Seewölfe - Piraten der Weltmeere 135. Kelly Kevin

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 135 - Kelly Kevin


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Karavelle war höher an den Wind gegangen, als der Capitan der Galeone gerade ihren Namen lesen konnte: „Ar-Ribat“.

      Es sah so aus, als hätten die Piraten Angst vor der eigenen Courage bekommen und versuchten nun, dem überlegenen Gegner auszuweichen. Der Capitan triumphierte und beschloß sofort, das Seeräuber-Gesindel nicht ungeschoren zu lassen.

      „Backbordkanonen Feuer!“ befahl er.

      Sechs schwere Siebzehnpfünder-Culverinen spuckten ihren tödlichen Bleihagel aus. Aber die Breitseite lag zu kurz, die Kugeln platschten wirkungslos ins Wasser. Der Capitan fluchte – und bemerkte zu spät, daß der Piratensegler abfiel und halste.

      „Klar bei Backbordkanonen!“ schrie der Capitan erschrocken.

      Die Geschützmannschaften schufteten wie die Wilden. Die Karavelle lag jetzt über Steuerbordbug und rauschte mit Backstagbrise wie ein zorniger Schwan auf den schwerfälligen Gegner zu. Das Achterkastell war leer. Vor dem Bugkastell drängten sich Gestalten – und im nächsten Moment spuckte die Serpentine in der drehbaren Gabellafette Feuer.

      Holz splitterte.

      Die Galeone lief aus dem Kurs, die Marssegel begannen zu killen.

      „Treffer am Ruderkopf!“ schrie jemand, und der Capitan wurde bleich wie ein Laken.

      Drüben auf der Karavelle richtete sich der Piratenkapitän auf, der diesen Meisterschuß eigenhändig abgefeuert hatte.

      Abu Ben Rachid war groß und hager, hatte ein scharfgeschnittenes Gesicht, tiefliegende Augen und eine Adlernase. Das Tuch, das er um den Kopf trug, flatterte im Wind. Mit ein paar langen Schritten erreichte er die Kuhl, enterte zum Achterkastell auf und warf einen prüfenden Blick über das Geschützdeck.

      Die „Ar-Ribat“ war ausgesprochen schwach armiert. Je eine Serpentine an Bug und Heck, dazu an Backbord und Steuerbord je drei leichte Geschütze mit gegossenen Bronzerohren, sogenannten Minions. Hätte der Piratensegler das Gefecht mit einer Breitseite aus der Luvposition eröffnet, wäre er vermutlich im nächsten Augenblick zerfetzt worden. Statt dessen hatte der Barbaresken-Kapitän mit einem präzisen Schuß das Ruder des Gegners lahmgelegt, die Galeone war manövrierunfähig – und jetzt schor die Karavelle an ihrer Backbordseite vorbei, noch bevor die Geschützmannschaften dort die Kanonen wieder nachgeladen hatten.

      Donnernd entluden sich die Vierpfünder der Karavelle.

      Alle drei Kugeln durchschlugen in Höhe der Wasserlinie die Bordwand der Galeone. Gleichzeitig zischte ein Hagel von Brandpfeilen in die Takelage. Der Capitan brüllte mit sich überschlagender Stimme seinen Feuerbefehl, doch als sich die zweite Breitseite entlud, hatte die Karavelle schon wieder hochgedreht und entschwand aus der Reichweite der Kanonen.

      Die „Santa Lucia“ nahm Wasser.

      Der Capitan scheuchte Männer an die Pumpen, die Geschützmannschaften arbeiteten in fieberhafter Eile, denn die Karavelle wendete schon wieder. Hoch aufgerichtet stand Abu Ben Rachid auf dem Achterkastell und gab mit peitschender Stimme seine Befehle. Auch diesmal stieß er auf seine Beute, bevor die Backbordkanonen der Galeone wieder feuerbereit waren, und wieder lagen die Treffer präzise auf der Wasserlinie.

      Die Segel der „Santa Lucia“ standen in hellen Flammen.

      Glimmendes Tuch fiel überall auf die Planken, verzweifelt pützten die Männer Seewasser, um die Brandnester zu löschen. Unterdessen ging die Karavelle schon wieder an den Wind – und die achtere Serpentine spuckte Feuer.

      Sekunden später krachte der Fockmast der „Santa Lucia“ auf das Schanzkleid, die Galeone holte schwer nach Steuerbord über, und ein Regen tanzender Funken hüllte sie ein.

      Unaufhaltsam sackte das schwer angeschlagene Schiff über den Bug weg.

      „Die Santa Lucia“ war nicht mehr zu retten. Mit verschränkten Armen beobachtete Abu Ben Rachid die verzweifelten Bemühungen seiner Gegner, Boote abzufieren. Die Karavelle hielt sich in sicherer Entfernung, und die Männer auf dem Geschützdeck stimmten ein wildes Siegesgeheul an.

      Abu Ben Rachid lächelte mitleidlos.

      Seine Augen funkelten auf, als er die Gestalten erkannte, die jetzt drüben auf der Galeone an Deck erschienen. Frauen! Etwa zwanzig Frauen, die in panischer Angst durcheinanderliefen. Auf dem Achterkastell fuchtelte der spanische Capitan hysterisch mit den Armen. Aber wenigstens sein Steuermann behielt die Nerven, gab vernünftige Befehle und schaffte es, die Boote mit den Frauen sicher aufs Wasser zu bringen.

      Minuten später schwappten die ersten Seen über den Bug der „Santa Lucia“, und der Bootsmann schrie: „Rette sich, wer kann!“

      Abu Ben Rachid wartete in aller Ruhe, bis die Galeone gesunken war.

      Danach ließ er halsen und lief vor dem Wind zwischen Boote, Wrackteile und schwimmend um ihr Leben kämpfende Menschen. Die Boote versuchten zu entkommen: die Küste war nah, und was es hieß, den Piraten in die Hände zu fallen, konnte sich jeder ausmalen. Eiskalt brachte Abu Ben Rachid die „Ar-Ribat“ auf Kollissionskurs – und nachdem er das erste Boot gerammt hatte, zogen es die Insassen der anderen vor, sich freiwillig zu ergeben.

      Etwa zwanzig Überlebende nahm die „Ar-Ribat“ an Bord, davon zwölf Frauen.

      Sie wurden auf der Kuhl zusammengetrieben, klammerten sich aneinander und starrten verängstigt in die wilden Gesichter der Barbaresken. Ein halbes Dutzend Musketen zielten auf die Männer, die aus dem Wasser gefischt worden waren. Sie ließen sich freiwillig entwaffnen und fesseln. Abu Ben Rachid baute sich vor ihnen auf, musterte sie prüfend und nickte zufrieden.

      „In die Vorpiek!“ befahl er. „Die Frauen in den achteren Laderaum. Füttert sie gut! Und rührt sie nicht an, unsere Freunde nehmen keine beschädigte Ware.“

      Er sprach Arabisch.

      Die Frauen verstanden ihn nicht, und das war gut so. Denn was für ein Schicksal ihnen drohte, würden sie noch früh genug erfahren.

      „Verrückt“, sagte Ben Brighton, der Bootsmann und erste Offizier der „Isabella“.

      Hasard wandte den Kopf. Sie hatten den Kampf und den Untergang der Galeone aus der Ferne beobachtet, ohne eine Chance, einzugreifen. Jetzt setzte die Piraten-Karavelle alle Segel und rauschte mit halbem Wind unter Vollzeug nach Norden davon.

      „Was hat er nun davon?“ fragte Ben Brighton. „Warum greift er überhaupt erst an, wenn er den Kahn nicht entern und ausplündern will? Will er die Leute, die er aufgefischt hat, zum Borddienst pressen?“

      „Nein“, sagte Hasard knapp. „Aber vermutlich als Sklaven verkaufen.“

      „Als – o verdammt!“

      Der Seewolf hob die Schultern. Die Praktiken der barbareskischen Seeräuber waren allgemein bekannt. Natürlich hatten sie nichts dagegen, Prisen zu nehmen und Schätze zusammenzurauben, aber sie schlugen auch noch Gewinn aus den Gefangenen, die ihnen in die Hände fielen.

      „Arme Teufel“, murmelte Ben Brighton. „Aber eine verdammte Glanzleistung war es doch.“

      „Ja, das war es. Oder eine verdammte Idiotie von dem spanischen Kapitän, wie man’s nimmt. Wer einen Gegner unterschätzt, ist selbst schuld. Als die Karavelle halste, hätte er sofort an den Wind gehen müssen und …“

      „Deck ho!“ unterbrach ihn Jeff Bowies Stimme aus dem Großmars. „Da treibt etwas Backbord voraus. Ein Mann, glaube ich.“

      „Kannst du die Klüsen nicht aufreißen, du karierter Decksaffe?“ brüllte Ed Carberry von der Kuhl her.

      Jeff antwortete nicht, sondern spähte nach Norden. Die treibende Gestalt war jetzt deutlicher zu erkennen: ein Spanier wahrscheinlich, den die Piraten übersehen hatten. Hasard ließ bereits das Beiboot klarmachen und etwas anluven, um den Mann über die Leeseite an Bord nehmen zu können.

      Minuten später klatschte das Boot aufs Wasser.

      Ferris Tucker, Smoky, der riesige Gambia-Neger Batuti und der


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