Seewölfe - Piraten der Weltmeere 183. Roy Palmer

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 183 - Roy Palmer


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Deutschen geglaubt, bei diesem Fleckchen Erde handele es sich garantiert um die Insel, auf der er „seinerzeit den immensen Schatz vergraben hätte“.

      Dieser „immense Schatz“ war ebenso erfunden wie die Aussage, daß Thomas Federmann vor Jahren die Inselwelt der Südsee bereist hätte. Thomas, der Deutsche, hatte außer Hawaii und dessen Nachbarinseln bislang kein einziges der vielen Eilande, die es in diesem riesigen Meer geben sollte, kennengelernt.

      Er war dereinst aus Neu-Granada, das neuerdings auch Kolumbien genannt wurde, geflohen, und zwar an Bord einer spanischen Galeone – das stimmte. Was er für Masot, den französischen Freibeuterkapitän, jedoch hinzufabuliert hatte, war folgendes: Er, Thomas Federmann, hätte den Spaniern in der Neuen Welt einen Schatz entreißen können, ihn heimlich mit der Galeone fortgeschafft und nach einer gelungenen Meuterei an Bord des Schiffes, die ihm zum Kommando über die komplette Mannschaft verholfen hätte, auf zwei weit auseinander liegenden Inseln des Stillen Ozeans versteckt.

      Die eine Insel hatte keinen Namen, aber er hatte ihr Aussehen und ihre ungefähre geographische Lage auf einer Skizze festgehalten. Die zweite Insel war Hawaii, dort hätte er sich niedergelassen und Freundschaft mit den Insulanern geschlossen, hatte er Masot erzählt.

      Dieser Teil der Schilderung entsprach der Wahrheit, aber der Rest war wieder ein Produkt der reichen Phantasie des Deutschen: Bald hätte es Streit mit den übrigen Meuterern von der Galeone gegeben, hatte er behauptet, und ein Kampf wäre unvermeidlich gewesen. Aber die Insulaner hätten auf seiner Seite gestanden und bei einem Überraschungsangriff die Spanier dank ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit überwältigen können.

      Die letzten Überlebenden wären in einer Schaluppe davongejagt worden, man hätte sie nie wiedergesehen. Die Galeone, mit der Thomas aus Neu-Granada geflohen war, hätte man zwischen Hawaii und Maui versenkt. So hätte man gehofft, mit dem einen Teil des Schatzes für alle Zeit in Frieden leben zu können – bis vor wenigen Tagen Masot und seine Piratenbande an Bord von zwei Schiffen, der „Saint Vincent“ und der „Saint Croix“, erschienen waren, um Hawaii zu überfallen.

      Was Masot gesucht hatte? Nun, in erster Linie hatte er wohl mit seinen Kerlen über die hübschen Mädchen der Insel herfallen wollen. Weiter hatte er sicherlich vorgehabt, seine Proviant- und Trinkwasservorräte zu erneuern. Ganz zufällig hatte er auf seiner Fahrt durch die Südsee dieses Inselparadies Hawaii entdeckt und sogleich beschlossen, ein wüstes Fest darauf zu feiern, eine Orgie.

      Thomas Federmann hatte ihn ablenken können. Natürlich hätte Masot ihm die abenteuerliche Geschichte niemals abgenommen, wenn nicht der „Beweis“ gewesen wäre: die spanischen Piaster, goldene und silberne Achterstücke, die der Deutsche vor einigen Jahren auf Anraten des Seewolfs hin im Inneren der Insel vergraben hatte. Es waren wohl fünfhunderttausend oder noch mehr Münzen, Thomas und die Polynesier hatten sie nie genau gezählt.

      Sie stellten den Anteil der Insulaner an dem gelungenen Überfall auf die legendäre Manila-Galeone dar – und sie hatten Federmann und den Ureinwohnern von Hawaii nun diesen einmaligen Dienst erwiesen, daß nämlich die Piraten von den Mädchen abgelassen hatten. Trunken vor Gier hatten sie in den Münzen gewühlt – und unter dem Einfluß dieses wilden Freudentaumels hatte Thomas dem Anführer Masot die Mär aufgebunden, es gäbe noch einen zweiten, größeren Teil von diesem Schatz.

      Schon seit Jahren fertigte Thomas, der ein begabter Maler und Zeichner war, Bilder und Skizzen von Phantasie-Inseln der Südsee an. Es waren Tagträume von der Beschaffenheit des weltabgeschiedenen Paradieses schlechthin, hier und da mit Hawaii identisch, meistens aber dem großen Vorstellungsvermögen des Deutschen entsprungen.

      Eine dieser Skizzen hatte Thomas dem Franzosen vorgelegt. Wie immer dieses Eiland, das als wichtigstes Merkmal über eine große Bucht im Westen verfügte, hieß, wo es lag und wer immer es bewohnte – Masot hatte beschlossen, es zu finden. Auf südlichem Kurs segelnd, so hatte er sich überlegt, müßte er auf die angegebene Position stoßen.

      Zuerst hatte er vermutet, bei der Insel handele es sich um einen Teil des Hawaii-Archipels, aber das hatte sich bald als Irrtum herausgestellt.

      Südlich von Hawaii gab es zunächst keine Inseln mehr – nur Wasser, endlos wirkendes, tiefblaues Wasser.

      Masot hatte nicht aufgegeben. So war er mit seiner Meute und den Geiseln, die er von Hawaii mitgenommen hatte, zuerst auf der einen unbekannten Insel – die mit der Skizze hätte identisch sein können – und anschließend auf diesem Eiland gelandet, das genauso namenlos und unerforscht wie das erste war.

      Die Hauptinsel und einige winzige Eilande, die an sie anschlossen, bildeten ein Atoll, in dessen Zentrum sich die Lagune ausdehnte. Masot hatte eine Passage zwischen den gefährlichen Korallenriffen entdeckt und so mit dem Dreimaster in die Lagune einlaufen und dort ankern können. Die Insel selbst war öde und unbewohnt, wie sich bald herausgestellt hatte, es gab hier nur viele Schildkröten und Vögel, und in der Lagune konnte man Fische fangen, soviel man wollte.

      Unbewohnt – damit war eine Hoffnung von Thomas Federmann zerstört worden. Er hatte darauf gebaut, daß sie auf Eingeborene stoßen würden, mit denen Zegú und er sich verbünden konnten. Aber diese Illusion war nun zerstört. Es gab keine Hoffnungen mehr.

      Thomas hatte Masot gegenüber immer wieder bestätigt, daß er das genaue Versteck des Schatzes zwar auf der Skizze nicht eingezeichnet habe, es jedoch aus dem Gedächtnis wiederfinden würde.

      So hatte er behauptet, dies wäre nun die gesuchte Insel, und er würde auch den Schatz – gut eine Million spanische Achterstücke – heben. Er allein würde sich das zutrauen.

      Masot war nach den sechs vergeblichen Versuchen mißtrauisch geworden, daraus rührte jetzt sein Hohn her. Andererseits hielt ihn seine Gier nach noch größerem Reichtum davon ab, das Unternehmen abzubrechen.

      Masot stand mit gespreizten Beinen auf der kleinen, leicht erhöht liegenden Insellichtung und ließ seinen Gefangenen keinen Moment aus den Augen. Masot war ein großer, wuchtig gebauter Mann mit dunklen Augen, einer kleinen Nase und einem breiten Mund, der sich in einem mächtigen schwarzen Vollbart verbarg. Als Zierde und Symbol seiner Stellung trug er eine Art Dreispitz auf dem Kopf. Diese Kopfbedeckung war zwar an manchen Stellen eingerissen und verbeult, aber keinem der französischen Freibeuter wäre es eingefallen, über das ramponierte Stück zu grinsen.

      Masots mächtiger Körper war fast bis zu den Fußknöcheln in einen einstmals weinroten und jetzt kaum noch definierbar gefärbten Umhang gehüllt – eine Trophäe aus einer von vielen Seeschlachten. Seine Beine steckten in weiten schmutziggrauen Hosen, die am Bund von einem Rohledergürtel zusammengehalten wurden. Er trug Stiefel, richtige Stulpenstiefel, während seine Kerle barfuß liefen, und quer über seine Brust spannte sich von der linken Schulter herab bis zur Hüfte hinunter ein breiter, schwerer Gurt mit einer riesigen Schnalle. Zwei geladene Pistolen steckten darin, außerdem ein Schiffshauer mit leicht gekrümmter Klinge und ein Messer.

      Vom Strand der Lagune flackerte Feuerschein herüber.

      Gugnot wandte den Kopf, sah zu dem zuckenden Licht hinüber und brummte: „Die anderen braten jetzt den Fisch, den wir heute nachmittag in der Lagune gefangen haben.“

      „Die haben’s gut“, sagte Saint Cyr so leise, daß Masot ihn nicht verstehen konnte.

      Das Grölen der Piraten drang deutlich an ihre Ohren.

      Gugnot zerdrückte einen Fluch auf den Lippen, dann meinte er gedämpft: „Sie saufen Rum und machen sich’s so richtig gemütlich. Ich wette, sie holen sich auch noch die Weiber. Ja, die Hunde toben sich aus, nur wir zwei Narren stehen uns hier die Beine in den Bauch. Wie lange? Bis zum Morgen? O Mann, möglich ist alles.“

      Saint Cyr schüttelte den Kopf und deutete auf den wankenden, schwitzenden Deutschen. „Kaum, Gugnot, kaum. Der hält nicht mehr lange durch. Er krepiert noch heute nacht, entweder vor Erschöpfung oder unter Masots Hieben, das versichere ich dir.“ Er grinste gemein.

      Hier, in der unmittelbaren Nähe des Äquators, ging die Sonne von einem Augenblick zum anderen unter, und die Dunkelheit senkte sich übergangslos auf die See. Die Schatten der Nacht drohten die


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