Wie wärs mit einer Revolution?. Reinhard Matern

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Wie wärs mit einer Revolution? - Reinhard Matern


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primär lokal angesiedelt. Seit 2007 ergänzt eine aus dem Zweckverband entstandene Einrichtung die separaten, in Konkurrenz ausgetragenen Bemühungen der Städte und Gemeinden. In dieser Kooperation hat man ‚Kompetenzfelder‘ der ansässigen Wirtschaft ausgewählt, sowohl Branchen-Cluster als auch Branchen-Konzentrationen, um die Region im nationalen und internationalen Vergleich zu positionieren. Die Cluster Energie, Logistik und Chemie werden von der ansässigen Großindustrie dominiert. Die Gesundheitswirtschaft besteht primär aus den Kliniken in der Region, die in hoher Konzentration vorzufinden sind. Zusätzlich geförderte Zweige stehen überwiegend in einem direkten Zusammenhang mit den neu entstandenen Technologie- und Wissenschaftszentren. Mit diesem ‚Kompetenzfeldmarketing‘ erhofft man sich den Ausbau von Clusterbildungen und ein weiteres Fortschreiten der Konzentrationen. Es ist schon einmal geschehen, dass sich die Wirtschaft im Ruhrgebiet zu sehr an den Großbetrieben orientiert hat. Der Mittelstand war schwach und einseitig auf die herrschende Kohle- und Stahlindustrie bezogen, wie in der ‚Regionalkunde‘ des Verbandes betont wird. In einer politischen Diskussion hätte die Frage nach dem Mittelstand öffentlich aufgeworfen werden können und auch müssen.

      Das Fehlen einer regionalen Politik hat jüngst zu einer kaum ermessbaren Katastrophe beigetragen. In Duisburg sind durch die Loveparade vom 24. Juli 2010 einundzwanzig Menschen zu Tode gekommen und über fünfhundert zum Teil schwer verletzt worden. Der Plan, die Loveparade im Jahr der europäischen Kulturhauptstadt und im Zusammenhang mit der Kampagne ‚Metropole Ruhr‘ in Duisburg stattfinden zu lassen, hat zu einem Sicherheitskonzept geführt, das den ungeeigneten Bedingungen angepasst worden ist. Sowohl die Ruhr.2010 GmbH, Betreiber der Kampagne ‚Metropole Ruhr‘, als auch die ehemalige Landesregierung haben auf eine Durchführung gedrungen. Für die Sicherheit zu sorgen, lag fraglos bei der Duisburger Genehmigungsbehörde und dem privaten Veranstalter: Diese Verantwortung ist ihnen nicht zu nehmen. Zu den Rahmenbedingungen der Loveparade gehörte jedoch auch ein von außen produziertes Drängen. Fritz Pleitgen sah sich als Geschäftsführer der Ruhr.2010 GmbH veranlasst, seine moralische Mitschuld öffentlich (ZDF, 29.07.10) einzugestehen. Eine regionale Planung der Loveparade hätte völlig anders verlaufen können: Duisburg wäre aufgrund der ungeeigneten Bedingungen als Ausrichtungsort kaum in Betracht gezogen worden, unabhängig von einem lokal herrschenden Ehrgeiz. Alternativen hätte es in der Region gegeben.

      Das Ruhrgebiet benötigt sowohl für die weitere Entwicklung als auch zur Vermeidung zukünftiger Katastrophen einen politischen Raum. Ohne ein gemeinsames politisches Planen und Gestalten würde die Region ein in sich zerrissener Ballungsraum bleiben, der den gestellten Aufgaben nicht gerecht wird. Die Frage nach einer Metropole ist hingegen nachrangig. Zwei Wege, eine regionale Politik betreiben zu können, sind bislang angedacht worden: 1. Eine Verwaltungreform, die das gesamte Bundesland beträfe, 2. die Überantwortung von Aufgaben und Ressourcen der verschiedenen Bezirksregierungen auf den Regionalverband. Der zweite Weg ist unter den derzeitigen Bedingungen leichter zu beschreiten. Auf diesem Weg wäre allerdings zu erörtern, ob die neu zu schaffende politische Institution nicht einer gesonderten politischen Legitimität durch die Bürger der Region bedarf. Als Kommunalverband besonderer Art wäre eine solche Möglichkeit durchaus gegeben. Das Versammlungsgremium des Regionalvebandes nennt sich bereits ‚Ruhrparlament‘. Warum nicht ein echtes Parlament entstehen lassen?

      03 Kann man Aspekte essen?

      Glaubt man zeitgenössischen Sach- und Fachautoren, dann ist die erfassbare Welt voller Aspekte. Sie tauchen als politische, juristische, ökonomische Aspekte, ja sogar als Beziehungsaspekte auf. Offen bleibt jedoch stets, um was es sich handelt. Dieser eklatante Mangel lässt nicht nur an einem fachlichen Niveau der Begriffe zweifeln.

      Dem hohen Verbreitungsgrad nach müssten Aspekte sogar in Wohnküchen vorkommen können. Von alters her sind Worte aspectus verbürgt, auch im Küchenlatein. Ich liebe großzügige Wohnküchen. Sie laden viel eher zum Verweilen ein, als die Schlafwagenatmosphäre der Wohnlandschaften. An meinem Tisch kann man bequem aufrecht sitzen, Gemüse pulen, Fische filetieren und bei Kaffee oder Tee einfach reden. So über Aspekte, um sie, falls dazu geraten werden kann, anschließend in der Pfanne bruzzeln zu lassen, bevor sie anfangen zu faulen und widerlich zu stinken. Sind das nicht außergewöhnlich kurze Wege?

      Rasch sah ich jedoch die Schwierigkeit, angemessene Übersetzungen der vielen Worte Aspekt zu finden. Die bezeichneten Sachen, obgleich sie symbolisch in einer gläsernen Schüssel gelandet waren, blieben undeutlich, irgendwie ver- oder aufgequollen, so als enthielten sie ein mir unbekanntes Treibmittel. Eine Gestalt hätte man nicht in Abrede stellen können, doch irgendeine Gestalt zu haben, sagt wenig, eigentlich gar nichts aus. Mal hätte man vielleicht von einem Kriterium sprechen können, mal eventuell von einem Thema oder Unterthema, mal von einem Merkmal oder von einem Haufen von Haufen von Daten, oder so. Die sprachliche Auszeichnung, Aspekt zu sein, passte ganz und gar nicht zu diesem sonderbaren Wust.

      In den Achtzigern waren noch Punkte sehr beliebt. Sie hätten – munkelte ich während meines Studiums –, von den Krawatten oder Kleidern stammen können, oder von den Tapeten der Arbeitszimmer. Möglich wären auch halluzinogene Erfahrungen gewesen. Fliegenpilze sollen zu famosen Wahrnehmungen verhelfen können.

      Besonders geeignet sind Punkte zur Behauptung von Wahrheiten: Der Punkt ist, dass ... Womit die Nullstelle gefüllt wird, ist dann ziemlich egal. Der Punkt ist die Wahrheit! Punkt. Mit Aspekten wäre ein solches Verhalten hingegen unüblich. Auf Wahrheit legt man es nicht so an. Man setzt sie – würde man sich sonst erläuterungslos äußern –, einfach voraus. Handelt es sich nicht um die Demonstration eines aufgeklärten Umgangs?

      In antiker Zeit hatten Aspekte die Wahrnehmung betroffen, nur sekundär auch Wahrgenommenes. Die sich Äußernden brachten eine besondere Ansicht oder Hinsicht ein. Noch heute ist die Formulierung in dieser Hinsicht geläufig. Ein Fachbegriff wurde jedoch nicht geprägt.

      Heute, so ist zu vermuten, wird neben der Wahrheit auch die Wahrnehmung als selbstverständlich vorausgesetzt, also alles, was irgenwie mit wahr buchstäblich zusammenhängt. Eine Gedankenlosigkeit der Sach- und Fachautoren? Und eine neuropsychische Sprachfäule?

      Und im Magen erst! Wer könnte garantieren, dass diese ominöse Fäule nicht zu Reizen führt, die außer Blähungen – in welche Richtungen? –, auch noch opulente Geschwüre und Durchbrüche produziert? Einen guten Appetit!

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