Zwei Freunde. Liselotte Welskopf-Henrich

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Zwei Freunde - Liselotte Welskopf-Henrich


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den Ernennungen.«

      »Und die Ernennungen?«

      »Die liegen noch beim Staatssekretär.«

      »Immer noch? Hören Sie! Wenn alle Hennen so lange brüten wollten, gäb’s nichts als stinkende Eier.«

      »Na ja, und in dem Fall gibt’s höhere Beamte.«

      »Der Unterschied ist vielleicht nicht groß! Ich verstehe überhaupt nicht, wie ein Mann Beamter werden mag. Was ist das schon? Das war mal was! Aber jetzt? Und bei der Bezahlung? Sie könnten doch alle das Doppelte und Dreifache verdienen.«

      »Aber wir hätten nicht eine so reizende Kollegin, Gnädigste.« Der Regierungsrat vom Staatsministerium kam wieder zu Wort. »Und dann … was wollen Sie mit den Industriebonzen ohne Tradition, ohne Manieren? Sie wären eine Perle unter Säuen!«

      »So komme ich mir in unserm Stall auch öfters vor, glauben Sie mir. Und zu einem anständigen Leben gehört eben Geld, und nochmals Geld.«

      »Das braucht man doch nicht unbedingt zu verdienen, das kann man doch auch haben?«

      »Ja? Sprechen Sie da aus Erfahrung?« Fräulein Hüsch musterte interessiert das Gesicht mit dem Schmiß, den sehr guten Anzug, die goldenen Manschettenknöpfe. »Ja, da ham Sie recht. Darauf war die Hungerleiderei der Beamten eben aufgebaut, daß sie ›hatten‹ oder daß sie ›heirateten‹. Aber das sind doch jetzt nach Krieg und Inflation nur noch Ausnahmen. Die ganze Institution hat sich überlebt.«

      »Im Gegenteil, sie ist im Vordringen, Fräulein Hüsch.«

      »Wieso, Herr Korts?«

      »Weil unsere Industrie verbeamtet.«

      »Leider, leider! Das sterbende Beamtentum verbreitet den Aasgeruch seiner ›Akten‹ und ›Zuständigkeiten‹ überall, das ist schon wahr. Es ist zum Auswachsen. – Bitte, Herr Wichmann? Den Kaviar? Nehmen Sie doch! Sie kommen doch auch zu unserem blödsinnigen Ball?«

      »Ich möchte mich von der Geistesverwirrung nicht ausnehmen.«

      »Das ist lobenswert. Wenn Boschhofer und Grevenhagen kommen, muß man sich sowieso zeigen. Ich bin ja diebisch neugierig, endlich Frau Grevenhagen zu sehen … und wie der Boschhofer tanzt!«

      »Ha, der tanzt ausgezeichnet, des kann ich Ihnen versichern. Gucke Sie, der ischt so ein runder Ball, der springt ganz reizend und leicht. Habe Sie schon einmal einen schlanken oder eckigen Ball gesehn, gnädiges Fräulein?«

      »Nein – Sie ham aber auch Ideen!«

      »Logisch zusammengehörige, gnädigstes Fräulein. Das Tanzen ischt eine beschleunigte Fortbewegung. Oder wann und aus welchem Anlaß laufen Sie sonscht so viele Schritte auf dem Parkett umher an einem einzigen Abend? Zur Beschleunigung gehört Erleichterung, ein bißchen Losgelöstheit von dieser Anziehungskraft, die der Newton erfunden hat, und die uns partout aufm Bode habe will! Um der ein Schnippchen zu schlage, muß man sich mit Gas füllen, damit man leicht wird, oder Fett tut’s auch. Fett hat ein geringeres spezifisches Gewicht, und das Runde hopst nun einmal besser als das Spitzige.«

      »Einen Hupfwalzer! Damit kann ich mir den Boschhofer vorstellen, Herr Casparius … aber nicht mit mir.«

      »Ha, wenn’s durchaus net sein soll, dann nehme Sie eben Ihren undankbaren Grevenhagen, der immer noch net einsieht, wie Sie sich für ihn überarbeiten, und schweben Sie mit ihm dahin in einem Valse Boston, bis ihm die Sinne vergehen! So ganz dahingegeben, mit dem Ernscht des Todes, wie’s jetzt Mode ischt, und mit der Süßigkeit der Empfindung, die sich aus der voraussichtlichen Eifersucht seiner Frau ergibt.«

      »Ach ja, übrigens Herr Wichmann, Sie wohn’ doch da gegenüber? Sie müssen sie doch jetzt endlich einmal gesehen haben?«

      »Ich glaube nicht. Vielleicht ist sie verreist.«

      »Ach nein«, platzte Nathan heraus, »vorigen Sonntag ist das Ehepaar im Park geritten. Ein fabelhaftes Weib!«

      »Mit einem schlechten Geschmack, sonst hätte sie nicht eine solche Herbstzeitlose zum Mann genommen.« Der blondlockige Borowski sah dem Trio des Abendlandes aufreizend offen in die Augen. »Oder ist es ihr ums Geld gegangen? Sehr genußreiche Nächte kann sie sich doch nicht versprechen.«

      Wichmann wurde weiß wie die Wand. »Herr Borowski! Sie sind bei einer Dame zu Gast, und Sie sprechen von einer Dame. Ich erwarte nicht von Ihnen, daß Sie selbst eine Empfindung dafür haben … Sie sind nicht dementsprechend konstruiert, und für Ihre seelische Struktur können Sie letztlich nicht verantwortlich gemacht werden; keiner springt über seinen eigenen Schatten. Ich mache Sie aber jetzt darauf aufmerksam, daß Sie das angeschlagene Thema in meiner Gegenwart besser vermeiden. Sie könnten sich sonst Unannehmlichkeiten zuziehen.«

      »Danke verbindlichst für die Warnungstafel! Der Knappe verteidigt seinen Ritter und seine Dame! Fräulein Hüsch, unsere schöne Gastgeberin, brauchen Sie aber nicht zu verteidigen, Herr, sie kennt doch die Welt und ist nicht eben erst aus einem Mädchenpensionat entlassen. Ihre Bemerkung mit der seelischen Struktur ist aber für einen Moralprediger pikant. Sie heben damit alle sogenannte sittliche Verantwortlichkeit auf? Chacun à son goût?«

      »Nur daß der eine einen guten, der andere einen schlechten Geschmack hat. Das ist der Punkt, wo der Hase im Pfeffer liegt und das Niesen anfängt«, bemerkte Lotte Hüsch.

      »Über Geschmack läßt sich nicht streiten.«

      »Darum habe ich auch nur eine schlichte Feststellung getroffen«, sagte Wichmann noch einmal scharf. »Sie können sich danach richten oder nicht. Die etwaigen Folgen sind Ihnen jetzt bekannt.«

      »Sie scheinen mit dem Kontrollreferat gleich beginnen zu wollen. Wie die Alten sungen …! Na, lassen wir das. Aber Duellforderungen sind gesetzlich verboten.«

      Borowski hatte die drohende Miene des Regierungsrates Schildhauf bemerkt, der nur darauf wartete, Wichmann in einem entstehenden Ehrenhandel beizuspringen. Als Borowski jetzt klein beigab, widmete sich Schildhauf mit voller Aufmerksamkeit dem Pfropfen, den er einer Weinflasche aus dem Hals ziehen wollte.

      Der Wein war gut, Wichmann kam allmählich wieder zu sich. Als die Flaschen einander folgten, begriff er wenigstens, wofür er Fräulein Hüsch wieder einmal einen Überbrückungskredit von fünfzig Reichsmark gewährt hatte. Im Zurückzahlen zu gegebenen Terminen war das Mädchen ja pünktlich. Das mußt man ihr lassen.

       »Der Wein und die Frauen,

       die Lüfte, die lauen …

       du kannst nicht drauf bauen …«

       »Wie’n Kater miauen …

       am Dickende kauen …«

      setzte Borowski fort. »Fangen Sie nur nicht wieder an zu dichten, Nathan, hören Sie auf, eh’ Sie angefangen haben, sonst geh’ ich hoch!«

       »Die Frau’n und der Wein,

       schenk mir noch mal ein!«

      Borowski stöhnte. Fräulein Hüsch warf Schildhauf und Wichmann, die je eine Flasche verwalteten, den Blick zu, der dem Dichter das Gewünschte verschaffte.

       »Oh … oh … danke sehr …

       ohne Gegenwehr …

       trink ich mehr und mehr …«

      »Es ist genug, mein Herr!« Borowski lachte. »Ex!«

      Man tat ihm Bescheid.

      »Die Frauen und die Trauben haben doch eine gewisse Ähnlichkeit, zum Beispiel …«

      »Die Frauen und der Wein, meinen Sie, Herr Casparius?«

      »Nei, ebe net. Die Frauen sind die Trauben. Bei den Frauen und der Philosophie müsse Sie immer bei Adam und Eva anfange, Herr Schildhauf.«

      »Eva, Eva, jawohl!«

      »Der


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