Hispanien. Michael Koch

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Hispanien - Michael Koch


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ein Leben lang ebenso entzückt und bereichert wie mich die innate, in Krieg und Frieden zu allen historischen Zeiten unvermittelt ausbrechende irrationale Grausamkeit von „Iberern“ gegen sich und andere von der Antike bis in den Spanischen Bürgerkrieg verstört hat.

      Die aus Zuneigung, Engagement, Zorn und Unverständnis gewobene Angst um die Halbinsel und vor ihr entdecke ich nicht selten bei anderen Autoren: In den ausführlichen Memorias des letzten Präsidenten der spanischen Republik von 1931, Manuel Azaña, ebenso wie in Cees Nootebooms „Der Umweg nach Santiago“ von 1992 und in Javier Cercas’ „Anatomie eines Augenblicks“ aus dem Jahre 2009. Mit diesen und vielen anderen Spanien-Betroffenen teile ich die Einschätzung von der Iberischen Halbinsel und ihren Bewohnern als einem quasi vulkanischen Raum, allzeit fähig, gewaltige Eruptionen unterschiedlichster Art auszulösen und meist in radikalem Schwarz-Weiss: Gloria o muerte, wie es bei Rafael Abella heißt.

      Überzeugt, dass sich die Halbinsel in so gut wie jeder historischen Phase in diesem Zustand befunden hat, ist eines meiner Anliegen, diesem Phänomen und den Gründen dafür im Rahmen der Antike nachzuspüren.

      Ich hatte das Glück, bei der ersten Generation wissenschaftlich international anerkannter spanischer Altertumsforscher, Antonio García y Bellido, Antonio Blanco, Martín Almagro Basch, Juan Maluquer de Motes (sowie korrespondierend mit Claudio Sánchez Albornoz und Pedro Bosch Gimpera) u. a. quasi in die Lehre zu gehen. Mein Bild vom Positiven und weniger Zustimmungsfähigen in Methodik und Ergebnissen der spanischen Altertumsforschung schulde ich ihnen. Nicht gering ist auch der Anteil der historischen Sprachforschung, vor allem derjenige Jürgen Untermanns. Ihr verdanke ich einen umfassenderen und weit objektiveren Zugriff auf Ethnogenese und Ethnografie der Iberischen Halbinsel als Archäologie und literarische Quellen in ihrer Subjektivität und Heterogenität vermitteln können.

      Viel Hilfe erhielt ich über die Jahre durch die Abteilung Madrid des DAI mit seiner einzigartigen Bibliothek, vor allem ihrem Gründungs-Direktor Helmut Schlunk† sowie Theo Hauschild, Christian Ewert†, Wilhelm Schüle†, Hermanfrid Schubart, Armin Stylow, Thomas X. Schuhmacher und Dirce Marzoli. Dank schulde ich auch den zeitweise in „mein“ Madrid verschlagenen Tübinger Kommilitonen Walter Trillmich und Michael Blech sowie meinen liebenswürdigen Madrider Helfern María Díaz, Elisa Puch, Susanne Jacob und John Patterson. Sie alle und manch anderer haben meinen Weg begleitet und auf mannigfaltige Weise gefördert.

      Alicia Perea, Michael Kunst, Marcus Hermanns, Aquilino Delgado, Francisco Quesada, Leonardo García Sanjuan und, ganz besonders großzügig, Mª-Paz García-Bellido haben mir bei der Beschaffung des Fotomaterials geholfen. Ute Schillinger-Haefele und Michael Blech haben das Manuskript gelesen und wichtige Anregungen gegeben.

      Allen Genannten – Toten und Lebenden – sei hier gedankt!

      Zweifall, im August 2014 Michael Koch

      Abb. 1 Die Iberische Halbinsel physikalisch. Deutlich erkennbar die großen Siedlungsräume: Alt- und Neukastilien, Andalusien, das Ebrotal, der lusitanische Westen und der gebirgige Nordwesten. Sie sind bestimmende Faktoren der Geschichte des Landes.

      Einleitung

      Eine neue – die wievielte? – Behandlung der frühen Geschichte der Iberischen Halbinsel vorzulegen mag überflüssig erscheinen: Tatsächlich gibt es nicht wenige, zum Teil durchaus gelungene Versuche dieser Art. Freilich handelt es sich dabei durchweg um Betrachtungen von Fachgelehrten zu ihren jeweiligen Spezialgebieten oder, wie der fulminante, bilderstürmerische Essay von Américo Castro „La realidad histórica de España“, erstmals 1954 in Mexico erschienen, um Untersuchungen jenseits speziell altertumswissenschaftlicher Methoden und Interessen.

      Was angesichts der kaum noch zu überblickenden Masse an Detailforschung vor allem auf der Halbinsel selbst fehlt, ist eine Langzeit-Untersuchung, gewissermassen eine induktiv-diachrone Betrachtung des Altertums der Halbinsel aus einem Guss und, das ist mir besonders wichtig, aus der Perspektive der Halbinsel selbst. Denn nur so ist deutlich zu machen, in welchem Maß Geologie, Geografie, Klima, Immigrationsgeschichte und alle möglichen weiteren Konstanten und Variablen die historisch-kulturelle, wirtschaftliche und politische Entwicklung dieses großen Landes geprägt und bis in die Gegenwart bestimmt haben. [Abb. 1] Von dem viel beschworenen „Geheimnis“ der Halbinsel (El enígma histórico de España) bleibt wenig übrig, wenn man verstanden hat, dass Phänomene wie der notorische, gegenwärtig wieder virulente Partikularismus des Landes, Portugal eingeschlossen, sprachliche und kulturelle Ungleichheiten, die mentalen Differenzen seiner Bewohner und vieles mehr ihre Wurzeln in Gegebenheiten haben, die in der Natur des Raumes und seiner unterschiedlichen Populationen liegen, vor Jahrtausenden geschaffen wurden und danach durch alle historischen Perioden erkennbar bleiben. Der Schriftsteller Orosius, selbst Hispanus, erzählt die hübsche Geschichte von dem „keltiberischen“ Fürsten, der, von Scipio gefragt, was die Stadt Numantia (nahe Soria) so widerstandfähig gemacht habe, antwortete: „einig waren wir unbesiegbar; Uneinigkeit war unser Verderben“. Das ist ein durchgängiges Motiv der Geschichte Hispaniens bis heutezu. Vielleicht war der Aufstand der Hauptstadt Madrid gegen die französische Okkupation vom 2. Mai 1808 und der sich anschließende Unabhängigkeitskrieg gegen die napoleonische Annexion der einzige Moment in der Geschichte der Halbinsel, wo sich alle Spanier ihren Schrei nach Einheit und gemeinsamem Vaterland selbst geglaubt haben. Doch dieser ekstatisch-patriotische Augenblick verging rasch und wiederholte sich, soweit ich sehe, niemals wieder.

      Darüber hinaus ist es an der Zeit, angemessen auf den realen (oder vermeintlichen?) Wissenschaftsfortschritt, beispielsweise in der Vergleichenden Sprachwissenschaft, zu reagieren: Keltisch sprechende Personen sind nicht automatisch auch genetisch Kelten, gleiches gilt für den iberischen Bevölkerungsteil. Solche Selbstverständlichkeiten sind keineswegs Allgemeingut. Fortschritte gibt es vor allem im Bereich der Vor- und Frühgeschichte. Seit den Ergebnissen der Elfenbein-Forschung auf der Halbinsel, der Erforschung des kupferzeitlichen Hügelgrabes in Valencina de la Concepción, dem Schiffsfund von Ulu Burun und der Entdeckung mykenischer Luxusgüter in Kivik und manch anderer archäologischer ‚Sensationen‘ muss als sicher gelten, dass bereits mindestens kupferzeitlich sowie selbstverständlich in der Bronzezeit zu Wasser und zu Lande von Osten aus nach Westen und Norden – und zurück – erstaunliche Entfernungen zurückgelegt und gewaltige Räume erschlossen wurden, auch wenn diese Kontakte nicht regelmäßig und nur in größeren Zeitabständen stattfanden. Die historischen Wissenschaften öffnen sich nur zögernd den daraus resultierenden Erkenntnissen, wobei sie sich vielfach auf den lediglich punktuellen Charakter der Belege, auf Laufzeitprobleme und die Undurchsichtigkeit der Vermittlung von Handelsgütern berufen. Diese zum Teil durchaus begründeten Vorbehalte scheinen mir jedoch eher auf die schiere Zufälligkeit der Funde und Quellen abzuheben. Sie sind kein Beleg dafür, dass die Zeitabstände zwischen den Begegnungen immer riesig waren und dass diese Begegnungen jeweils ex novo stattfanden.

      Auf jeden Fall war die Welt der Bronzezeit, die am Beginn unserer Darstellung steht, ungleich offener und durchlässiger, als man noch vor wenigen Jahrzehnten für möglich hielt: Von ritzverzierten Stelen, Tafelgeschirr, Sitzmöbeln, Schmuck, Waffen bis zu Bestattungsformen zeigt die europäische Bronzezeit ein komplexes Bild von Kommunikation, Interaktion und kultureller Vergleichbarkeit über weiteste Entfernungen. Auch wenn die Randlage der Iberischen Halbinsel Information zu und Rezeption von bestimmten bronzezeitlichen Phänomenen verzögert haben mag, so nimmt sie doch an allem teil, was die Europäische Bronzezeit – und nicht nur sie – ausmacht.

      Mein Interesse, eine solche Arbeit in Angriff zu nehmen, verdankt sich unter anderem einem großen Vorbild: Gerald Brenans mittlerweile klassischer Studie „The Spanish Labyrinth“, zuerst 1943 erschienen und seither vielfach nachgedruckt. Sie ist methodisch und stilistisch den besseren historiografischen Traditionen Englands verpflichtet und nach meiner – vor mehr als 40 Jahren gewonnenen – Überzeugung die


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