Kreation Vollblut – das Rennpferd eroberte die Welt. Teil III. Erhard Heckmann
Читать онлайн книгу.die drei Jahre, die Alchimist verblieben. Seine Tochter Waldrun (1943), aus der Aurelius-Stute Walburga gezogen, wurde zu einer der bedeutendsten Stammmütter und rief die W- Familie in Ravensberg ins Leben. Und zu den sehr guten Pferden, die noch folgten, zählte auch die Röttgener Stammesart, die hohe Rennklasse vertrat (Deutscher Stutenpreis), und über ihre Tochter Sterna Großmutter des Prix de l’Arc de Triomphe-Siegers Star Appeal wurde. Und ihre Fohlen Stani (1949; Nuvolari) und Sant Cruz (1957; Caran D’Ache) konnten ebenfalls laufen. Der Hengst gewann den Großen Preis von Baden und den zu Düsseldorf, die Stute den Herbst-Stutenpreis, Preis der Diana, Schwarzgold-, Ratibor- und Sierstorpf Rennen.
1944 wurde Alchimist durch die Zuchtperle Ottomane und Grolledoch vertreten, die zu den besten Stuten dieses Jahrgangs zählte. Letztere war eine Vertreterin der Grave-and-Gay-Familie und Mutter von Grolledochnicht. Ein Jahr später hielt Alchimist als „Abschiedsgeschenk“ noch zwei echte Volltreffer bereit, Birkhahn und Aralia! Den Hengst für Madlene von Heynitz, der die Farben von K.-H. Wieland trug, die Stute für Schlenderhan. Während Birkhahn zwei Derbys gewann, siegte die Stute bei sechs Erfolgen auch im Schwarzgold- und Gladiatoren Rennen, Frühjahrs-Stutenpreis, dem Preis der Diana und wurde eine hervorragende Zuchtstute. Ihr Tantieme-Sohn Agio, Sieger im Großen Preis von Nordrhein-Westfalen und St. Ledger, zeugte mit Promised Lady (Prince Chevalier) 1966 Lombard, und ihre Tochter Aralina, die aus der Oleander-Stute Aster stammte, wurde Mutter des Kronzeuge-Sohnes Arratos. Dieser 1969 geborene Kronzeuge-Hengst gewann elf Rennen, während Lombard auf 20 Volltreffer kam, zu denen auch drei Preise von Europa zählten. Und beide, Birkhahn und Aralia, hatten sich auch im Derby zu Hamburg getroffen, wo der Hengst die Schlenderhaner Favoriten auf den Ehrenplatz verwies. In der Zucht stand der Alchimist-Sohn, der u. a. auch den Großen Preis der DDR gewonnen hatte, viermal an der Spitze seiner Kollegen, und einmal weniger führte er die Liste der Väter erfolgreicher Mutterstuten an. Birkhahn war ein Klasse-Rennpferd und in der Zucht ein hervorragender Vater.
Sein Einfluss reichte auch noch bis weit hinein ins „neue Graditz“. So kam 1965 seine Tochter Wiener Operette in Görlsdorf zur Welt, die 1971 den Grande-Enkel Wildschütz fohlte, dessen Vater Fahnenträger 1959 das Blaue Band in Hoppegarten gewann, während er selbst die drei DDR-Derbysieger Fallada, Sonnenblick und Rienzi zeugte, die 1981, 1988 und 1989 triumphierten und von Martin Rölke, Angelika Glodde und Lutz Pyritz gesteuert wurden. Die Mütter von Fallada und Rienzi waren Enkelinnen von Niederländer, und die Mutter von Sonnenblick hatte Harlekin als väterlichen Großvater.
Alchimist-Denkmal in Altefeld (Foto: Von Dk0704-Eigenes Werk, CC-BY-SA. https://commons wikimedia. Org)
Eine Alchimist-Enkelin von Birkhan war die 1961 in Graditz geborene Amatia aus der Angeber-Stute Arte, die sich Erfolge wie Festa-, Kincsem-Rennen und den Großen Stutenpreis der DDR auf ihre Fahnen schrieb. In der Zucht wurde sie 1974 Mutter des Tuny-Sohnes Antrieb, der für Graditz auch das DDR-Derby und den Großen Preis seiner Heimat sicherte. Im Heimatgestüt aufgestellt, lieferte er u. a. den Derbysieger Zigeunerheld, der das DDR-Derby 1983 unter Lutz Pyritz gewann. Gezogen war der Hengst aus einer Asterios-Tochter, und seine zweite und dritte Mutter waren Töchter von Grande und Birkhahn. Schließlich hatte Birkhahn in jener Zeit noch zwei DDR-Derbysieger auf der Bahn: 1956 war das Feston, der aus der Lampostochter Frühlingssonne gezogen war, die bereits ein Jahr früher mit dem Harlekin-Sohn Faktotum (Triple Crown) dieses Rennen „gewonnen“ hatte, während 1962 der Riesenaußenseiter Foliant (aus der Oleander-Enkelin Flut gezogen) des Leipziger Besitzertrainers E. Sommer in Hoppegarten triumphierte und die beiden Ticino-Enkel, die Steinadler-Söhne Bambus und Makler mit kurzem Kopf und zwei Längen auf die Plätze verwies.
Alchimist, der 1933 seine letzten vier Rennen – Union, Derby und die Großen Preise von Berlin und Baden gewann, vollbrachte besonders in letzterem eine überragende Leistung. Als Dreijähriger hatte der Graditzer 59 Kilo zu schleppen und musste u. a. der gleichaltrigen Boussac’schen Ksar-Stute La Circe sieben Kilo geben. Der Herold-Sohn gewann dennoch unangefochten mit drei Längen, und die Französin war anschließend in ihrer Heimat im Prix Vermeille nicht zu bezwingen. In der Zucht muss man zusammenfassend nur die Namen Schwarzgold, Birkhahn, Gundomar oder Waldrun nennen, die für Ravensberg hocherfolgreich wurde und sicherlich nur mit Festa verglichen werden kann. Alchimist blieb bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges in Graditz, dass bis dahin elf Derbysieger abgesattelt hatte, und soll 1945 von russischen Soldaten erschossen worden sein.
Bei den vielen Graditzer Stuten muss ich mich, soweit sie noch nicht zu Wort kamen, auf wenige Ausnahmen beschränken. Aus der Gründerzeit wären besonders Alveole, Goura und die vier Jahre ältere Diana-Siegerin Das Veilchen zu nennen (1868; Cavendish), die 3 x 3 auf Touchstone ingezogen war. Diese in Graditz geborene Rappstute blieb in acht Rennen ungeschlagen und gewann „im Canter“ oder „mit Überlegenheit“ auch Rennen wie die Goldene Peitsche, die die Graditzer insgesamt 14mal beherrschten, zwei Staatspreise der IV. Klasse, die vierte Entscheidung des Frankfurter-Wäldchen-Rennens und im englischen Ipswich das über die Meile führende Suffolk-Handicap. Als die Stute mit ihrem Pfleger nachts in Harwich auf das Schiff nach Rotterdam wartete und plötzlich das Pfeifen einer Dampfmaschine ertönte, erschrak die Stute so heftig, dass sie über das Bollwerk sechs Meter tief ins Wasser sprang. Zweieinhalb Stunden später fand man sie in der Nähe einer Landungsbrücke wieder, warf ihr ein Seil über den Kopf und, nachdem sie noch eineinhalb Kilometer geschwommen war, konnte sie an einem seichten Ufer endlich gerettet werden. Ihre Zuchtlaufbahn war dennoch eine sehr gute, und zu ihren Fohlen zählten u. a. Vergissmeinnicht (Diana-Siegerin und Mutter von Weltmann), und Wehmut, die Incroyable (1897) fohlte, der in der Doppelmonarchie eine gute Rolle spielte. Nach dem sehr guten Sieger Wunderhorn (1874; Rustic) folgten weitere, als auch Walpurgis (Ratibor-Rennen 1880) oder Willkommen (1879; The Palmer), deren Chamant-Tochter 1892 nach St. Gatien Waschfrau (Diana; St. Ledger).fohlte.
Gewaltigen Einfluss auf die deutsche Zucht nahm auch die 1852 von Melbourne gezogene Blooming Heather durch ihre Töchter Mahonia (Stammmutter des Röttgener Derbysiegers Palastpage und des Waldfrieders Slaby, der Ratibor-Rennen und den Großen Preis von Berlin gewann) und Gorse. Diese sollte sich zu einer der allerbesten Stuten entwickeln, die in Deutschland wirkten. Für Schlenderhan fohlte ihre Tochter Blaue Hexe Tausendfüßler (Henckel-Rennen), und Gorse selbst Good Hope (Union, Derby zu Wien) und Miss Gorse, die Mutter des Chamant-Sohnes Dorn (Henckel-, Union-Rennen, St. Ledger, Großer Hansa-Preis, Großer Preis von Berlin) und Schottland. Deren Sohn Real Scotch gewann St. Ledger und Henckel-Rennen, während der Weg über ihre 1897 geborene Tochter Thistle zu Shamrock führt (1906; Bay Ronald), die die Nuage-Stute Sonnenwende gebar und somit zur mütterlichen Großmutter von Samurai (1937; Oleander) wurde, der das St. Ledger und den Großen Preis von Baden gewann. In Schlenderhan erlosch diese Familie durch die Requirierung von mehreren Stuten und Samurai durch die Amerikaner.
Gorse hinterließ auch die gute Rennstute Goura, und diese rechte Schwester von Good Hope (Buccaneer) schlug durch ihre Töchter Glocke und Geheimnis in der Zucht sehr gut ein. Geheimnis wurde u. a. Mutter des Derbysiegers Geier (im toten Rennen), und die 13fache Siegerin Glocke, die an Tartar auch den Deutschen und Österreichischen Derbysieger schlagen konnte, fohle z. B. Glöcknerin (Diana; St. Ledger), die ihrerseits 1896 Gnädigste gebar und damit Mutter des Derbysiegers Gulliver II wurde. Von der 1858 aus England eingeführten Selima, die 1869 als erstes Fohlen den neunfachen Sieger Sonntag lieferte, war bereits vorher die Rede. Die ein Jahr ältere, ungeprüfte Engländerin Miss Boswell war eine Urenkelin der berühmten Rebecca, deren Tochter Alice Hawthorn (1838; Muley Moloch) 52 Rennen gewann und den im Derby und Ascot Gold Cup erfolgreichen großen Beschäler Thormanby (1857; Windhound oder Melbourne) brachte. Aus dieser Familie 4 hatte Graf Lehndorf auch Vanessa erworben, die Mutter von Das Veilchen. Und beide haben an Anticipation (1802), die von dem Eclipse-Enkel Beningboroug stammt und aus einer Herod-Tochter gezogen wurde, die gleiche Stammmutter. Auf Herolds Mutter Hornisse trifft das ebenfalls zu wie auf die 1949 geborene Ticino-Tochter Königstreue (Schwarzgold-Rennen), bei der Anticipation als 13. Mutter im Pedigree steht. In Deutschland musste Miss Boswell aber erst 21 Jahre alt werden, ehe sie den in 15 Rennen erfolgreichen St. Ledger-Sieger Botschafter (1880; Chamant) fohlte, der als Fünfjähriger gut genug war, die Epsom Stakes, das Doncaster Spring Handicap und das Newton Ehesterfield Handicap auf der Insel zu gewinnen.
1893