Seewölfe - Piraten der Weltmeere 220. Kelly Kevin

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 220 - Kelly Kevin


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solange er sich nicht zu große Stiefel anzog. Bisher war es ihm nur einmal passiert, als er sich mit der „Isabella“ und dem Seewolf anlegte. Und auch das wäre nicht weiter schlimm gewesen, hätte er nicht die fatale Neigung gehabt, den gleichen Fehler immer wieder zu begehen.

      Die zweite Breitseite der „Swallow“ verwandelte das Rigg der Karacke in einen Trümmerhaufen.

      Jetzt konnte die „Lisboa“ nicht einmal mehr mit den Segeln steuern, sondern nur noch hilflos treibend darauf warten, daß die Gegner ihr den Todesstoß versetzten. Längst wußte der Capitan, daß er es mit Piraten zu tun hatte, die Beute reißen wollten. Mit wild entschlossenen Gesichtern luden die Portugiesen ihre Musketen, steckten die Pistolen in die Gürtel und bereiteten sich auf den Enterkampf vor.

      Noch war es nicht soweit.

      Eine dritte Breitseite fegte die letzte Steuerbord-Kanone und die Drehbassen der „Lisboa“ außenbords. Jayhawk ließ abermals wenden und befahl, die Decks der Karacke mit gehacktem Blei aus der Bugdrehbasse zu bestreichen.

      Für Joe McNickle war das kein Gefecht mehr, sondern ein sinnloses Massaker.

      Der kleine Schotte lauschte auf das Rumpeln und Poltern, das dumpf aus dem Laderaum heraufdrang. Da unten hatte sich im Sturm irgend etwas losgerissen und alles kurz und klein geschlagen – einschließlich sämtlicher Vorräte vermutlich.

      McNickle schnaufte. Der schwarze Jack, fand er, hätte besser daran getan, sich erst einmal um seine eigenen Probleme zu kümmern, statt sich sofort auf diese sturmzerraufte, völlig wehrlose Karracke zu stürzen, die gar nicht so aussah, als sei viel bei ihr zu holen. Aber McNickle wußte, daß sein alter Kumpan ein Ventil für seine berstende Wut brauchte.

      Er hatte Prügel kassiert, gewaltige Prügel. Die Crew der „Isabella“ war nämlich gerade aufgekreuzt, als Black Jack ein paar Eingeborene auspeitschen ließ, um sie zu zwingen, in einem haiverseuchten Gewässer lebensgefährliche Tauchversuche für ihn zu unternehmen. Da war den Seewölfen dann ganz einfach der Kragen geplatzt, und der schwarze Jack kriegte seine eigene Neunschwänzige zu spüren.

      Der Haß kochte immer noch in ihm.

      Sah er nicht, daß die Karracke schon Wasser nahm? Daß sie schneller absacken würde, als irgend jemand sie ausplündern konnte, wenn sie jetzt noch mehr Treffer erhielt? An Bord herrschte ohnehin schon Chaos. Nur noch wenige Männer waren überhaupt in der Lage, sich zu wehren. McNickle fluchte wild vor sich hin, dann atmete er auf, als endlich der Befehl ertönte, längsseits zu gehen und zu entern.

      Mit Gebrüll stürzten sich die Piraten auf ihre dezimierten Opfer.

      Schüsse peitschten, Waffen klirrten, ein Orkan schien über die Decks der Karracke hinwegzufegen. Der Kampf war kurz. Es dauerte nur Minuten, bis die letzten Portugiesen verzweifelt über Bord sprangen, um sich zu retten.

      „Black Jack!“ schrie McNickle. „Der Kahn säuft uns unter dem Hintern ab! Wir müssen uns beeilen.“

      „In die Laderäume, schnell! Mannt alles hinüber, was von Wert ist.“

      Die Männer gehorchten.

      Viel war es nicht, was sie erbeuteten. Falls die „Lisboa“ Reichtümer an Bord hatte, dann waren sie zu gut versteckt, um sie in der kurzen Zeit zu finden. Ein paar von Jayhawks Leuten sagten sich voller Wut, daß sie auch hätten entern können, bevor die Karracke ein sinkendes Wrack war. Aber das wagten sie nicht laut zu sagen, und ändern ließ es sich jetzt ohnehin nicht mehr.

      Ein paar Minuten später wechselten Jack Jayhawk und seine Halsabschneider wieder auf ihre Karavelle über.

      Die „Swallow“ segelte sich frei und lief nach Norden ab. Die „Lisboa“ sackte jetzt schnell über das Heck weg. Schon waren nur noch die zersplitterten Maststümpfe zu sehen, dann schlug das Wasser in einem gurgelnden, zischenden Sog über dem Schiff zusammen.

      Als Joe McNickle zurücksah, blieben nur noch ein paar treibende Trümmer achteraus.

      „Wrackteile Backbord voraus!“

      Es war Stenmarks Stimme, die sich aus dem Großmars meldete. Der Seewolf hielt es für eine weise Entscheidung, den blonden Schweden für die Dauer dieser Wache aus Edwin Carberrys unmittelbarem Blickfeld zu entfernen.

      Der war nämlich noch längst nicht bereit, die Schuld an seinem Mißgeschick dem Zufall anzulasten. Verständlicherweise! Dem Zufall konnte man weder die Haut in Streifen schneiden noch die Hammelbeine langziehen noch wirksam Beleidigungen an den Kopf werfen. Und nach derlei Tätigkeiten stand dem Profos nun mal der Sinn, daran ließ sich nichts ändern.

      Die „Isabella“ sah inzwischen wieder ganz manierlich aus.

      Ed Carberry hatte sich selbst übertroffen, mit angepackt und seine Mannen angelüftet, daß es nur so rauchte. Jetzt setzte er gerade Matt Davies auseinander, daß es dessen verdammte Pflicht und Schuldigkeit gewesen wäre, ordnungsgemäß zu melden, daß er Stenmark „am Haken“ gehabt hatte. Matt erklärte ihm, was er ihn könne, und brachte sich anschließend eilends in Sicherheit. Nur Stenmarks Meldung hinderte den Profos daran, die Verfolgung aufzunehmen.

      Hasard enterte ein Stück in die Besanwanten und setzte das Spektiv an.

      Tatsächlich, da trieben Wracktrümmer. Zerfetzte Planken und Spieren, ein Stück von einer Gräting, ein abgerissenes Schott und …

      Der Seewolf zog die Brauen zusammen, als er die blutbesudelte Gestalt erkannte, die halb über dem Schott lag und sich an den Süllrand klammerte.

      „Deck!“ rief Stenmark prompt. „Verletzter Schiffbrüchiger auf einem treibenden …“

      „Beiboot aussetzen!“ fiel ihm Hasard ins Wort. „Ein bißchen plötzlich! Klar zum Anbrassen! Wir luven etwas an, damit wir ihn in Lee kriegen!“

      „Anbrassen, ihr Himmelhunde!“ brüllte der Profos los. „Himmelarsch, wie lange braucht ihr lahmen Säcke, um das verdammte Boot auszuschwenken? Wollt ihr den Haien zu einer Mahlzeit verhelfen, oder hat euch der Sturm das letzte bißchen Verstand aus der Rübe geblasen? Ihr denkt wohl …“

      Er stockte, weil das Boot in diesem Augenblick bereits aufs Wasser klatschte.

      „Ferris, Batuti, Blacky, Smoky!“ donnerte er, und die Betreffenden schwangen sich über das Schanzkleid, kaum daß er ausgesprochen hatte. Der Profos selbst enterte als letzter ab.

      Im nächsten Moment dröhnte bereits sein rhythmisches „Hoool weg! Hoool weg!“ über das Wasser.

      Der Seewolf starrte aus zusammengekniffenen Augen nach vorn.

      In der steilen Dünung war es alles andere als einfach, das Boot zu manövrieren, aber da es sich in Lee der Galeone befand, ging es einigermaßen. Die „Isabella“ lief immer noch Fahrt, langsamere Fahrt als vorher, da Hasard Groß- und Marssegel hatte aufgeien lassen. Inzwischen war er wieder auf das Achterkastell gesprungen. Neben ihm rieb sich Ben Brighton mit dem Handrücken über das Kinn.

      „Der Bursche hat eine verdammte Menge Glück gehabt“, sagte er.

      Der Seewolf nickte nur.

      Glück im Unglück, verbesserte er in Gedanken. Denn zunächst einmal hatte der Schiffbrüchige verdammtes Pech gehabt, als er in diese schlimme Lage geraten war. Daß er allerdings überhaupt noch lebte und trotz seiner blutenden Verletzung nicht den Haien zum Opfer gefallen war, das grenzte in der Tat an ein Wunder.

      Oder es ließ sich ganz einfach dadurch erklären, daß es irgendwo lohnendere Beute für die Haie gegeben hatte, dachte Hasard nüchtern.

      Aus schmalen Augen beobachtete er, wie das Boot durch die Dünung schnitt. Die Männer pullten wie besessen, legten ein Tempo vor, als seien sie frisch und munter und hätten nicht etwa einen endlosen Kampf gegen den Sturm hinter sich. Das Schott tanzte, drehte sich, trudelte in der Dünung. Ein verdammt schwieriges Manöver, dieses lächerliche Floß lange genug längsseits in Lee zu kriegen, um den Verletzten überzunehmen.

      „Backbord-Riemen ein!“ dröhnte Carberrys Stimme.

      Mit


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