Jakob. Stephan

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Jakob - Stephan


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geschehen lässt, ehe ihm der Kragen platzt. Zum anderen enthält dieser Reibungstext eine sehr spezielle Situationskomik, der ich eine breite Leserschaft nur wünschen kann.

      Hannelore Crostewitz

       Wenn Jakob reden würde,

      dann käme seine Schulzeit nicht besonders gut weg

      Denn er war einer von denen, die es traf.

      Das brachte gleich der erste Tag mit sich.

      Da umspielte die Sonne den Haupteingang der alten Schule mit dem Schatten noch älterer Bäume. Der kleine mit Kinderspeck bepackte Blondschopf reihte sich ein in die aufgeregt zappelnde Schlange wartender Jungen und Mädchen. Der Junge blickte hoch, sah das Gebäude nah vor sich, in dem er gleich eingeschult werden sollte. Es erschien ihm riesig, wie eine noch einzunehmende Burg. Auch war es ein ungewohntes Gefühl in der neuen braunen Hose und dem weißen Hemd. Die Oma hatte die steife braune Fliege so fest gebunden, dass er kaum Luft bekam. Zur beigefarbenen Weste hatte er passende braune Schuhe an.

      Stolz trug er seine überdimensionierte Zuckertüte vor sich her, die ganze Treppe hinauf, bis auf den obersten Absatz, wo er kurz stehenblieb und die kunterbunte noch einmal an seinen Vater übergab, der schon dort wartete. ‚Gut’, Jakob atmete durch und hatte die Hände wieder frei. Das war wichtig. Er rieb sie noch einmal eifrig an der Hose. Für das, was jetzt kommen sollte, hatte er tagelang mit seinem Vater geübt.

      ‚Meiner Klassenlehrerin werde ich’s zeigen. Der erste Eindruck ist immer der beste, hat Vati gesagt.’

      Er nahm alle seine Kraft zusammen und begrüßte sie mit einem festen, männermäßigen Händedruck.

      Doch er konnte trainiert haben wie er wollte. Die Lehrerin hatte größere Muckis. Damit nicht genug, die Gegenüber bemerkte: „Na, da musst du aber noch etwas mehr essen, um groß und stark zu werden.“

      ‚Konnte das sein?’ Sie beschämte Jakob vor allen und er spürte die Röte im Gesicht aufsteigen.

      Seine Lehrerin nannte sich Fräulein Vogelsang, war aber nicht halb so lieblich wie ihr Name. Nein, sie war eine robust gebaute Frau mit leichtem Ansatz zum Damenbart und einer furchteinflößenden Oberweite. Außerdem hatte sie es immer mit den Ohren der Schüler, wie Jakob später oft genug schmerzhaft feststellen musste.

      Als sich der Haufen quirliger Kinder daraufhin im Klassenzimmer verteilte, verkündete das Fräulein ihre Sitzordnung und der kleine Schulanfänger stellte mit Entsetzen fest, dass er neben einem Mädchen sitzen sollte.

      ‚Mädchen? Was waren denn das für Wesen?’ Er wollte mit seinesgleichen, also mit Jungen, zusammensitzen. Mit denen konnte er wenigstens über gleiche Erlebnisse reden. Doch Mädchen? ‚Nee danke’, ging es ihm durch seinen Kopf. Aber wie sich herausstellte, war die Kleine alles andere als schweigsam und schüchtern schon gar nicht. Stellte gleich in der ersten Stunde sicher, wer hier auf der Bank die Hosen anhatte. Und das kam so …

      Sie war wirklich hübsch herausgeputzt, beschwerte sich aber bei ihrem Nachbarn: „Dieses Kleidchen mit den Bienen und Blumen mag ich überhaupt nicht leiden!“

      „Nee?“, wunderte sich Jakob.

      ‚Mädchen sind schon etwas Seltsames.’ Er starrte sie an. Die Zöpfe wippten lustig, als sie gestand: „Weißt du, mit Hosen ist es bequemer und es lässt sich viel schneller rennen!“

      Und klatsch – da hatte er eine sitzen. Hatte es gewagt, nach dem Gewippe zu grapschen und jungengemäß ordentlich daran zu ziehen. Das war gleich in der ersten halben Stunde ihres Nebeneinandersitzens passiert, als er sich die schallende Ohrfeige einfing.

      Na gut, die Zöpfe waren also für Jakob tabu. So viel war schon einmal zwischen den beiden geklärt.

      Die erste Schulstunde verging im Eiltempo.

      Schien nichts weiter als ein organisatorischer Durchmarsch zu sein, der eigens für die kleinen Würmer in Süßigkeiten verpackt worden war. So jedenfalls kam es Jakob vor. Ansonsten wurde alles zugewiesen, vom Kleiderhaken bis zum Stundenplan. In dem Moment, wo die Schüler das kühle Gebäude durch den Haupteingang wieder verließen, warteten die Fotoapparate der Erwachsenen auf sie. Es war ein Klicken ohne Unterlass. Mit lautem Beifall wurden sie von Eltern, Geschwistern und dem Rest der Verwandtschaft wieder in Empfang genommen. Pfeifend und grölend. Es folgten: Die Feier im Kreise der Familie, die vielen Geschenke und noch mehr Schmatzer im Gesicht, das Zerzausen der Haare durch die Onkel und älteren Cousins und die kopfnussähnlichen Klatscher auf immer ein und dieselbe Stelle.

      Jedes Mal wieder neu.

      Für Jakobs Begriffe stand das symbolisch dafür, dass jetzt der Ernst des Lebens begann und er sich an Herumschubsen und -stoßen zu gewöhnen hatte. Und dass er, um schadlos zu bleiben, seinerseits ebenso mit den anderen zu verfahren hatte. Seine Verwandten meinten es höchstwahrscheinlich eher lieb mit ihm. So waren sie nun mal. Rau, aber herzlich.

      Schnell gewöhnte sich der kleine Jakob an den schulischen Alltag, in dem im ersten Halbjahr nur mit roten Bienchen, Sternchen und blauen Minuszeichen hantiert wurde. Zwar begann der Unterricht täglich mit Strammstehen vor der Lehrerin, der Begrüßung und einem Lied, das die Kinderkehlen den Ohren Fräulein Vogelsangs begeistert entgegenplärrten; doch Jakob war bis dahin recht zufrieden.

      Dann bekam er die erste richtige Zensur.

      Es war eine Schönschreibübung. Jakob war ganz stolz und sah sie sich lange an. Die war so eine schöne Rote. Anschließend trollte er sich nach Hause. Voller Enthusiasmus zeigte er sie gleich seiner Mutter und war ganz aufgeregt und wartete auf das große Lob. Aber was folgte, war ernüchternd: „Die Zensur ist keine gute. Da musst du dich viel mehr anstrengen, damit du die bekommst, die einfach nur zwei Striche hat.“

      Sie malte am Zeitungsrand mit dem Bleistift etwas auf, was Jakob nicht halb so gut gefiel und erklärte: „Das ist eine Eins.“

      Am liebsten hätte Jakob da gar nicht erst hingesehen. Trotzig verzogen sich seine Mundwinkel nach unten. Er stützte die kleinen Fäuste empört in die Hüften, trat noch einen großen Schritt nach vorn und forderte sein Recht: „Du sollst, du kannst dich bitte gefälligst freuen. Ich bin der Allereinzige in der Klasse, der eine so große schöne Zahl bekommen hat. Darum auch der Beste.“ Die Mutter tat ernst. Was ihr Mühe bereitete, so dass aus dem unterdrückten Lachen mancher Gluckser hervortrat. Doch klar erklärte sie ihm, es sei in der Schule anders herum, es käme darauf an, die kleineren Zahlen als Zensur zu erhalten, ob nun rot oder blau, wäre egal.

      „Die kleineren sind immer die besseren.“

      Enttäuscht und niedergedrückt trottete der kleine Bursche nach nebenan, wo seine beiden Brüder, Holger und Jan, die Indianer- und Cowboyfiguren ins Leben gerufen hatten.

      Doch das war Jakob jetzt egal.

      Er wollte in Ruhe und fern den Blicken der Mutter, die man herzhaft aus der Küche lachen hörte, für sich weinen können. Der große Bruder tröstete ihn. Er nahm ein Blatt Papier zur Hand, drückte einen Füller zwischen die Finger des noch immer voller Tränen stehenden Kleinen und führte dessen Hand um den gelernten Buchstaben herum und versuchte mit ihm gemeinsam das Schönschreiben zu üben. Buchstabe für Buchstabe. Nachdem die erste Zeile beendet war und sie zur zweiten ansetzten, kam die Mutter hinzu, betrachtete die Übungen beider, streichelte ihnen über die blonden Schöpfe und erklärte: „Ich weiß es genau, Jakob bekommt bald schon bessere Zensuren, bestimmt. Und muss nicht mehr traurig sein.“

      Trotz dieser tröstenden Worte übten Jakob und der große Bruder weiter. Auch später blieb ihm der große Bruder immer das Vorbild schlechthin. Noch etwa eine halbe Stunde dauerte es an diesem Tag, und dann, mit einem Mal hatte Jakob auch den Dreh mit den Bögen und geraden Strichen heraus. Seitdem hatte sich der kleine Mann zu einem fleißigen Schüler entwickelt. Und schrieb fortan meist Zweien. Zu selten jedoch bekam er eine Eins. Mit etwas energischem, aber immer kindgerechtem Druck brachte die Mutter ihn dazu, regelmäßig das Schönschreiben zu üben.

      In


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