Seewölfe - Piraten der Weltmeere 370. Fred McMason

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 370 - Fred McMason


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Augen und war gespannt, ob das Bild wohl verschwand, wenn er sie wieder öffnete. Er öffnete nur das rechte Auge und blinzelte wieder. Aber das Bild blieb.

      Direkt an der hinteren Felswand, am Abschluß der Kaverne, stand eine große eisenbeschlagene Holztruhe. O’Flynn schluckte krampfhaft, denn diese Truhe sah verlockend aus und war sozusagen die Krönung des Ganzen. Eine Zeitlang stand er wie erschlagen in der Kaverne, musterte die Truhe, kicherte leise, schüttelte den Kopf und wunderte sich.

      Himmlische Überraschungen stehen mir bevor, dachte er, und damit hatte er recht, es standen ihm wirklich ein paar Überraschungen bevor, wenn sie auch nicht gerade himmlischer Art waren.

      Jetzt gab es für ihn kein Halten mehr, denn die Truhe stand ganz sicher nicht leer herum. Und der Unbekannte hatte den Eingang auch nicht wegen einer leeren Truhe getarnt.

      Da war was drin. Klunkerchen, Edelsteine, Gold, Perlen, Silber, die ganze Hinterlassenschaft eines Piraten, wie er vermutete.

      Mit ausgestreckten Händen humpelte er auf die Truhe zu. Das war die nächste Überraschung. Der Klunkerkasten mit den Eisenbeschlägen blieb unerreichbar.

      Unter Old O’Flynn, fast genau einen Schritt vor der Truhe, gab plötzlich der Boden nach, und der alte Donegal begab sich auf eine Höllenreise, die ihm noch lange unangenehm in Erinnerung bleiben sollte.

      Mit den Füßen voran, das Holzbein waagerecht von sich gestreckt, sauste er in einer Art Röhre blitzschnell abwärts. Er kam auch nicht mehr zum Fluchen, er kriegte kaum noch Luft. Er hatte lediglich ein paar Augenblicke Zeit, sich mächtig über die Heimtücke zu empören, mit der es ihm jetzt ans Leder ging.

      Immer sausender, immer schneller wurde die Höllenfahrt. Er flitzte wie auf der berüchtigten Totenrutsche von Tortuga schräg in die Tiefe.

      Er griff in seiner Angst wild um sich, doch da gab es nichts zum Halten. Alles um ihn herum war glatt und wie poliert. Und es war dunkel wie in König Artus’ Grab.

      Dann schimmerte ganz schwach das Licht am Ende der Röhre. Der Alte auf seiner Höllenrutsche sah, daß die verdammte Röhre jetzt zu Ende war und daß er gleich mitten in der Luft hängen würde. Aber die würde ihn nicht lange tragen, und so machte er sich auf etwas gefaßt.

      Dann spie ihn die Röhre aus, und ein warmer Wind blies Old O’Flynn sekundenlang um die Ohren. Immer noch mit waagerecht vorgestrecktem Holzbein und total verbiestert und verärgert, sauste er schräg durch die Luft.

      Unter ihm war eine blaue Wand, die er sich im ersten Augenblick nicht erklären konnte. Er war so verwirrt, daß er nicht wußte, was nun oben oder unten war. Das Blau konnte das Wasser sein – oder auch der Himmel. Aber der Himmel war ziemlich unwahrscheinlich.

      Es war das Wasser. Noch bevor O’Flynn Luft holen konnte, schoß er dort wie eine Kanonenkugel hinein. Es schäumte hoch auf, O’Flynn ging auf Tauchstation und begann, wie ein Irrer mit den Armen zu rudern.

      Gurgelnd, wasserspuckend, laut fluchend und prustend gelangte er nach Ewigkeiten, in denen er sich halberstickt glaubte, endlich wieder an die Oberfläche. Für seine wundersame Rettung hatte er jedoch nicht ein Wort des Dankes übrig. Er zeterte und brüllte, schlug um sich und verfluchte lauthals die ganze Schlangen-Insel samt ihren „Scheißhöhlen“ und „lausigen Totenrutschen“. Nein, Dankbarkeit konnte man das ganz gewiß nicht nennen. Dazu war O’Flynn nicht in der richtigen Stimmung.

      Das Wasser schäumte immer noch an jener Stelle, die seinen Sturz gebremst hatte. Er warf einen schnellen Blick nach oben und stellte erschrocken fest, daß er mindestens fünfzig Fuß durch die Luft geflogen war. Das ließ ihn noch nachträglich zusammenzucken.

      Verdammt, eben war er noch hoch oben auf dem Berg gewesen, und jetzt befand er sich in der östlichen Außenbucht der Schlangen-Insel tief im Wasser. Das wollte ihm einfach nicht in den Schädel.

      Aber er mußte schleunigst wieder an Land.

      Merkwürdigerweise brodelte das Wasser immer noch an jener Stelle, in die er hineingedonnert war. Er hatte alles gut überstanden, seine Knochen waren noch heil, und er mußte nur ein in der Bucht liegendes Riff umschwimmen, dann war er wieder an Land.

      Doch heute war ein Tag, da war der Satan offenbar persönlich auf Erden erschienen, um Old O’Flynn in Angst und Schrecken zu versetzen. Vielleicht mußte er jetzt auch für die Kneipe bezahlen, die er ja umsonst gekriegt hatte.

      Als an der brodelnden Stelle nacheinander zwei gezackte Flossen auf dem Wasser erschienen, wußte O’Flynn, wo heute die Glocken hingen.

      Er stieß einen spitzen Schrei aus und wollte zum Strand der kleinen Bucht paddeln. Doch der war zu weit entfernt, das Riff war näher, und die Haie hatten so eine Art, ihm den Weg abzuschneiden, als wüßten sie ganz genau, was er vorhatte.

      Vergessen waren für Augenblicke die Rutsche, die Kaverne und selbst die Truhe des unbekannten Piraten. Old O’Flynn empfand nackte Angst, fast Panik. Eine dritte Flosse tauchte auf und pfeilte durch das Wasser auf Old O’Flynn zu. In seiner Angst stieß und schlug er um sich, und neben der höllischen Angst empfand er auch eine grenzenlose Wut auf die freßbegierigen Biester. Die waren in der Lage und vermasselten ihm die ganze Sache mit der Kneipe, und dann würde der Profos sie vielleicht übernehmen. Oder Will Thorne, während Old O’Flynn in einem Haifischmagen ruhelos durch die Meere schwamm.

      Wut und Angst verliehen ihm Kräfte. Er schwamm auf das Riff zu, brüllte zweimal laut um Hilfe, um die Biester abzuschrecken, und zog sich hastig hinauf.

      Dort mußte er eine ganze Weile verschnaufen, denn er hatte in der kurzen Zeit mehr Strapazen hinter sich als sonst in einem Monat.

      Er hockte auf dem Riff und fluchte, drohte den Haien, die das Riff umkreisten, wütend mit der Faust und sah dann nach oben. Das Loch in der Felswand war deutlich zu sehen. Es war eine ziemlich große Röhre, vielleicht vom Regenwasser im Laufe der Jahrtausende geschaffen oder …

      Mit einem Schreckensschrei fuhr Old O’Flynn hoch und zog sich etwas weiter auf das Riff zurück. Aber das Riff war klein und ließ ihm nicht viel Spielraum.

      Einer der Haie war jetzt so nahe, daß Old O’Flynn deutlich sein Auge sah. Das Biest war riesig groß und angriffslustig. Es schnappte aus dem Wasser heraus nach dem Alten, der wütend losfluchte, um seine Angst zu verbergen. Ja, Angst hatte er zweifellos, aber Old O’Flynn war auch einer von der harten Sorte, und jetzt packte ihn eine unglaubliche Wut, weil die Haie ihn ständig umkreisten und nach ihm schnappten.

      Eine feine Situation war das. An Land konnte er nicht, und ob sein Brüllen und Zetern jemand hörte, war sehr fraglich. Aber zur Wehr setzen mußte er sich gegen die Biester.

      Old O’Flynn schnallte sein Holzbein ab und nahm es wie einen Prügel in die Hand. Einer der Haie kam ganz dicht heran, und da schlug der Alte mit voller Kraft und brüllender Stimme zu. Der Schlag erwischte den Hai auf seinem empfindlichsten Körperteil, genau auf der vorgereckten Nase.

      „Ha!“ brüllte Old Donegal. „Das schmeckt euch nicht, was? Euch werde ich es zeigen! Platsch und platsch!“

      Der zweite Hai empfing einen Schlag, schlug erregt und verschreckt mit der Schwanzflosse und tauchte schnell ab.

      O’Flynn wütete auf dem kleinen Riff an der Ostseite der Insel wie ein Berserker, schlug um sich, drosch mit dem Holzbein wie ein Wilder ins Wasser und brüllte dazu mit lauter Stimme.

      Mindestens sechs Haie umkreisten ihn jetzt, in die er wahllos hineinhieb, bis die ersten Splitter von seinem Holzbein flogen.

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