Jetzt mal ehrlich .... Adrian Plass

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Jetzt mal ehrlich ... - Adrian Plass


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      Ein Duft von Fischen auf dem Feuer

      Der Ruf zum Essen

      Alte Geschichten an der Feuerstelle

      Guter Wein

      Ein Kuss

      Liebe und Weisheit im Lächeln meiner Mutter

      Die Tränen derer, die mich innig liebten

      Weil sanft und wild ich ihre Sünde auf mich nahm

      Werde ich auferstehen?

      O ja, der Menschensohn muss auferstehn und wieder leben

      Aber was ist mit mir?

      Was ist mit mir?

      Jedes Mal, Jeff. Jedes einzelne Mal. Jedes Mal, wenn ich denke, jetzt schnappe ich über und renne schreiend hinaus ins süße, bergende Dunkel, rettet mich Jesus, indem er mir immer wieder dieselben Worte ins Ohr flüstert.

      „Das kenne ich. Da war ich schon. Ich habe sogar den Lendenschurz als Souvenir.“

      Er ist so lästig – und so wunderbar.

      Gottes Segen,

      Adrian

      Hi, Adrian,

       ich habe lange über Deinen letzten Brief nachgedacht, in dem Du sagst – mit großer Erleichterung, wie ich empfinde –, das einzige unvollkommene Opfer, das Gott annehme, seist Du, seien wir.

      Und das hat mich wiederum an Deinen ersten Brief erinnert, wo Du die herrliche Geschichte von dem kleinen Jungen in Scargill erzähltest, der Kissen unter die Teile des Kreuzes legte, wo Jesus seiner Meinung nach die schlimmsten Schmerzen empfunden haben musste. Diese Szene hat mich in mehr als einer Hinsicht umgehauen. Ich wünschte, ich wäre selbst dabei gewesen.

      Doch wenn ich über diesen Moment nachdenke, gefällt mir besonders, dass der kleine Junge ohne irgendwelche Worte seine Anbetung ausdrückte. Stattdessen holte er Kissen für Jesus und platzierte sie behutsam. Das möchte ich auch gern lernen.

      Manchmal bete ich nicht an, weil ich mich unter dem Druck fühle, zu reden; irgendetwas Sinnvolles oder Tiefsinniges zu Gott zu sagen. Mein Anbetungsgemurmel kommt mir erbärmlich vor; weniger Gold, Weihrauch und Myrrhe als vielmehr Styropor, 1411 und Old Spice. Mehr Rockröhre als Opernsänger. Ich befürchte gar nicht einmal, dass Gott mein Gemurmel missfallen könnte; nur, dass es ihn vielleicht langweilt.

      Deshalb versuche ich zu lernen, einfach bei Jesus zu sein, ohne wirklich etwas zu sagen. Mich einfach von ihm ansehen zu lassen und irgendwie einen Weg zu finden, um mich auf ihn auszurichten. Aber das ist ziemlich schwer, nicht wahr? Meistens kommt es mir so vor, als wären meine geistlichen „Augen“ vom Grauen Star befallen. Ich bin wie Petrus, der auf dem Berg der Verklärung einfach den Mund nicht halten konnte und unbedingt ins größte verfügbare Fettnäpfchen treten musste. Stell Dir die Szene vor – Mose, Elia und Jesus stehen da in einer epischen, leuchtenden Parade, und Petrus verspürt dieses dringende Bedürfnis, irgendetwas zu sagen. Aber was dann aus seinem Mund herausquillt, ist einfach nur lächerlich: Hütten will er bauen für die großen Stars in Gottes überwältigender Geschichte. Er hat einen Platz in der ersten Reihe bei der wahrhaft größten Show auf Erden, und er denkt darüber nach, eine Barackensiedlung zu bauen.

      Und so muss Gott ihn zum Schweigen bringen. Eine Stimme aus der Wolke legt Petrus praktisch den Finger auf die Lippen: „Das ist mein geliebter Sohn, auf ihn sollt ihr hören!“ Und schließlich passiert noch ein Wunder: Petrus hört auf zu reden. Ich möchte gern lernen, genau dasselbe zu tun, wenn ich lobpreise oder bete; einfach nur zu sein.

      Vielleicht ist das der Grund, warum ich in den letzten Jahren die Liturgie neu schätzen gelernt habe. Es fing damit an, dass ein Bischof, mit dem ich befreundet bin, mir ein Exemplar des Common Worship schenkte, der anglikanischen Gottesdienstordnung. Ich bedankte mich herzlich, aber innerlich rümpfte ich die Nase bei dem Gedanken, Gebrauch davon zu machen. Anfangs freute ich mich über das Geschenk etwa so, wie sich ein Rabbi über eine Packung Schinkenspeck gefreut hätte. Doch als ich das Buch aufschlug und anfing zu lesen, veränderte sich meine Haltung, auch wenn ich das Ganze ziemlich verwirrend fand.

      Die Sache mit dem Kirchenjahr kapierte ich überhaupt nicht. Ich bin ja ein Nonkonformist (eigentlich hasse ich diese Bezeichnung. Hört sich so an, als wäre ich einer von den Leuten, die immer über alles streiten müssen. Allerdings, so gesehen ...). Wir Nicht-Anglikaner wissen ja noch, wann Weihnachten und Ostern ist, vor allem wegen des plötzlichen gehäuften Auftretens von Tannenbäumen und bunten Eiern in den entsprechenden Jahreszeiten, aber unseren Epiphanias und unseren Septuagesimae bringen wir schon gerne mal durcheinander.

      Und es gab noch andere Schwierigkeiten, die der Gebrauch eines Gebetbuches mit sich brachte. Ich wusste zum Beispiel nichts mit den Stellen anzufangen, die eine Antwort der Gemeinde vorsahen: „Der Herr sei mit euch.“ „Und mit deinem Geiste.“ Also sprach ich beide Sätze mit jeweils verschiedener Stimme, was sich für Leute, die zufällig vorbeikamen, ziemlich seltsam angehört haben muss. Wenn man zwei Stimmen aus demselben Mund hört, könnte das auf Leute mit einem Hang zum Exorzismus wie ein Alarmsignal wirken, sodass sie versucht sind, sich eine Knoblauchgirlande zu schnappen und irgendetwas aus mir auszutreiben. Trotzdem wuchsen mir die Worte dieses Buches immer mehr ans Herz, weil ich sie nicht erst erschaffen musste. Ich konnte sie mir einfach zu eigen machen.

      Kürzlich verbrachte ich vier Tage mit einer anglokatholischen Gruppe. Mir gefiel das Besprengen mit dem Weihwasser und das Schwenken der Weihrauchfässer (auch wenn ich davon husten musste; es ist gar nicht so einfach, ehrfürchtig zu husten). Die Priester in ihren prachtvollen Gewändern, das Flackern der großen Kerzen, der schön geschmückte Altar – all das berührte meine evangelische Seele, und ich genoss das Schauspiel. Aber das Beste von allem war die Liturgie. In manchen Momenten hatte ich das Gefühl, dass die ganze Versammlung mich durch die Liturgie emporhob und trug.

      Lass mich das erklären. Kay und ich sind stolze Großeltern unseres prächtig geratenen Enkels Stanley, der jetzt drei ist. Er und sein kleiner Bruder Alex sind zwei der größten Freudenquellen in unserem Leben. Wenn wir Stanley mit zum Einkaufen nehmen, mag er es am liebsten, zwischen uns zu gehen und uns beide an den Händen zu halten. Er liebt es, sich von uns schwenken zu lassen, statt zu gehen. Quietschend und kichernd lässt er sich von uns die Straße entlangtragen.

      Durch die Teilnahme an der Liturgie wurde ich von den Worten, die andere sprachen, emporgehoben und mitgetragen. Manchmal sprach ich selber gar nicht mit, sondern nickte nur, während alle anderen die Worte intonierten. Und hin und wieder murmelte ich nur: „Ja, Jesus, dito. Das, was sie sagen – nimm das auch von mir.“ Mir wird daran deutlich, dass Liturgie eine starke Stütze sein kann, wenn wir durch schwierige oder tragische Zeiten in unserem Leben gehen und uns durch Tage schleppen, die so grauenvoll sind, dass sie uns die Sprache verschlagen. Ich fand das Erlebnis ungemein stärkend, und ich empfand hinterher noch lange Zeit einen ganz neuen Frieden. Streich das: Ich fühle mich bis heute davon gestärkt. Deshalb hat mich das Bild dieses Kindes, das schweigend Kissen unter das Kreuz legte, besonders bewegt.

      Das Herrlichste ist natürlich, dass Jesus, als das passierte, es bemerkte und lächelte. Aber ist nicht unser Lobpreis, wie auch immer wir ihn darbringen, etwas winzig Kleines? Und doch wird er angenommen und ist sogar willkommen. Und das schließt auch das unvollkommene Opfer unserer selbst ein.

      Ich komme mir oft so vor, wie sich ein anderer kleiner Junge wahrscheinlich fühlte: Du weißt schon, der, der Jesus nur sein Mittagessen anbieten konnte, als es darum ging, fünftausend Leute mit Essen zu versorgen. Aber auch dieser kleine Vorfall ging ja schließlich gut aus, nicht wahr?

      Liebe Grüße,

      Jeff

      Hallo, Jeff,

       danke für Deinen letzten Brief. Danke auch dafür, dass Du so ehrlich über das Problem mit Worten und Anbetung gesprochen hast: wie sie zusammenhängen und wie wir dabei authentisch bleiben. Wo wir gerade


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