Seewölfe - Piraten der Weltmeere 221. Frank Moorfield

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 221 - Frank Moorfield


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Verdammt, gerade eben hatte er die Muck doch hier rechts neben sich gestellt. Sie konnte sich doch nicht in Luft aufgelöst haben. Oder sollte ihm die Hitze schon ans Hirn gegangen sein? Verflixt und zugenäht, bis jetzt hatte er noch immer seine sieben Sinne beisammen gehabt. Hier und sonst nirgends hatte er die Muck mit dem Wasser hingestellt.

      Ed Carberry schickte einen mißtrauischen Blick zu den Zwillingen hinüber. Die beiden „Rübenschweinchen“, wie er sie oft zu nennen pflegte, holten jedoch eifrig die Leinen ein, die am jeweiligen Bügel ihrer Schlagpütz angespleißt waren, und schienen im Moment am Profos der „Isabella“ keinerlei Interesse zu haben. Außerdem waren sie auch zu weit von ihm entfernt, um ihm einen Schabernack spielen zu können.

      Aber wo war die Muck?

      Ha – endlich merkte Ed Carberry, wer ihn auf den Arm nehmen wollte. Es konnte nur Luke Morgan gewesen sein, der kleine, dunkelblonde Kerl mit der Messernarbe über der Stirn, der als „Hitzkopf“ der Mannschaft galt. Luke Morgan befand sich im Moment keine drei Yards von ihm entfernt.

      Ed Carberry blieb auf seiner Taurolle sitzen und streckte Luke Morgan fordernd die Hand entgegen.

      „Ich habe, verdammt noch mal, einen gewaltigen Brand in der Kehle“, sagte er.

      „Na und?“ gab Luke Morgan zurück. „Glaubst du vielleicht, uns geht es anders, Ed? Es soll verschiedene Flüssigkeiten geben, die da Abhilfe schaffen.“

      Hinter der Stirn des Profos braute sich ein Gewitter zusammen. Sein Blick verfinsterte sich und seine rechte Hand war noch immer Luke Morgan entgegengestreckt.

      „Eben deshalb“, sagte Ed Carberry mit Donnerstimme, „möchte ich sofort meine Muck Wasser wiederhaben. Oder glaubst du schwindsüchtige Kakerlake vielleicht, daß du mich leimen kannst? Und wehe dir, es fehlt auch nur ein einziger Schluck.“

      Luke Morgan hatte runde Augen.

      „Jetzt ist es soweit“, stieß er hervor. „Ich meine, es ist die Hitze, Mister Carberry“, fügte er noch hinzu und begann zu grinsen. „Ich habe die letzte Stunde noch keine Muck mit Wasser gesehen. Sicher hast du zu große Schlucke genommen und dabei die Muck ganz einfach mit runtergeschluckt.“

      „Jetzt hört euch diese neunschwänzige Bilgenratte an!“ brüllte der Profos und erhob sich. Seine wütenden Augen kündigten Luke Morgan nicht gerade einen Feiertag an. „Ich werde jetzt bis drei zählen“, sagte er mit einem gefährlichen Knurren in der Stimme. „Hörst du? Genau bis drei, und wenn dann meine Muck nicht hier ist, werde ich dir die Haut in Streifen von deinem karierten Affenarsch ziehen. Aber schön langsam und mit …“

      Weiter gelangte der Profos nicht.

      Er bemerkte einen dunklen Schatten, der von oben sauste, dicht an ihm vorbeiflog und mit einem lauten Scheppern auf die Planken knallte.

      Es war seine Muck. Und sie war leer.

      Während die Männer, die mit Luke Morgan auf der Kuhl beschäftigt waren, in lautes Gelächter ausbrachen, fuhr Ed Carberry herum und richtete für einen Moment sprachlos den Blick nach oben. Dort sah er gerade noch Arwenack, den Schimpansen, der laut keckernd die Wanten hochturnte. Und schlagartig wurde ihm klar, was mit seiner Muck geschehen war.

      „Lausiges Affenvieh!“ brüllte der Profos und schwang drohend die Fäuste. „Wenn du dich noch einmal hier unten blicken läßt, werde ich die größte Muck aus der Kombüse holen und dich, verdammt noch eins, darin ersäufen, und danach werde ich dir ein dickes Ende über deinen Affenarsch ziehen, daß dir Hören und Sehen vergeht!“

      „Du hast dich in der Reihenfolge vertan, Mister Carberry!“ rief Hasard junior, der wie sein Zwillingsbruder die Schlagpütz auf die Planken gestellt hatte und interessiert dem sich anbahnenden Schauspiel gefolgt war.

      „Jawohl, Mister Carberry, Sir“, ließ sich nun Philip junior vernehmen und nickte grinsend. „Zuerst das Ende und dann die Muck, anders herum geht es nicht.“

      Der Profos, dem die Hitze erneut Schweißbäche übers Gesicht rinnen ließ, fuhr wie von einer Tarantel gestochen herum.

      „Was? Wie?“ brüllte er. „Natürlich wird die Reihenfolge geändert. Und als erstes werde ich das Ende euch Rübenschweinchen über den Achtersteven ziehen, und zwar so, daß ihr sämtliche Engelschöre auf einmal singen hört!“

      Noch während die beiden Bürschchen sich anschickten, den günstigsten Kurs für eine rasche Flucht festzulegen und der Profos drohend wie ein Racheengel auf sie zurückte, folgte die Erlösung. Zwar nicht vom Himmel, aber doch von oben.

      „Deck!“ rief Bill, der Moses, aus dem Großmars. „Ich sehe ein Wrack an Backbord!“

      „Wo siehst du ein Wrack?“ fragte Ben Brighton zurück, der zusammen mit dem Seewolf die Vorgänge auf der Kuhl beobachtet hatte.

      „Drüben, weit in der Bucht, die wie ein riesiger Fluß aussieht. Direkt vor dem Dschungel!“

      Bills Stimme klang aufgeregt. Und auch jene Männer, die bisher an der Schmuckbalustrade der Back gedöst hatten, schienen plötzlich aus ihrer Lethargie zu erwachen. Selbst der Profos vergaß für einen Augenblick sein erzieherisches Vorhaben an den beiden „Rübenschweinchen“ und dem Schimpansen Arwenack. Auch er trat ans Backbordschanzkleid und schaute angestrengt zur Bucht hinüber.

      Über das faltige Gesicht des alten O’Flynn zog ein selbstzufriedenes Grinsen.

      „Ein Wrack“, murmelte er zu sich selbst. „Habe ich nicht gleich gesagt, daß etwas in der Luft liegt? Ein Wrack hat selten etwas Gutes zu bedeuten.“

      2.

      Philip Hasard Killigrew, der Seewolf, stand nach wie vor an seinem Platz. Er hatte das Spektiv ans Auge gesetzt und suchte auf die Meldung Bills hin konzentriert die Küste ab.

      „Kannst du etwas sehen?“ fragte Ben Brighton, sein Stellvertreter und der erste Offizier der „Isabella“.

      „Hm“, sagte der Seewolf, und sein Gesicht nahm einen ernsten Ausdruck an. „Es scheint eine Galeone zu sein oder vielmehr das, was von ihr übrig ist. Ich kann nur ein Gerippe erkennen. Es scheint dicht vor dem Dschungel auf dem Trockenen zu liegen. Unmittelbar daneben kann ich die Mündung eines kleinen Flusses erkennen.“

      „Das Gerippe einer Galeone?“ sinnierte Ben Brighton. „Was hat das nun wieder zu bedeuten?“

      „Wir werden versuchen, es festzustellen“, erwiderte Hasard und nahm das Spektiv von den Augen. „Ja, wir werden uns dieses merkwürdige Wrack einmal ansehen.“

      Gleich darauf gab er dem Rudergänger Pete Ballie den Befehl, nach Backbord abzufallen und ein Stück tiefer in die Baja de Marajo, in der mehrere größere und kleinere Urwaldflüsse zusammenströmten, zu steuern.

      Je weiter sie sich der Küste näherten, desto lauter drangen die Geräusche des Dschungels zu ihnen herüber. Zwischen das anhaltende Geschrei der Brüllaffen, die gewöhnlich zu dieser Jahreszeit durch die Früchte der ChontaPalme fett und träge geworden waren, mischte sich das laute Kreischen von Vögeln.

      Die Männer an Bord der „Isabella“ schirmten die Augen mit der flachen Hand ab und versuchten, die Konturen der wracken Galeone zu erkennen.

      Selbst Sir John, der karmesinrote Aracanga-Papagei, der einst dem Profos, Ed Carberry, am Amazons zugeflogen war und seitdem die „Isabella“ auf ihren Fahrten durch die Weltmeere begleitete, lief aufgeregt auf seinem Lieblingsplatz, der Vormarsrah, hin und her. Wahrscheinlich hatte das vielstimmige Urwaldkonzert, das pausenlos zum Schiff herüberdröhnte, heimatliche Gefühle in ihm geweckt, was ihn jedoch nicht daran hinderte, einige saftige Flüche vom Stapel zu lassen, die er von seinem Herrn und Meister gelernt hatte.

      Endlich war es soweit.

      Die „Isabella“ hatte sich dem Wrack bis auf zwei Kabellängen genähert. Nachdem Smoky, der Decksälteste, bereits zweimal Tiefe gelotet hatte, gab der Seewolf den Befehl, die Segel aufzugeien und zu ankern.

      Der


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