Ich kann mir die Arbeit nicht leisten. Rainer Voigt

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Ich kann mir die Arbeit nicht leisten - Rainer Voigt


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Arbeiten wirkten bis auf die teuren Messgeräte eher amateurhaft, so genanntes Heimwerkerniveau. Der Akkuschrauber war den Aufgaben nicht gewachsen, die Akkus schon am Ende ihres Berufslebens. Einen Kegelbohrer für stufenförmig zu vergrößernde Bohrungen für Kabeldurchführungen hatte Conny von einer anderen Firma auf der Baustelle geborgt. Der Chef brachte eine Lochkreissäge, ein für diese Aufgabe untaugliches Teil. Nur Frank-Peter hatte einen Hammer in seinem privaten Handwerkzeug. „Für solche groben Arbeiten sind wir nicht vorbereitet“, kommentierte Conny. Zum Glück fand man mit Hilfe eines netten Mitarbeiters der Errichterfirma für das automatische Kleinteilelager eine Lösung, die mit der schwachbrüstigen Akkumaschine gerade noch zu bewältigen war. Auf der Heimfahrt erzählte Conny, dass er abends Frauenbesuch erwartet. Er würde etwas Leckeres kochen. Dann gibt es einen schönen griechischen Wein und danach geht es zur Sache. Dafür gebrauchte er aber andere Worte, die hier so nicht wieder gegeben werden können. Bisher sei er jedes Mal, wenn er Frauenbesuch hatte, zur Sache gekommen. Im Januar hatte er sich von seiner langjährigen Freundin getrennt und eine lange Zeit gebraucht, bis er den Kopf für andere Beziehungen wieder frei hatte. Dafür lebte er sich jetzt aus. Sein Rekord waren an einem Abend drei Mädchen, die sich nur um 30 Minuten bei den Besuchen verfehlten. „Das war ganz schön knapp“, erzählte Conny mit breitem Grinsen.

      Auch am Mittwoch hatte Conny das Betriebshandy nicht bei sich. „Der Akku ist wohl runter?“, fragte Frank-Peter. Conny nickte. Die Arbeiten waren so gut von der Hand gegangen, dass gegen 16 : 00 Uhr alles geschafft war. Da kam Conny mit der Hiobsbotschaft: „Morgen haben wir keine Arbeit für dich, ich muss auf eine andere Baustelle!“ „Aber am Freitag bleibt es beim Einsatz ab Nachmittag?“, fragte Frank-Peter. Conny tat erstaunt. „Wer hat etwas von Freitag gesagt?“ Frank-Peter hatte von Conny sogar erfahren, wo der Einsatz sein sollte, im Petersbogen in Leipzig. Am ersten Tag in dieser Firma war er vom Chef gefragt worden, ob ein Einsatz an besagtem Freitag am Nachmittag bis zum Abend für Frank-Peter möglich wäre, was Frank-Peter bejahte, was vom Chef mit offensichtlicher Freude aufgenommen wurde. „Am Freitag haben wir für dich auch nichts“, sprach Conny. „Dein Einsatz ist damit heute beendet!“ Frank-Peter hatte das Gefühl, als ob mit verdeckten Karten gespielt wird. Sicher gab es am Folgetag noch Arbeit auf dieser Baustelle, wenn die Lieferung vom Großhandel endlich eintrifft. Dann wäre aber Arbeit für einen und auch nur für begrenzte Zeit möglich. Aus den Äußerungen von Conny den Kontaktpersonen gegenüber vermutete Frank-Peter auch diese Option.

      Das kann man ja auch sagen und muss sich nicht hinter anderen Baustellen verstecken. „Was ist mit der Baustelle in Halle?“, wollte Frank-Peter wissen. Derentwegen war er eigentlich angefordert worden. „Die sind so gut wie fertig“, ließ Conny wissen. Die Arbeit auf dieser Baustelle war alles in allem sehr angenehm, auch wenn Frank-Peter mit dem Elektrosteiger, eine akkubetriebene Hebebühne, in acht Meter Höhe direkt vor der Kaltluftdüse Rohre verlegen und Kabel einziehen musste. Die „feineren“ Arbeiten an Datenkabeln waren dagegen fast wie die Arbeit im Büro, aber in der Regel Arbeit auf den Knien. Bis zu diesem Mittwoch kam Frank-Peter abzüglich der drei Stunden aus dem Vorgriff der Vorwoche auf magere 22 Stunden. Damit wird er weder sich noch seine Familie ernähren können. Abzuwarten bleibt, wie der Einsatz für den Donnerstag geregelt werden kann.

      Frank-Peter telefonierte mit seiner Chefin, die er erst abends erreichte. Natürlich kam keine Freude auf wegen der unseriösen Abmeldung. Die wäre normalerweise vom Chef zu tätigen. Von diesem hatte seine Chefin aber keine Informationen bekommen. Sie eröffnete Frank-Peter, dass sie gegenwärtig im lokalen Bereich keine Arbeit habe, der Westunternehmer in Buscheck hingegen sich mehrmals pro Woche nach Frank-Peter erkundigt. Wenn sich bis Freitag nichts im lokalen Umfeld auftut, wird wohl eine Überbrückung mit Montage anstehen. Genau das wollte aber Frank-Peter vermeiden. Er rief seinen Freund Werner Lichtblau an, der bei SINNELS arbeitet. Dieser war ebenfalls bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt und arbeitete bereits seit vielen Jahren bei SINNELS. Voriges Jahr hatte man dort die vermeintliche Wirtschaftskrise genutzt, um sich massiv von Personal zu trennen. Damit das juristisch unanfechtbar wird, hat man zuerst alle Zeitarbeiter entlassen. Werner Lichtblau gehörte dazu. Die Zeitarbeitsfirma, nach deren eigenen Worten die größte in Deutschland, hat ihn, weil er für SINNELS spezialisiert war und auch schon seinen 60. Geburtstag hinter sich hatte, sofort gekündigt. Anschließend hat man bei SINNELS die Festangestellten dezimiert, aber nach Einschätzung von Werner Lichtblau waren fachliche Kriterien keine Entscheidungsoptionen. Nachdem diese Bereinigung erfolgreich über die Bühne gegangen war, wurden die entlassenen spezialisierten Zeitarbeiter wieder reaktiviert, Werner Lichtblau gehörte zu den handverlesenen Spezialisten, die angefordert wurden. Als Werner Lichtblau wieder mit der untersten Tarifeinheit bei SINNELS beginnen sollte, hat sich der Betriebsrat stark gemacht und eine Einstellung mit mindestens 70 % des vergleichbaren Lohnes der Festangestellten verlangt und auch durchgesetzt. In einem Stufenplan sollte es innerhalb von zwei Jahren eine Angleichung auf 100 % geben. Werner Lichtblau brauchte keine Minute angelernt zu werden, wusste, wo und wie er sich in den Betriebsräumen zu bewegen hat und was er zu tun hat. Er hatte davon gehört, dass seine Zeitarbeitsfirma nicht alle Anfragen nach qualifiziertem Personal erfüllen kann. So erhielt Frank-Peter Adresse, Ansprechpartner und Telefonnummer, um diese seiner Chefin mitzuteilen. Ein weiterer Anruf galt seinem früheren Arbeitgeber Hans-Dieter Wermann von kurz nach der Wende. Dort hatte seinerzeit zwar Frank-Peter von sich aus gekündigt, als keine ausreichenden Arbeitsaufgaben mehr vorhanden waren, aber zum damaligen Chef ein gutes Verhältnis behalten. Über Verwandtschaft erfuhr er, dass dieser Hans-Dieter Wermann seine Firma neu ausgerichtet und erweitert hatte und dass er an Frank-Peter Interesse hatte. Schon lange hatte Frank-Peter versucht, Hans-Dieter Wermann telefonisch zu erreichen. Jetzt klappe es und er vereinbarte ein Gespräch für den Sonnabend. Abends erreichte er seine Chefin von der Zeitarbeitsfirma. Er informierte sie zu der schwammigen Abmeldung und auch zu seinen geplanten Aktivitäten. Da im regionalen Bereich Fachkräfte mit seiner Qualifikation nicht gebraucht werden, würde er ab Montag erneut als Müllfahrer in Wölzen arbeiten.

      Frank-Peter traf sich mit Günter Hans-Dieter Wermann und dieser zeigte ihm die neu entstehende Produktionsstätte. Frank-Peter war beeindruckt, was sich Hans-Dieter Wermann alles zumutete. Hans-Dieter Wermann suchte gute Leute für den Vertrieb und – obwohl an diesem Tag nicht die Details besprochen worden – entnahm Frank-Peter einigen nebenbei gemachten Äußerungen, dass der Start des Vertriebs auf nebenberuflicher Basis beginnen solle, um bei Eignung und nachhaltigem Erfolg mit einer Selbstständigkeit gekrönt zu werden. Bei einer solchen Andeutung des nebenberuflichen Einstiegs stellte Frank-Peter aber sogleich dar, dass diese Option für ihn nicht möglich sei. Durch die Anstellung bei einer Zeitarbeitsfirma fehle ihm dazu schlichtweg die Zeit. Er ist so von früh bis abends unterwegs. Er wies Hans-Dieter Wermann auf die Möglichkeit hin, ihn bei der Arbeitszeitfirma zu buchen. Was Frank-Peter dann am Ende für Tätigkeiten ausübt, kann ja der Chefin von Frank-Peter egal sein. Frank-Peter bekam eine Menge Unterlagen mit, um sich mit den Produkten von Hans-Dieter vertraut zu machen. „Der Vertrieb funktioniert nur, wenn man sich mit den Produkten identifiziert“, sprach Hans-Dieter Wermann. Seiner Chefin berichtete er, dass in dem Gespräch positive Ansatzpunkte erkennbar waren, die Firma unter anderem produziere Schaltschränke (was auch tatsächlich der Fall war). Durch den Ortswechsel der Firma wäre aber mit einem eventuellen Erfordernis für Zeitarbeiter nicht vor einem viertel Jahr zu rechnen.

      Der Montag war einer der wärmsten Tage des Jahrhunderts, wenn man den Nachrichten glauben schenkte und Frank-Peter war wieder beim Entsorger. Bei über 37° C warnten Radiostationen vor körperlicher Belastung. Das einzige, was Frank-Peter beim einsammeln der gelben Säcke zu seiner Sicherheit machen konnte, war einen Schritt langsamer zu arbeiten. Zwei Flaschen Wasser durfte er früh von der Entsorgerfirma entgegennehmen, eine weitere und eine Thermoskanne Tee waren schon in seinem Rucksack. Trotzdem musste er Mike nachmittags bitten, einen Supermarkt anzufahren, damit er sich zwei weitere Flaschen mit Getränken kaufen kann. Mike, etwa 25 Jahre und 1,95 Meter groß, kam mit der Hitze in der klimatisierten Fahrerkabine gut zurecht, auch wenn er die Klimaanlage nur auf einen moderaten Wert eingestellt hatte um sich nicht zu erkälten. Frank-Peter konnte wählen, ob er mit Jacke einen Hitzschlag riskiert oder ohne Jacke einen deftigen Sonnenbrand an Oberarmen und Hals. Er riskierte letzteres. Die Arbeit ging wirklich bis an die physische


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