Rom - eine Biografie. Stephan Elbern

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Rom - eine Biografie - Stephan Elbern


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Göttinnen Juno und Minerva. Er war das wichtigste Heiligtum des römischen Staates; hier wurden das Aerarium und die „Sibyllinischen Bücher“ aufbewahrt, hier endeten die Triumphzüge siegreicher Feldherren. Der Kapitolstempel entstand unter den Tarquiniern, die mit ihrem gewaltigen Bau das alte Heiligtum des Latinerbundes auf dem Mons Albanus ablösen und so Roms Sonderstellung in dieser Allianz manifestieren wollten.

      Zu seiner würdigen Gestaltung wurde der Meister Vulca aus Veji in die Tiberstadt berufen – der erste historisch fassbare Künstler in der Geschichte der Ewigen Stadt. Er schuf das Kultbild des höchsten Gottes, das bis zur Zerstörung des Tempels in den Wirren der römischen Bürgerkriege (83 v. Chr.) an dieser Stelle verehrt wurde, und wohl auch den äußeren Dekor, vor allem die tönerne Quadriga, die den Dachfirst bekrönte (um 500 v. Chr.).

      Auch ein weiteres Werk der etruskischen Plastik gilt manchen Archäologen als Werk des Meisters: die Kapitolinische Wölfin im Konservatorenpalast, die mit den (später hinzugefügten) Zwillingsknaben Romulus und Remus die Erinnerung an die mythischen Gründer Roms bewahrt.

      Von Legenden umwoben wird nicht nur die römische Königszeit, sondern auch die ersten Jahrhunderte der Adelsrepublik. An ihrem Beginn steht – als ein Muster altrömischer Tugend – L. lunius Brutus, der Befreier der Stadt und fiktive erste Konsul nach dem Sturz der Monarchie.

      Selbst mit Tarquinius Superbus verwandt, habe er sich dumm („brutus“) gestellt, um nicht den Argwohn des misstrauischen Tyrannen zu erregen. In der entscheidenden Stunde aber bewies er seine Entschlossenheit: Der Sohn des Königs hatte die edle Lucretia vergewaltigt; diese rief ihre Angehörigen zur Rache auf und tötete sich danach mit einem Dolch. Die blutige Waffe in den Händen schwor Brutus vor den anderen Augenzeugen des Geschehens, das despotische Herrscherhaus zu stürzen. Erbittert über die Freveltat des Prinzen, folgte das Volk seinem Aufruf; dem König wurde bei der Rückkehr von einem Feldzug der Einzug in die Stadt verwehrt (509 v. Chr.?).

      Bei der Verteidigung der eben errungenen Freiheit kannte Brutus, der zum ersten Konsul der jungen Republik gewählt wurde, keine persönliche Rücksicht: Seine eigenen Söhne, die sich an einer Verschwörung zur Rückführung der Tarquinier beteiligt hatten, ließ er hinrichten; er selbst fiel im Kampf gegen die Verbündeten des gestürzten Tyrannen. Ein Jahr lang betrauerten die Frauen Roms den Mann, der ihre Ehre so entschlossen gerächt hatte.

      Die erste historisch fassbare (wenngleich weiterhin von Sagen überwucherte) Heldengestalt der römischen Geschichte war M. Furius Camillus (gest. 365 v. Chr.), der die Politik der Adelsrepublik jahrzehntelang entscheidend prägte. Seine bedeutendste Tat war die Einnahme der etruskischen Stadt Veji, einer mächtigen Rivalin Roms, die – nur wenige Kilometer entfernt – das rechte Tiberufer beherrschte (396 v. Chr.). Angeblich währte ihre Belagerung zehn Jahre – die eigene Heldentat sollte offensichtlich dem Kampf um Troja gleichgesetzt werden.

      Aber der Eroberer von Veji galt der Nachwelt nicht nur als glänzender Feldherr, sondern auch als ein Muster von altrömischer Virtus; bei der Belagerung der Stadt Falerii lehnte er das Angebot eines verräterischen Schulmeisters ab, der ihm die Kinder des dortigen Adels als Geiseln in die Hände spielen wollte. Dieses ehrenhafte Verhalten des edlen Römers zählt – wenngleich unhistorisch – noch heute zu den klassischen Legenden, auf die kein Lateinbuch verzichten mag.

      In dieser Zeit wurde Rom von der bis dahin größten Katastrophe seiner Geschichte getroffen, dem Galliersturm aus dem Norden. Doch scheint Camillus damals im Exil gelebt zu haben; Berichte über eine Verbannung des Heerführers aufgrund einer Verurteilung – angeblich wegen der Verwendung der Beute aus Veji – sind wohl historisch.

      Inzwischen waren die keltischen Gallier raubend und plündernd in Mittelitalien eingefallen und hatten an der Allia das römische Aufgebot vernichtend geschlagen (18. 7. 387 v. Chr.). Da Rom damals noch nicht von Mauern gesichert wurde, musste die Stadt evakuiert werden; nur das befestigte Kapitol wurde verteidigt. Bei einem nächtlichen Überfall der Gallier geriet auch diese letzte Zuflucht in höchste Gefahr. Doch die Wachsamkeit der Gänse – die damals allgemein zum Schutz vor Dieben gehalten wurden – rettete den Burghügel. Während die Hunde schliefen, begannen die zuverlässigen Vögel lauthals zu schnattern und weckten dadurch die Verteidiger. Schließlich erkaufte die Besatzung des Kapitols den Abzug der Kelten mit Gold; als es bei der Wägung des Metalls zum Streit kam, warf der gallische Feldherr Brennus sein Schwert in die Waagschale mit den Worten „Vae victis“ (Wehe den Besiegten). In dieser Stunde römischer Schmach erschien – inzwischen zurückberufen – Camillus mit einem Heer, erklärte die Abmachung für ungültig und errang einen vernichtenden Sieg über die feindlichen „Barbaren“.

      Auch hier wirkt die antike Legendenbildung: Die siegreiche Schlacht ist hinzugedichtet; tatsächlich musste Rom sein Überleben buchstäblich erkaufen. Ebenso unhistorisch ist die Überlieferung, Camillus habe den Umzug der Römer aus der zerstörten Stadt in das nahe Veji verhindert. Dennoch galt er der Nachwelt als zweiter Stadtgründer nach dem legendären Romulus sowie als „Vater des Vaterlandes“. Und ungeachtet aller sagenhaften Verklärung – seine militärischen Taten waren ein Meilenstein auf dem Weg zur römischen Herrschaft über Italien.

      An die legendenumwobenen ersten Jahrhunderte der Stadt erinnern Spuren einer eisenzeitlichen Siedlung auf dem Palatin (als „casa Romuli“ verehrt) sowie die Überreste der „Servianischen Mauer“; diese wurde erst nach dem Galliersturm errichtet, aber später dem mythischen König Servius Tullius zugeschrieben; ferner die ältesten Bauten auf dem Forum Romanum (u. a. der Dioskurentempel und das Heiligtum des Saturn). Vom etruskischen Kapitolstempel blieben lediglich einige Tuffblöcke unter dem Konservatorenpalast erhalten, der auch die Kapitolinische Wölfin bewahrt. Auch die Cloaca Maxima geht auf die Königszeit zurück, freilich zunächst als offene Rinne (die unterirdische Anlage entstammt wahrscheinlich dem 2. Jh. v. Chr.).

       Die Tempel der Area Sacra di Largo Argentina erinnern an die römischen Siege über Kimbern und Karthager.


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