wäre gar nichts passiert.“

      De Bruijn schüttelte den Kopf. „Sie hatte unser Schiff längst ausgesucht. Und jetzt Schluß mit dem Thema, Hendrik, wir haben noch genug zu tun und können keine Zeit mit unnützem Gerede vergeuden. Ich will diese Selbstvorwürfe auch nicht mehr hören.“

      „Ist das ein Befehl, Käp’ten?“

      „Ja.“

      „Gut“, sagte Hendrik, dann bewegte er sich mit schweren Schritten auf die Außenmauer zu. Er bückte sich ein wenig, und Wim de Bruijn kletterte auf seine Schultern, richtete sich auf und begann an dem vergitterten Fenster zu arbeiten.

      Grillo, der Mischling, bewegte eine weiße Perle zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her.

      „Seht mal“, sagte er und grinste. „Mir hat sie die größte gegeben.“

      Escobar, der Mulatte, schüttelte den Kopf. „Quatsch. Meine ist die größte.“

      „Ihr täuscht euch beide“, sagte Mantilla, der Kreole. „Meine ist die dickste. Aber ich will mich mit euch nicht streiten, nicht schon wieder.“

      Grillo hob seine Muck und stieß mit den beiden Kumpanen an. Sie tranken von dem dunkelroten, herben Wein und lachten. Sie saßen auf Freiwache im Logis der „Zeehond“, und besser hätten sie es nicht haben können.

      Ja, gestritten hatten sie sich, aber das war gewesen, als sie noch im Kabelgatt der Fleute gehockt hatten. Caligula hatte sie ganz schön gepiesackt und kujoniert, weil sie sich so störrisch und aufsässig benommen hatten. Sie hatten sich nicht pressen lassen wollen, aber er hatte damit gedroht, daß er ein Exempel statuieren und einen von ihnen bis aufs Blut auspeitschen würde.

      Schließlich hatten sie klein beigegeben. Die Black Queen hatte sie dafür mit je einer Perle belohnt und ihnen auch noch ein paar Silberlinge versprochen, wenn es keinen Grund zu Klagen über den Borddienst gab. Für die Freiwachen spendierte sie großzügige Extrarunden Wein und Bier, um die Kerle bei Laune zu halten, und zu tun gab es ja im Prinzip sowieso nicht viel, solange der Kahn im Hafen von Havanna an der Pier lag.

      Also ließen


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