Lache über deinen Nächsten wie dich selbst. Arno Backhaus

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Lache über deinen Nächsten wie dich selbst - Arno Backhaus


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Zu blöd, um sich die Geheimnummer zu merken! Den Zettel, auf dem sie mal stand, soll man ja sofort vernichten – hab ich nicht gemacht, ich habe sie damals gut versteckt, aber wo? Unauffindbar! Die nächste Karte mit der nächsten Geheimnummer lässt auf sich warten. Und dann lerne ich wieder auswendig: 1 5 7 4. Vielleicht kann ich mir das als Jahreszahl mit Ereignis einprägen. 1574, sagt das Lexikon, stirbt Karl, der IX. König von Frankreich. Was habe ich mit Karl, dem IX. am Hut? Den verwechsle ich doch dann bloß mit Ludwig, dem XVI. Der kam 1754 auf den Thron, auch in Frankreich.

      Nein, ich lasse mir die Zahl besser auf den Arm tätowieren und die Codierung für mein dreimal geklautes, nun jedoch bestens gesichertes Autoradio gleich dazu: Mutters Geburtstag mal zwei plus 15. Oder war es Vaters Geburtstag mal drei? Ich hatte doch mal so ein Köfferchen. In dem habe ich allerlei geheimnisvolle Wichtigkeiten aufbewahrt – wo ist das Köfferchen bloß? Es findet sich nach langem Suchen auf dem Speicher, aber es hat ein Schloss mit Zahlenkombination …

      Muss ich noch weitererzählen? Ich muss nicht! Ich habe eine Versicherungsnummer, eine Steuernummer („Bei jedem Schriftverkehr bitte angeben!“), eine Kontonummer. Meine Bank hat eine Bankleitzahl und meine Stadt eine Postleitzahl, und wenn ich bei den Rolling Stones im Stadion bin und gerade in nostalgische Rührung abdriften will, dann sagt der Stadionsprecher: „Der Fahrer des Wagens mit dem amtlichen Kennzeichen HH - FF 11 wird gebeten, sich umgehend an seinem Fahrzeug einzufinden!“ – Bin ich das? Habe ich HH - FF 11 oder habe ich F 11 oder F 1? Mir fällt mein Autokennzeichen nicht mehr ein, ich könnte ja zu Hause anrufen und fragen, aber wie war doch gleich meine Telefonnummer? Verwechsle ich die nicht mit meiner Fax-Nummer?

      An manchen Tagen bin ich richtig froh, wenn ich noch weiß, wie ich heiße. Übrigens habe ich auch eine Rentennummer, eine Nummer bei der Verwertungsgesellschaft „Wort“ und bei der Pensionskasse für freie Mitarbeiter. Mein Fahrrad hat eine Fahrgestellnummer, die muss ich bei Diebstahl angeben. Wenn ich sie dann finde! Aber mein Fahrrad kann gar nicht geklaut werden, weil es so raffiniert abgeschlossen ist – per Kette mit Zahlenschloss. 8 4 9 0 – nein, Moment mal – 8 9 4 0 – geht auch nicht. 4 8 9 0? Wie sägt man eigentlich Ketten mit Zahlenschlössern durch?

       Nicht alles gefallen lassen

      Wir wohnten im dritten Stock mitten in der Stadt und haben uns nie etwas zuschulden kommen lassen, auch mit Dörfelts von gegenüber verband uns eine jahrelange Freundschaft, bis die Frau sich kurz vor dem Fest unsre Bratpfanne auslieh und nicht zurückbrachte.

      Als meine Mutter dreimal vergeblich gemahnt hatte, riss ihr eines Tages die Geduld und sie sagte auf der Treppe zu Frau Muschg, die im vierten Stock wohnt, Frau Dörfelt sei eine Schlampe.

      Irgendwer muss das den Dörfelts hinterbracht haben, denn am nächsten Tag überfielen Klaus und Achim unsern Jüngsten, den Hans, und prügelten ihn windelweich.

      Ich stand grad im Hausflur, als Hans ankam und heulte. In diesem Moment trat Frau Dörfelt drüben aus der Haustür. Ich lief über die Straße, packte ihre Einkaufstasche und stülpte sie ihr über den Kopf. Sie schrie aufgeregt um Hilfe, als sei sonst was los, dabei drückten sie nur die Glasscherben etwas auf dem Kopf, weil sie ein paar Milchflaschen in der Tasche gehabt hatte.

      Vielleicht wäre die Sache noch gut ausgegangen, aber es war um die Mittagszeit, und da kam Herr Dörfelt mit dem Wagen angefahren. Ich zog mich sofort zurück, doch Elli, meine Schwester, die mittags zum Essen heimkommt, fiel Herrn Dörfelt in die Hände. Er schlug ihr ins Gesicht und zerriss dabei ihren Rock. Das Geschrei lockte unsere Mutter ans Fenster, und als sie sah, wie Herr Dörfelt mit Elli umging, warf unsre Mutter mit Blumentöpfen nach ihm. Von Stund an herrschte erbitterte Feindschaft zwischen den Familien.

      Weil wir nun den Dörfelts nicht über den Weg trauten, installierte Herbert, mein ältester Bruder, der bei einem Optiker in die Lehre geht, ein Scherenfernrohr am Küchenfenster. Da konnte unsre Mutter, waren wir andern alle unterwegs, die Dörfelts beobachten. Augenscheinlich verfügten diese über ein ähnliches Instrument, denn eines Tages schossen sie von drüben mit einem Luftgewehr herüber. Ich erledigte das feindliche Fernrohr dafür mit einer Kleinkaliberbüchse, an diesem Abend ging unser Volkswagen unten im Hof in die Luft.

      Unser Vater, der als Oberkellner im hochrenommierten Café Imperial arbeitete, nicht schlecht verdiente und immer für den Ausgleich eintrat, meinte, wir sollten uns jetzt an die Polizei wenden.

      Aber unserer Mutter passte das nicht, denn Frau Dörfelt verbreitete in der ganzen Straße, wir, das heißt unsre gesamte Familie, seien derart schmutzig, dass wir mindestens zweimal jede Woche badeten und für das hohe Wassergeld, das die Mieter zu gleichen Teilen zahlen müssen, verantwortlich wären. Wir beschlossen also, den Kampf aus eigener Kraft in aller Härte aufzunehmen, auch konnten wir nicht mehr zurück, verfolgte doch die ganze Nachbarschaft gebannt den Fortgang des Streites.

      Am nächsten Morgen schon wurde die Straße durch ein mörderisches Geschrei geweckt.

      Wir lachten uns halbtot. Herr Dörfelt, der früh als Erster das Haus verließ, war in eine tiefe Grube gefallen, die sich vor der Haustüre erstreckte. Er zappelte ganz schön in dem Stacheldraht, den wir gezogen hatten, nur mit dem linken Bein zappelte er nicht, das hielt er fein still, das hatte er sich gebrochen.

      Bei alledem konnte der Mann noch von Glück sagen – denn für den Fall, dass er die Grube bemerkt und umgangen hätte, war der Zünder einer Plastikbombe mit dem Anlasser seines Wagens verbunden. Damit ging kurze Zeit später Klunker-Paul, ein Untermieter von Dörfelts, hoch, der den Arzt holen wollte.

      Es ist bekannt, dass die Dörfelts leicht übel nehmen. So gegen zehn Uhr begannen sie unsre Hausfront mit einem Flakgeschütz zu bestreichen. Sie mussten sich erst einschießen, und die Einschläge befanden sich nicht alle in der Nähe unserer Fenster.

      Das konnte uns nur recht sein, denn jetzt fühlten sich auch die anderen Hausbewohner geärgert, und Herr Lehmann, der Hausbesitzer, begann um seinen Putz zu fürchten. Eine Weile sah er sich die Sache noch an, als aber zwei Granaten in seiner guten Stube krepierten, wurde er nervös und übergab uns den Schlüssel zum Boden. Wir robbten sofort hinauf und rissen die Tarnung von der Atomkanone. Es lief alles wie am Schnürchen, wir hatten den Einsatz oft genug geübt, die werden sich jetzt ganz schön wundern, triumphierte unsre Mutter und kniff als Richtkanonier das rechte Auge fachmännisch zusammen. Als wir das Rohr genau auf Dörfelts Küche eingestellt hatten, sah ich drüben gegenüber im Bodenfenster ein gleiches Rohr blinzeln, das hatte freilich keine Chance mehr. Elli, unsre Schwester, die den Verlust ihres Rockes nicht verschmerzen konnte, hatte zornroten Gesichts das Kommando „Feuer!“ erteilt.

      Mit einem unvergesslichen Fauchen verließ die Atomgranate das Rohr, zugleich fauchte es auch auf der Gegenseite. Die beiden Geschosse trafen sich genau in der Straßenmitte. Natürlich sind wir nun alle tot, die Straße ist hin, und wo unsre Stadt früher stand, breitet sich jetzt ein graubrauner Fleck aus. Aber eins muss man sagen, wir haben das Unsre getan, schließlich kann man sich nicht alles gefallen lassen.

       (Gerhard Zwerenz)

       Frieden ist TAT-sache!

      Statt dich über die Lügen zu beklagen, die über dich erzählt werden, sei lieber froh, dass niemand die Wahrheit über dich erzählt!

      Beschwerde über den missglückten Urlaub: „Bei der schmuddeligen Bettwäsche und den dreckigen Aschenbechern hätten wir genauso gut zu Hause bleiben können!“

      „Wenn ich jetzt bei der Uhrumstellung die Uhr umstelle, ist es dann länger dunkel oder kürzer?“

      „Je nachdem.“

      Da


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