Mississippi Melange. Miriam Rademacher
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Struktur
4 Vorspann
6 Seitenzahlen im gedruckten Buch
Inhalt
10 Kapitel 10
11 Kapitel 11
12 Kapitel 12
13 Kapitel 13
14 Kapitel 14
15 Kapitel 15
16 Kapitel 16
17 Kapitel 17
18 Kapitel 18
19 Kapitel 19
20 Kapitel 20
21 Kapitel 21
22 Kapitel 22
24 Impressum
Die Personen dieser Geschichte sind frei erfunden und die geschilderten Ereignisse haben in keinem Land der Welt jemals so oder so ähnlich stattgefunden. Wenigstens hofft die Autorin das.
Dänemark gibt es allerdings wirklich.
Kapitel 1
Alle guten Geschichten beginnen in einem Buchladen.
Meine nicht.
Sie begann genau genommen über einem Buchladen, einem staubigen Antiquariat gleich an der Gammelgade gelegen. Manchmal stieg ich die Treppe zu jenem Büchergrab hinunter und arbeitete dort. Immer dann, wenn Lasse Ostvin, der Inhaber, Besseres zu tun hatte, als selbst hinter dem Verkaufstresen zu stehen, und das kam mit zunehmender Häufigkeit vor.
Ich war kein Buchhändler. Aber das machte nichts, denn das Antiquariat war auch eher eine Sammelstelle für zerlesene Taschenbücher, doch wer würde denn so kleinlich sein?
Weder das Entstauben zerfledderter Strandlektüren noch das Verkaufen machte mir wirklich Freude, aber darauf kam es nicht an. Ich arbeitete dort nicht zum Spaß, ich arbeitete für Geld, und zwar aus dem einzig wahren Grund: Ich brauchte es zum Leben. Daher stand ich nicht nur gelegentlich für Lasse im Antiquariat, sondern schuftete auch für seinen Vetter Piet. Dieser betrieb ein Fitnesscenter in Fußnähe, und dort durfte ich mich an hausmeisterlichen Tätigkeiten versuchen. Ich ersetzte defekte Glühbirnen, reparierte tropfende Wasserhähne und ölte quietschende Foltergeräte. War die stets leidende und stark unterernährte Yogalehrerin mal krank, übernahm ich auch ihren Job. Ich konnte sehr vielseitig sein, wenn es von mir verlangt wurde.
Zu dem Zeitpunkt, als diese seltsame Geschichte ihren Anfang nahm, übte ich etwa fünf oder sechs verschiedene Tätigkeiten aus, um meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Ganz sicher war ich mir über die genaue Anzahl meiner Arbeitsplätze nie, und manchmal hatte ich Angst, meine Arbeitszeiten, Einsatzorte oder Aufgaben zu verwechseln. Nachts träumte ich davon, wie ich potenziellen Käufern im Buchladen eine Meditation aufnötigte, während zur gleichen Zeit im Fitnesscenter alle Glühbirnen durchbrannten. In solchen Nächten wachte ich schweißgebadet auf.
Mein neuester Job war zugleich mein bequemster: Ich zählte die Nutzer der Gammelgade-Bushaltestelle. Um diese Aufgabe hatte ich mich wirklich gerissen, denn die Haltestelle lag genau gegenüber dem Antiquariat und meiner darüber gelegenen Wohnung. So konnte ich alles von meinen Fenstern im ersten Stock aus wunderbar überblicken. Ich betrieb gewissermaßen ein Homeoffice für Erhebungen in öffentlichen Verkehrsmitteln, das konnte mir so schnell keiner nachmachen. Zwischen zwei Bussen schrieb ich noch ein paar fiktive Briefe und tränentreibende Schicksalsberichte für die Daisy, ein Käseblatt, das täglich erschien. Der Bus, der die Gammelgade hinabfuhr, kam nur alle zwanzig Minuten vorbei, ich konnte beiden Aufgaben gleichzeitig gerecht werden. Und wenn ich den Bus und die von ihm aufgenommenen Fahrgäste wirklich einmal verpasste, weil ich mich zu sehr mit einer selbst erdachten Tragödie beschäftigt hatte, erfand ich ein paar realistisch klingende Zahlen für die Statistik. Diesbezüglich kannte ich keine Skrupel. Es war nicht wichtig, ob meine Zahlen korrekt waren, wichtig war, dass die Buslinie durch unseren Vorort erhalten blieb. Wir waren ohnehin schon weit ab vom Trubel Esbjergs, waren eine Randerscheinung am äußersten Zipfel der Stadt. In die Gammelgade verirrten sich nur selten Touristen, zahlreich fanden nur ihre alten Taschenbücher in vorwiegend deutscher Sprache ihren Weg in Lasses Buchladen.
Trotzdem tat man in der Gammelgade alles dafür, um auch am Tourismus zu verdienen. Der mäßige Erfolg tat diesen Bemühungen keinen Abbruch. Für die Touristen taten wir ganz gern so, als sei unsere Haupteinnahmequelle der Fischfang,