Tagebuch eines frommen Chaoten. Adrian Plass

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Tagebuch eines frommen Chaoten - Adrian Plass


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ihres »toxischen Potenzials«! Gerald rieb sich die Hände, als er die Neuigkeiten vernahm.

      Oh je …

      Lag noch eine Weile wach und dachte darüber nach, was der Mönch gesagt hatte: »Gott ist mein Freund und mag mich.« Fand dabei irgendwie Frieden.

      Traf Gerald im Korridor, als ich von der Arbeit kam. Er sagte: »Die Titanic hat angedockt.«

      Fand Tante Marjorie im Wohnzimmer, wo sie dasaß und die Fernsehzeitung durchforstete. Nachdem wir unseren traditionellen Begrüßungskuss gewechselt hatten, bei dem das ungeschriebene Gesetz gilt, dass keine Faser meines Gesichtes auch nur eine Faser ihres Gesichtes berührt, sagte sie: »Ich zirkle jene Sendungen mit schwarzer Tinte ein, die ungeeignet sind und die wir während der Weihnachtstage nicht sehen werden!«

      Gerald steckte seinen Kopf zur Tür rein und sagte: »Draußen steht ein Mann, der eine besondere Sendung hat.«

      Stellte sich heraus, dass es sich um den Postboten handelte, der eine späte Runde machte. Ein Päckchen und zwei Karten. Als am Abend alle im Bett waren, zählte ich die Karten, die wir bisher gekriegt haben. Nicht so viele wie letztes Jahr. Ich vergebe natürlich allen, die uns vergessen haben; aber ich finde, die könnten sich ruhig ein bisschen mehr anstrengen. Das ist doch schließlich der Sinn von Weihnachten, oder!?

      Onkel Ralph kommt morgen an.

      Wie in aller Welt wird das bloß mit Tante Marjorie und ihm werden?

      Gerald sagt, im Vergleich zu Onkel Ralph wirkt Otto Waalkes wie der Erzbischof von Canterbury.

      Apropos Gerald: Ich muss mehr mit ihm unternehmen. Er hat mich gefragt, ob ich am Freitag mitkomme und mir die neue christliche Band anhöre, die er jetzt mit ein paar Freunden aufzieht.

      Sie nennen sich Bad News for the Devil – Schlechte Nachricht für den Teufel.

      Ich werde gehen.

      Ich mag Musik.

      Wie ist es möglich, dass jemand wie Anne einen Onkel wie Ralph hat? Er kam kurz nach dem Mittagessen an, klein und dick und auf einem lächerlichen Motorroller! Für ihn ist das Leben eine Art Disneyland, allerdings freigegeben ab 18.

      Katastrophale Erstbegegnung mit Großtante Marjorie. Küsste sie frontal auf den Mund und sagte: »Wusste gar nicht, dass dieses Weihnachten ein Extra-Leckerchen auf der Speisekarte steht. Halt dich an mich, Marjy-Mädchen! Könnte sein, dass du auf Ralphys Wellenlänge funkst.«

      Tante Marjorie wurde blass wie ein Laken und weigerte sich den verbleibenden Abend, Ralph eines Blickes zu würdigen, geschweige denn, mit ihm ein Sterbenswort zu reden – sogar als er die Fernsehzeitung durchblätterte und meinte: »Hey! Super Service! Da ist schon jemand das Programm durchgegangen und hat die besten Sendungen angekreuzt!«

      Anne und ich platzierten noch spät am Abend die Geschenke unter den Weihnachtsbaum. Die von Onkel Ralph sind alle flaschenförmig.

      Wollte von Anne wissen, was Gott an Onkel Ralph ihrer Meinung nach mag. Sie sagte: »Seine Nichte.« Küsschen!

      Weihnachten!

      Tante Marjorie verfügte sich am Morgen in eine »ordentliche« Kirche.

      Ralph war noch nicht aus den Federn, als auch Gerald, Anne und ich zum Weihnachtsgottesdienst aufbrachen.

      Alles wunderschön – bis zu jenem Zeitpunkt mitten in der Gebetsgemeinschaft, als George Farmer, der hinter mir saß, aufstand und begann, mit geballter Faust hin und her zu fuchteln, während er glutvoll um »Eintracht und Bruderliebe zwischen allen Gotteskindern« betete.

      Plötzlich traf mich seine Faust mit aller Inbrunst an der Schläfe; ich kippte vornüber und war einen Augenblick lang weg. Schüttelte mich, um wieder klarzukommen, und merkte zu meinem Erstaunen, dass Farmer noch immer in Fahrt war, als sei nichts passiert!

      Spürte nicht viel Eintracht und Bruderliebe.

      Hinterher sagte ich zu ihm: »Ich vergebe dir, dass du mich k. o. geschlagen hast, George.«

      Er sagte: »Ich? Wirklich?«

      Gerald meinte: »Doch. Es war beim fünfundzwanzigsten ›und, lieber Heiland, lass uns auch … ‹– ich habe mitgezählt.«

      Gingen nach Hause.

      Verbrachte den Rest des Tages damit, Onkel Ralphs Witze strategisch abzufangen, bevor die Pointe die Zielgerade überqueren konnte. Wurde immer schwieriger, weil er immer mehr Whisky trank.

      Nach dem Tee ging er auf sein Zimmer, um etwas »wirklich Gutes« für ein Spiel zu holen, das er kannte.

      Kam mit einem Gummiaffen zurück, der an einer langen elastischen Leine befestigt war. Sagte zu Großtante Marjorie, sie sollte den Affen oben in ihr Kleid stopfen und unten wieder rausholen. Dann sollte sie den Affen ihm geben, damit er ihn durch seine Hosen ziehen könnte. Daraufhin würde er ihn an Anne weiterreichen.

      Dachte einen Augenblick lang, die Tante fällt in Ohnmacht.

      Sie begab sich frühzeitig zu Bett. Die Flasche Gin, die ihr Ralph heute früh geschenkt hatte, hinterließ sie ungeöffnet im Papierkorb unter der Treppe.

      Gerald, der den Tag anscheinend außerordentlich genossen hat, fragte Ralph, ob er noch weitere »gute Spiele« wüsste.

      Ralph sagte, das beste Spiel, dass er kennt, geht so, dass alle im Kreis sitzen und jeder trinkt eine Flasche Whisky. Dann verlässt ein Mitspieler das Zimmer und die anderen müssen raten, wer es war.

      Wie soll man ein christliches Haus führen, wenn Leute wie Onkel Ralph da sind?!

      Glaube, ich wäre ein prima Christ, wenn mir die anderen nicht dauernd dazwischenfunken würden.

      Habe das schon früher bemerkt.

      Erwähnte es abends im Bett gegenüber Anne.

      Sie sagte: »Ich verspreche dir, Schatz, dass Gerald und ich alles tun werden, um deiner Heiligkeit keine Stolpersteine in den Weg zu legen.«

      Vermute eine Prise Ironie zwischen den Zeilen.

      Richard Cook erschien heute früh, um uns zur Silvesterfeier der Gemeinde einzuladen. Redeten in der Küche.

      Hatte Angst, Onkel Ralph könnte plötzlich auf der Bildfläche erscheinen und etwas Anstößiges von sich geben.

      Fürchte, ich war nicht ganz aufrichtig.

      Ich sagte: »Annes Onkel Ralph verbringt das Weihnachtsfest diesmal bei uns, Richard. Er ist kein Christ und kann manchmal – wie soll ich sagen – schwierig sein. Aber ich bin ehrlich gesagt der Meinung, dass zu unserem Glaubenszeugnis auch gehört, dass wir einen Geist der Toleranz zeigen und vielleicht sogar hin und wieder den Eindruck erwecken, dass uns Dinge gefallen oder amüsieren, die – wie soll ich sagen – nicht ganz – ääh – in Ordnung sind.«

      Sagte das, weil ich mir bei ein oder zwei von Ralphs Witzen das Lachen nicht hatte verkneifen können. Und weil ich wusste, dass er es schaffen würde, zu Richard zu sagen: »Der hier ist gut! Adrian hat sich fast in die Hosen gemacht, als er ihn gehört hat!«

      Was das »Zeugnis« betrifft, so habe ich im Zusammenhang mit Onkel Ralph bisher keinen Gedanken an so was verschwendet. Wohl nicht der christliche Typ, nehme ich an.

      War erstaunt, als wir mit unserem Kaffee ins Wohnzimmer wechselten. Ein Wunder musste geschehen sein. Ralph schüttelte Richard ganz ruhig und höflich die Hand und bestand darauf, ihn zu unserem bequemsten Sessel zu geleiten, während er sagte: »Es ist mir ein wirkliches Vergnügen, einen von Adrians Freunden kennenzulernen. Nehmen Sie doch bitte Platz!«


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