Der junge Häuptling. Liselotte Welskopf-Henrich

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Der junge Häuptling - Liselotte Welskopf-Henrich


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      »Standhaftigkeit ist mehr eine Sache für Männer, Cate«, tadelte die Tante. »Ich würde es nicht für unwürdig halten, wenn du als junges Mädchen auch einmal mit einer Träne ein Gefühl verraten würdest. Du wirkst oft zu kalt.«

      »Gewiss, Tante Betty, ich werde hierüber nachdenken.«

      »Cate, sei nicht so ernsthaft!«, rief die dicke Gastgeberin. »Wenn Herr Roach kommt, will er eine fröhliche Braut sehen! Und sei unbesorgt! Kann er nicht nach Yankton kommen, so lasse ich anspannen, und wir fahren nach Randall!«

      »Um des Himmels willen!«, Tante Betty wurde rot vor Schreck. »Doch nicht etwa durch die Prärie?«

      »Die Strecke ist vollkommen sicher, liebe Cousine, und die Fahrt eine wahre Pracht! Wir haben ein neues Viergespann; wir fahren wie im Fluge!«

      »Aber das können wir nicht annehmen, liebe Cousine …«

      »Aber liebste Betty, es wird mir selbst das größte Vergnügen sein, eine solche Fahrt mit dem neuen Gespann zu unternehmen und meinen Mann auf Fort Randall zu überraschen! Ja, tatsächlich, er liebt solche Überraschungen sehr!«

      Die Damen gingen zum warmen Pudding über.

      In der Gesprächspause, die dabei eintrat, horchten alle auf das Pferdegetrappel, das auf der staubigen Straße draußen zu hören war. Cate saß mit dem Gesicht zum Fenster und konnte auf die Straße schauen. Sie hatte diesen Platz eingenommen, weil hier die abendlichen Sonnenstrahlen die Augen besonders störten und der Platz daher von den beiden alten Damen gemieden war. Cate sah auf der Straße zunächst zwei Läufer vorübereilen, ehe die kleine Abteilung zu Pferd mit ihrem Leutnant erschien.

      In den Augen des jungen Mädchens stand noch ein ausgesprochenes Entsetzen, als Leutnant Anthony Roach sich draußen auf dem Rappen etwas herabbeugte und durch das Fenster herein grüßte. Der Leutnant schien leicht verwirrt, da er nicht wissen konnte, ob das Entsetzen seiner Braut etwa durch sein Erscheinen hervorgerufen war. Die beiden alten Damen nickten, und sie grüßten noch, als die Dragoner und ihr Leutnant längst wieder verschwunden waren.

      Cate hatte sich einigermaßen gefasst, als die Aufmerksamkeit am Tisch sich ihr von neuem zuwandte.

      »Wie entzückend!«, rief Frau Jones. »Ich werde sofort veranlassen, dass Leutnant Roach Nachricht erhält und uns seine Aufwartung machen kann.« Sie klingelte und gab einer schwarzen Dienerin Bescheid.

      »Cate«, fragte sie dann, »was hat dich denn erschreckt? Du bist auf einmal bleich!«

      »Nichts …«

      »Vertraue mir, Kind!«

      »Bitte, entschuldigen Sie. Ich bin sehr töricht. Vor der Truppe mit Anthony kamen zwei Läufer vorbei. Der eine war ein Indianer.«

      »So etwas sieht man hier am Missouri noch häufig.« Die Gastgeberin war leicht missgestimmt.

      »Er hatte sich schaudererregend bemalt.«

      »Muss man den Leuten abgewöhnen! Es ist heidnische Unkultur, natürlich. Sage deinem Verlobten, liebe Cate, dass er dem Mann befehlen soll, sich abzuschminken, und er wird es tun. Es gibt keine ›Maguas‹ mehr. Solche existieren nur noch in den Romanen des Herrn Cooper! Bist du nicht ganz glücklich, deinen Verlobten wiederzusehen, Cate?«

      »Vollkommen.«

      »Wann soll denn Hochzeit sein?«

      Das junge Mädchen blickte zögernd auf Tante Betty.

      »Nicht so bald, nicht so bald!«, betonte diese. »Cate und Anthony sind erst seit einem Jahr verlobt. Ich denke, eine Verlobungszeit von drei Jahren wird genau das Richtige sein.«

      Das junge Mädchen unterdrückte einen Seufzer, und Frau Jones betrachtete Cate mitleidig. Das Mädchen war schon zwanzig Jahre alt. Es schien dringlich, sie unter die Haube zu bringen, aber Tante Betty fürchtete wohl, eine gehorsame unbezahlte Dienerin zu verlieren. Cate war arm, seitdem die großelterliche Farm mit Weizenfeldern und Gebäuden während des Aufstandes der Ostdakota 1862 niedergebrannt worden war. Cates Vater, Major Smith, machte keine Karriere, und die vermögende Mühlenbesitzerin und Witwe, Tante Betty, verlangte von ihrer künftigen Erbin Bedienung von früh bis spät. Das alles bedachte die Gastgeberin, aber sie ließ kein Wort in dieser Richtung verlauten.

      Eine Stunde nach den Abendessengesprächen der Damen eilte Leutnant Anthony Roach beflügelten Schrittes zu dem kleinen Haus. Er entschuldigte sich lebhaft wegen der ungewöhnlichen Stunde seines Besuchs, spielte den Glücklichen, von Wiedersehensfreude Belebten, sagte den beiden alten Damen, besonders der Erbtante Betty, einige in die Situation passende Schmeicheleien und begrüßte seine Braut. Dabei spürte er, wie kalt Cates Hand war. Es fiel ihm auf, dass das Mädchen blass aussah und dass sich die ersten feinen Falten der Müdigkeit und Enttäuschung um ihren Mund legten. Das missfiel ihm, denn er wollte neben der reichen Erbschaft auch eine hübsche und lebenslustige Frau gewinnen, die ihn nicht mit Grillen störte. Er beschloss, den Grund für Cates Blässe und Kälte zu erforschen, und verbündete sich zu diesem Zweck mit Frau Jones. Es gelang der Gastgeberin, Tante Betty für ein paar Minuten in einen anderen Raum zu lotsen, und die Verlobten blieben so lange allein.

      »Wann heiraten wir?«, fragte Roach seine Braut sofort. »Hast du mit Tante Betty gesprochen?«

      »Ja, das habe ich«, antwortete Cate langsam, mit einer ganz anderen, etwas tieferen Stimme, als sie mit ihrer Tante zu sprechen pflegte. »Frühestens in zwei Jahren will Tante Betty einwilligen.«

      »Das ist Unsinn! Humbug ist das. Deshalb bist du so blass, ich verstehe! Was können wir beide tun?«

      »Willst du nicht selbst mit Tante Betty sprechen, Anthony? Du bist gewandter als ich. Vater wäre einverstanden, wenn wir sofort Hochzeit machten.«

      »Hm – ja – ich sehe schon, ich muss das selbst in die Hand nehmen! Dein Vater ist einverstanden? Ausgezeichnet. Dann – hm … Ihr kommt alle drei zu Besuch nach Fort Randall?«

      »Frau Jones ist sehr dafür. Sie will das neue Gespann ausprobieren und ihren Mann auf dem Fort überraschen.«

      »Ich werde dafür sorgen, dass dieser Besuch stattfindet. Ich begleite eure Kutsche mit meinen Dragonern bis Randall. Von Fort Randall aus breche ich ein paar Tage später mit einer Munitionskolonne zu deinem Vater an den Niobrara auf. Cate – kommst du dorthin mit? Wir holen uns den Segen deines Vaters! Dann kann Tante Betty keine Schwierigkeiten mehr machen! Enterben wird sie dich wegen eines solchen Schrittes nicht.«

      »Anthony! Anthony!« Das Blut stieg dem jungen Mädchen bis in die Schläfen; ihre Gestalt straffte sich. Nichts ersehnte sie mehr als das Ende ihres freudlosen Daseins bei der Erbtante.

      »Cate, so gefällst du mir! Also abgemacht! Tante Betty darf natürlich nichts ahnen. Du nimmst dir kein Reitkleid nach Randall mit; du fährst als gehorsame Nichte in der Kutsche mit den beiden alten Damen – für alles weitere sorge ich.«

      Roach trat einen Schritt zurück, denn die Tür des Nebenzimmers öffnete sich. Frau Jones und Tante Betty kamen wieder herein.

      »Herr Roach!«, sagte die Gastgeberin in ihrer lebhaften Sprechweise. »Ich hoffe, Sie haben mit Ihrer Verlobten ausgemacht, dass sie meine Einladung annimmt und mit uns nach Randall fahren wird?«

      »Nicht nur das, Frau Jones, ich werde Ihr Viergespann mit meinen Dragonern nach Fort Randall begleiten!«

      »Wie artig und wie großartig! Was für eine Idee! Nicht wahr, Betty?«

      »Nicht schlecht«, meinte diese, bedeutend zurückhaltender, aber doch sichtlich beruhigt.

      »Allerdings«, auch Frau Jones lächelte, »werden Sie, Herr Roach, Ihrem indianischen Läufer befehlen müssen, sich abzuschminken. Seine verschmierte Fratze hat Ihre liebe Braut allzu sehr erschreckt.« Roach lächelte höflich, etwas gezwungen. »Cate ist von Natur mutig. Ich zweifle nicht, dass sie sich rasch an die Atmosphäre des Wilden Westens gewöhnen wird!«

      Am Morgen nach diesem Zusammentreffen begab sich Leutnant Roach zur befohlenen Stunde zu Oberst


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