Seewölfe - Piraten der Weltmeere 254. John Curtis

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 254 - John Curtis


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      Dieses Dutzend Männer, die sie an Bord hatten, waren Grabräuber der übelsten Sorte, und sie hatten sie nicht freiwillig an Bord.

      An der Pier in Theben hatte ein türkischer Offizier unter sanftem Druck den Seewolf dazu „überredet“, die Grabräuber bis zum ersten Katarakt mitzunehmen. Dort sollten sie abgeholt und weiter nach Nubien gebracht werden. Was den Kerlen dort bevorstand, wußte an Bord mittlerweile jeder.

      Sie wurden in die oberägyptischen Gold- und Kupferminen verfrachtet, und damit waren ihre Tage gezählt. Von dort kehrte nur ganz selten jemand wieder zurück. Einen davon gab es an Bord, das war der Nubier Halef, ein Kerl wie aus gehämmerter Bronze, mit wildem verwegenen Gesicht, in der Gestalt dem Gambianeger Batuti ähnlich – was das Aussehen betraf –, im Charakter genau das Gegenteil.

      Er war einer von denen, die sich am tollsten gebärdeten, denn der Nubier Halef hatte gute Gründe, die Reise nicht fortzusetzen. Er kannte die Gold- und Kupferminen, die unglaublichen Strapazen, die brutalen Gaffire, die pausenlos ihre Peitschen schwangen, und er kannte auch die Knochenarbeit, die kein Mensch lange durchhielt.

      Ihm war die Flucht gelungen, und er hatte sich wieder auf die einträgliche Grabräuberei verlegt.

      Dann, im Tal der Könige, hatten sie ihn erwischt, und seitdem befand er sich mit elf anderen Kerlen auf der „Isabella“.

      Hasard lagen diese renitenten, ständig brüllenden und tobenden Kerle schwer im Magen. Er wünschte nichts sehnlicher, als sie so schnell wie möglich wieder loszuwerden.

      Doch noch war der erste Katarakt nicht erreicht. So schwach, wie der Wind blies, würde es wohl auch noch eine geraume Weile dauern, überlegte er.

      Der Profos ging nach vorn, in Begleitung von Smoky, Shane und Ferris Tukker, denn den Burschen war nicht zu trauen, das hatten sie schon bewiesen.

      Der Kutscher riß sich seufzend vom Anblick des Tempels los und brachte den Kessel voll Hirsebrei an Deck, der für die Gefangenen bestimmt war. Das Essen, das die Seewölfe morgens kriegten, verschmähten die Burschen und sahen es verächtlich an.

      Carberry öffnete das verriegelte Schott zur Vorpiek. Hinter dem Niedergang stand Smoky, einen Radschloßdrehling in der Hand. Big Old Shane hielt in seinen mächtigen Fäusten eine Spillspake und schien nur darauf zu warten, daß einer der Kerle frech wurde.

      Der Profos selbst hielt das Entermesser in der Faust, und sein narbiges Gesicht sah so grimmig aus, daß es nicht ratsam schien, sich mit ihm anzulegen.

      Der breitschultrige, muskelbepackte und schweißtriefende Nubier Halef trat als erster aus der Vorpiek. Er maß Carberry mit einem schnellen Blick, in dem unbändiger Haß lag, und entblößte seine Zähne zu einem schaurigen Grinsen.

      „Benimm dich anständig, Freundchen“, sagte der Profos ganz sanft, und dieser sanfte Klang in der Stimme verhieß absolut nichts Gutes.

      „Sei ganz friedlich, sonst klopf ich dich zu Dattelmus.“

      Natürlich verstand der Nubier kein Wort, aber er begriff ungefähr, was dieser narbige Riese damit ausdrücken wollte.

      Schleichend wie eine schwarze Raubkatze bewegte er sich zum Niedergang, gefolgt von den anderen.

      Nur einer verhielt sich nicht ruhig, ein Kerl in einem abgerissenen, löcherigen und schmutzigen Nachthemd, wie der Profos die Kaftans, Burnusse und Djelabas zu bezeichnen pflegte. Er brüllte und schrie Schimpfworte in seiner Sprache, drohte dem Profos mit der Faust und fluchte wild.

      Als das Fluchen kein Ende nahm, griff Carberry zu. Er erwischte den Kerl an seinem langen schwarzen Spitzbart und drehte ihn zu einem Knebel zusammen, bis dem Grabräuber das Wasser in die Augen schoß. Ed zog ihn am Bart noch weiter herunter, dann schlug er ihm mit der flachen Hand auf den Hinterkopf. Es war nur das, was der Profos als Fliegentatscher bezeichnete, aber es langte auch für eine fünf Fuß große Fliege.

      Ed hörte Zähne aufeinanderklappern, dann ein winselndes Geheul, und im nächsten Augenblick lag der Kerl fast ohnmächtig auf den Planken.

      „So, du verwanzter Nilpanscher“, sagte er. „Hier wird nicht geflucht, dafür bin ich zuständig und sonst niemand. Merk dir das, du wandelndes Nachthemd.“

      Er riß den Kerl wieder hoch und beförderte ihn weiter zum Niedergang hinauf.

      Dort blinzelten die Burschen mit zusammengekniffenen Augen in das grelle Sonnenlicht. Der Nubier sah sich langsam nach allen Seiten um, entdeckte dann aber, daß einer der Giaurs eine Drehbasse auf die Meute gerichtet hielt und die anderen ebenfalls bewaffnet waren. Noch war also seine Zeit nicht reif, überlegte er. Zuerst mußten sie diese Kerle in Sicherheit wiegen.

      Einem anderen Mann warf er einen warnenden Blick zu und sagte etwas zu ihm. Daraufhin schüttelte er schnell den Kopf.

      „Hast du verstanden, was er sagte?“ fragte der Seewolf seinen Sohn Hasard.

      „So ungefähr, Dad, Sir. Er sagte, der andere solle sich benehmen, sie könnten jetzt keinen Ärger brauchen. Die letzten Worte habe ich nicht mehr ganz mitgekriegt.“

      „Das wundert mich eigentlich bei den Kerlen“, sagte der Seewolf nachdenklich. „Merkwürdig, daß sie plötzlich so friedlich sind.“

      „Oder sich nur so friedlich geben“, sagte Dan O’Flynn. „Damit wollen sie uns in Sicherheit wiegen.“

      „Sehr wahrscheinlich“, räumte Hasard ein. „Nun, wir werden schon auf diese Burschen aufpassen.“

      Er sah wieder zum Profos hin. Der Kerl mit dem schwarzen Spitzbart gab immer noch keine Ruhe. Sein Gesicht war von Haß, Wut und Schmerz verzerrt, und er legte sich tatsächlich noch einmal mit dem Profos Edwin Carberry an. Wahrscheinlich hatte er seine Lektion noch nicht richtig gelernt.

      „Jetzt reicht’s mir aber“, hörte er Ed sagen. „Wenn du fusselbärtiger Flohträger jetzt nicht ruhig bist, dann setzt es was mit der Neunschwänzigen. Das ist dieses liebliche Mädchen hier.“

      Er zog die Neunschwänzige von der Nagelbank und hielt sie dem Fusselbärtigen unter die Nase.

      Der Nubier Halef sagte wieder etwas, diesmal in etwas schärferem Tonfall. Daraufhin schwieg der Kerl für eine Weile.

      Der Kutscher brachte den Kessel mit Hirsebrei an Deck, hatte auch etwas Hammelfleisch darunter gemengt und das Ganze nach arabischer Art scharf gewürzt.

      Carberry zog den dampfenden Kessel weiter bis zur Kuhlgräting. Sein großer Daumen zeigte abwärts, was so viel heißen sollte, daß die Kerle sich gefälligst hinsetzen sollten.

      Die hölzernen Löffel, die der Kutscher ihnen reichte, beachteten sie nicht. Sie langten mit den Fingern in den heißen Hirsebrei, drückten ihn zu Kugeln zusammen und schoben sich die Klumpen dann gierig in den Mund.

      „Jedem das Seine“, meinte der Kutscher und blickte zu Smoky hinüber, der die Grabräuber aus schmalen Augen musterte und keinen einzigen Blick von ihnen ließ.

      Schon nach den ersten Bissen sahen die Planken der Kuhl aus, als hätte hier eine Hammelherde gewütet. Carberry und Smoky sahen es mit immer größerem Mißfallen.

      Die kohlschwarzen Augen des Nubiers musterten unter halbgeschlossenen Lidern jeden einzelnen Mann der „Isabella“, huschten weiter über die Decks und registrierten jede Bewegung.

      Der Mann war äußerst gefährlich, das wußten sie alle. Er verfügte über ähnliche Bärenkräfte wie Batuti, denn die harte Arbeit in den Bergwerken hatte ihn zu einem Kerl aus Eisen werden lassen und seine Kondition überhaupt nicht geschwächt.

      Die Kerle ließen absichtlich Hirsebrei auf die Planken fallen, damit es schön klebte und sie die Seewölfe ein wenig provozieren konnten. Und wie unabsichtlich verwischten sie das klebrige Zeug dann zu einem feuchten Papp.

      Ben Brighton verließ das Achterdeck. Der gedrungen wirkende Erste Offizier und Stellvertreter Hasards wirkte freundlich und nett, und in seinem Mundwinkel stand sogar ein Lächeln. Jedenfalls sah das für diejenigen


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