Seewölfe - Piraten der Weltmeere 414. Fred McMason
Читать онлайн книгу.die Leute hier, das wunderte sogar den Kapitän.
„Die lassen uns ungehindert einlaufen“, sagte er erstaunt zu seinem Bootsmann. „Da gibt es nicht die geringsten Schwierigkeiten. Keiner will was von uns. Ist doch merkwürdig, oder?“
„Schließlich sind wir ein friedfertiger Handelsfahrer, Capitane. Wir haben an Deck nur vier Kanonen, und achtern und vorn eine Drehbasse. Wenn man so harmlos einläuft, muß das ja friedlich aussehen.“
„Haha, an Deck ist gut“, sagte Bayeux lachend. „Das ist wirklich gut. Na ja, das andere sieht man ja nicht. Muß man auch nicht“, fügte er mit grollendem Gelächter hinzu. Dann wurde er unvermittelt wieder ernst.
„Die vielen Gaffer im Hafen gefallen mir nicht. Ich kann diese Kerle nicht ausstehen, die jedes Schiff belauern und nur darauf warten, es beklauen zu können.“
„Hier müssen wir sie schon in Kauf nehmen. Friedlichen Leuten begegnet man friedlich.“
Bayeux entschloß sich, auch erst einmal friedlich zu bleiben. Es erstaunte ihn trotzdem immer noch, daß es keine Kontrollen im Hafen gab und er ungehindert hatte einlaufen können. Normalerweise war das mit etlichen Formalitäten verbunden.
Aber er konnte nicht wissen, was inzwischen geschehen war.
Der Gouverneur von Havanna, Don Antonio de Quintanilla, hatte vor zwei Tagen die Order erlassen, jedes Schiff ohne die üblichen Formalitäten passieren zu lassen. Die Order erhielt jedoch noch einen Zusatz an die Hafenkommandantur mit der strikten Anweisung, das betreffende Schiff nur dann wieder auslaufen zu lassen, wenn eine persönliche Genehmigung des Gouverneurs vorlag.
Das war der Haken bei dieser scheinbaren Freundlichkeit, denn der ehrenwerte Gouverneur hatte die Absicht, fremde Schiffe für die Black Queen und Caligula beschlagnahmen zu lassen, falls die beiden das wünschten und das „Objekt“ ihre Zustimmung fand. Mit der „Wappen von Kolberg“ hatte es ja leider nicht mehr geklappt, die war gerade noch rechtzeitig entwischt und in See gegangen. Mit der neuen Gouverneurs-Order sollte das künftig verhindert werden.
So segelte Bayeux ahnungslos in die Falle und war über die freundliche Behandlung höchst verwundert.
Eine kleine Jolle tauchte auf und wies der „Le Griffon“ ihren Liegeplatz zu. Sie erhielt den Platz, an dem vormals die „Wappen von Kolberg“ gelegen hatte.
Bayeux ahnte immer noch nicht, daß sich seinetwegen bereits eine ganze Menge im Hafen tat und sein Einlaufen von vielen Augenpaaren sehr aufmerksam registriert wurde.
Auch in der Faktorei des Deutschen Arne von Manteuffel sahen Arne, Jussuf und Jörgen Bruhn dem Anlegemanöver zu.
„Himmel, sind, das Kerle“, sagte Jörgen erstaunt. „Ich bin ja einiges gewohnt, aber von denen ist wirklich jeder ein Stier. Diese Brocken können bestimmt ganz schön zulangen, wenn’s mal sein muß.“
Arne nickte schweigend und blickte zu der Flagge aus rotem Tuch mit dem geflügelten Löwen und dem Adlerkopf. Seltsame Kerle sind das, dachte er, Haudegen von der ganz harten Sorte, das sah man bereits auf den ersten Blick.
Er trat etwas vom Fenster zurück und beobachtete weiter, was sich dicht vor seiner Faktorei abspielte.
Noch jemand wurde sofort über die Ankunft des neuen Schiffes informiert. Der Posten von der holländischen Fleute „Zeehond“, auf der sich die Queen und Caligula einquartiert hatten, hatte Befehl, jedes einlaufende Schiff sofort zu melden.
Das tat er jetzt und alarmierte augenblicklich die Black Queen, kaum daß die Galeone richtig vertaut war.
„Das sehen wir uns sofort an“, sagte die Black Queen. „Vielleicht ist es genau das Schiff, das wir brauchen.“
Auch Caligula war rasch auf den Beinen. Die beiden verloren keine Zeit. Schließlich mußte man ja erst einmal „begutachten“, ob das Schiffchen überhaupt zu gebrauchen war.
2.
Seit sich die Queen und Caligula des persönlichen Schutzes des Gouverneurs erfreuten, gaben sie sich anmaßend, überheblich und arrogant. Caligula benahm sich schon so, als gehöre ihm der größte Teil von Havanna, und die Queen verhielt sich nicht viel anders. Hochmütig sahen sie über die anderen hinweg, als sie zum Liegeplatz des französischen Dreimasters schlenderten.
Sie fielen auf wie zwei bunte Hunde, doch das störte sie nicht im geringsten. Der fette Gouverneur hielt schützend seine dicken Hände über sie, und so konnte gar nichts mehr passieren. Man war ja wer, und durfte sich alles mögliche herausnehmen. So jedenfalls dachten die beiden.
In provozierender Haltung blieben sie dicht vor der „Le Griffon“ stehen. Die Queen trug ein Kleid, unter dem sich ihre Konturen stark abhoben. Sie stellte sich noch mehr zur Schau, als sie die Brüste vorreckte.
Caligula hatte die Augen zusammengekniffen, kratzte mit der linken Hand seinen dichten Bart und sah das Schiff so prüfend an, als wollte ihm einer faule Äpfel verkaufen.
„Na, ich weiß nicht“, sagte die Queen naserümpfend. „Mit der Bewaffnung ist es nicht weit her. Auf jeder Seite der Kuhl nur zwei Kanonen, was soll man damit groß anfangen!“
„Achtern und vorn je eine Drehbasse“, murmelte Caligula, „das gibt wirklich nicht viel her.“
„Das hat wohl mehr symbolischen Charakter“, meinte die Schwarze abfällig und rümpfte wieder die Nase. „Die paar Kanönchen sollen wohl der Mannschaft Stärke und Kraft einflößen. Was meinst du dazu?“
Der bärtige Neger mäkelte weiter an dem Schiff herum, als sei es längst sein Eigentum, das sich jetzt als faule Ware herausstellt.
„Stabil scheint die Kiste zu sein“, meinte er entschlußlos. „Aber die Bewaffnung ist miserabel.“
Er trat näher heran und klopfte gegen das Holz. Daß ihn dabei feindselige Blicke trafen, juckte ihn nicht. Er und die Queen konnten ja schließlich bestimmen, wem das Schiff in Zukunft gehörte. Was scherte sie da der Besitzer!
Aber ihren aufmerksamen Blicken entging doch einiges, denn das war hervorragend getarnt. Bayeux war nicht umsonst ein Schlitzohr und geriebener Kerl.
Im Vor- und im Achterkastell der „Le Griffon“ befanden sich auf jeder Seite nochmals sechs Kanonen, drei vorn und drei achtern. Allerdings waren die Stückpforten so hervorragend getarnt, daß Caligula sie selbst aus allernächster Nähe nicht entdeckte. Und unter dem Kuhldeck standen auf jeder Seite noch mal vier schwere Stücke. Deren Stückpforten waren ganz einfach unsichtbar, weil sie durch eine dicke Scheuerleiste und weitere Schmuckleisten verdeckt waren. Keiner der Einschnitte war daher zu sehen.
Die Queen ging ein Stück weiter, beugte sich etwas vor und pochte wieder ans Holz. Caligula trat mit dem Fuß dagegen. Dann blickten beide zu den Masten hoch.
An Deck standen hünenhafte nordische Schrats, deren Gesichter immer verkniffener wurden, als das Weib und der Kerl immer wieder ans Holz klopften und sich dann abfällig unterhielten. Sie sahen das an den arroganten Gesichtern, obwohl sie kein Wort verstanden.
„Ich glaube, wir nehmen es“, sagte die Queen herablassend. „So schlecht ist es nicht. Die Kerle sollen zum Teufel gehen, das überlassen wir den Stadtgardisten, die können sie fortjagen. Ich habe mich entschieden, Caligula.“
„Ja, du hast recht.“ Caligula knallte wieder mit dem Fuß gegen die Beplankung und nickte, während die Nordmänner da oben jetzt so aussahen, als hätten sie in Roßäpfel gebissen, die man ihnen als frisches Obst verkauft hat.
„Gut, dann nehmen wir es“, sagte Caligula. „Wenn die Stadtgardisten die Kerle zum Teufel gejagt haben …“
„Sie sollen sie in die Kerker werfen“, unterbrach die Queen. „Wer da mal drinsitzt, kann nicht mehr viel unternehmen. Da sind sie bestens untergebracht.“
„Wenn das der Fall ist, lassen wir das Schiff zur ‚Zeehond‘ ins Arsenal verholen“,