Liebe und Tod im Grenzland. Ruth Malten

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Liebe und Tod im Grenzland - Ruth Malten


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den mit Ziegelsteinen zu beiden Seiten eingefassten Mittelweg entlang bis ans Ende, um dann auf dem Rückweg ihr kleines Haus und den ganzen Garten im Blick zu haben.

      Links neben ihnen an der Seite des Kompostes reiften die ersten Reineclouden, grüne, runde Pflaumen, die, bevor sie honigsüß und erntereif waren, Harztropfen hervorbrachten, die an den Früchten herabglitten. Paul schluckte bei dem Gedanken an die saftigen Früchte mit dem außergewöhnlichen Geschmack. Zur Rechten reiften die bäuerlich wuchtigen Tonger-Birnen in warmen Herbstfarben, Ocker, Orange, Dunkelgrün und Rot. Noch waren sie hart. Sie brauchten bis zur Ernte noch einige warme, sonnige Herbsttage. Die Winterkartoffeln wuchsen vielversprechend, sie gediehen prächtig auf dem leichten Sandboden. Der Herrenhuter Apfelbaum hing voller rot-grün gestreifter großer Früchte. Sie konnten bald geerntet werden und würden im Dezember, mit weichem Tuch auf Hochglanz poliert und mit Bindfäden ausgestattet, einen farbenprächtigen Christbaumschmuck abgeben. Sie schäumten beim Hineinbeißen, wenn sie im Keller zur vollen Reife gelangt waren. Unter dem Eva-Apfelbaum im Gras lagen einige Früchte, die Emma und Paul aufhoben. Sie waren von Wespen angestochen, notreif, würden aber schon herrlich munden. Sie waren die kleinen Schönheiten unter den Äpfeln: zart lindgrün mit einem pink-farbigen Bäckchen auf einer Seite, kleine Engelsgesichter kurz nach erquickendem Nachtschlaf, kleine liebliche Köstlinge.

      Sie kamen zu der zweiten Terrassenstufe, die Paul mit einer Natursteinmauer angelegt hatte, um in dem schräg nach hinten abfallende Gartengelände zu verhindern, dass Regen den knappen Mutterboden rückwärtig wegschwemmen konnte. Das Wasserspeichern war bei dem Sandboden eine Herausforderung. Nach jedem Regen versickerte das kostbare Nass viel zu schnell. Dem hatten Paul und Emma mit Torf, selbsterzeugtem Kompost und Dung aus ihrer eigenen Senkgrube entgegengewirkt, und sie würden weiterhin den Boden anreichern mit dem, was einmal jährlich mit eimergroßer Blech-Kelle aus ihrer selbst gefüllten Dunggrube als Gold des Kleingärtners auszuschöpfen und segenspendend zu verwerten war.

      Die andere Terrassenstufe befand sich unmittelbar unterhalb des vorderen Gartenzauns. Hinter dem grün gestrichenen Holzlattenzaun war ein breites Beet angelegt, bestanden mit farbig blühenden Sträuchern, blauem Flieder, Weigelien mit ihren altrosa Blüten, maisgelben Forsythien und cremefarbigem Schneeball. Liebling der Familie eine Spiräe neben dem Gartentor. Bei Regen saugten sich ihre kleinen Blättchen und satten Blütenreihen voll Wasser, mit dem sie Eintretende mit sprühfeiner, breitgefächerter Regentaufe begrüßte, hochwillkommen an gewittrig-heißen Sommertagen.

      Gleich hinter dieser Hecke, einem Blickfang Passanten gegenüber und beliebtes Revier für die Vögel des Gartens, stand die erste Natursteinmauer, einen knappen Meter hoch, mit viel Schweiß, großer Freude am handwerklichen Tun und den vielfältigen Farben der Natursteine von Paul aufgebaut. Emma brachte anschließend nach und nach Stauden vom Gärtner mit oder als Mitbringsel vom einen oder anderen Nachbarn. Zwischen die Ritzen gesteckt, gediehen sie innerhalb kürzester Zeit üppig und wuchsen zu dicken farbigen Polstern heran.

      An der vorderen Hauswand wuchs an einem Holzgestell eine Ranke wilden Weins empor, nach und nach die gesamte Hausfront bedeckend, die sich im Herbst in den schönsten Rottönen färbte und ihrerseits Vögeln Nistgelegenheiten bot. Die gefiederten Freunde aßen die dunkelblauen Beeren frisch im Herbst und zu kleinen Mini-Rosinen eingetrocknet an kalten Wintertagen.

      Auf der rückwärtigen Hausseite mit dem großen Wohnzimmerfenster zum kleinen Hof hin stand die Teppichklopfstange, gut zum Turnen für die Kinder, für Klimmzüge und Aufschwünge.

      Der Hof schloss ab mit einem Drahtzaun zum Doppelhaus-Nachbarn, den Großeltern Hermine und Gustav. An diesem Zaun hatte Ute, die vierjährige Jüngste, ein eigenes Beet. Sie durfte hier alles selbst entscheiden. Sie wünschte sich Lilien. Emma hatte ihr geholfen, die Lilienzwiebeln fachmännisch, einen halben Meter tief, auf Sand einzugraben und dann viel zu gießen. Ute war entzückt über die großen, wundersamen Blüten, die aus diesen unscheinbaren Zwiebeln emporsprossen. Radieschen-Samen hatte sie ferner ausgewählt, rote, längliche Zeppeline mit weißen Spitzen. Oft kontrollierte sie am oberen Blätterschaft, wie groß ihre roten Lieblinge schon waren. Drei Monatserdbeerstauden hatten auf ihrer Wunschliste gestanden, die bis Oktober kleine, hocharomatische Früchtchen hervorbrachten.

      „Mehr braucht ein Mensch eigentlich nicht“, sagte Emma, als sie noch einmal über ihren Garten schauten, in dem alles wuchs, in dem sie viele Stunden im Jahr verbrachten mit Arbeit, die Glück vermittelte, eine besondere Art von Glück, Glück mit Langzeitwirkung. Jede Woche ist irgendwas anders: etwas sprießt aus dem Boden, etwas anderes kann geerntet werden und im Winter stehen im Keller Einmachgläser in Reih und Glied, gefüllt mit Marmeladen, Gurken, Gemüse, Kartoffeln in einer Schütte, ein großes Fass mit Holzdeckel und Wasserrinne, gefüllt mit geraspeltem Weißkohl, in Gärung begriffen, um herrliches Sauerkraut zu werden. Möhren in einem sandgefüllten Steinkrug, die auch im Winter noch frisch gegessen werden konnten. Das eigene Gemüse war eine große Hilfe bei ihrem Bemühen, regelmäßig ihre Raten für das Haus zu überweisen. Sie kamen voran. Auch das machte sie zufrieden.

      „War das nicht eine enorm gute Idee von mir, vor vier Jahren, als du aus der Kur zurückkamst, zu entscheiden, dass wir das Haus kaufen sollten?“, fragte Paul und legte Emma den Arm um die Schulter. „Es war die genialste Idee, seit wir verheiratet sind, Paul, du autoritärer Wahnsinniger! Ich habe eine Waschmaschine, teilmechanisch, sie kurbelt an meiner Stelle, die Miele-Presse quetscht das meiste Wasser aus den schweren Teilen. Vor der Wäsche kann ich die Wäsche zum Bleichen auf die Wiese legen, vorab in Bleichsoda eingeweicht und quasi vorgewaschen. Später hänge ich den ganzen Salat auf die Leinen im Garten, Sommer und Winter, alles gut durchlüftet. Im Winter steifgefroren, standfeste Wäsche sozusagen. Ich muss nicht mehr von morgens früh bis abends spät endlos viele Treppen erklimmen, wenn ich in Keller, Waschküche oder auf den Boden will. Ich muss auch nicht mehr mit den Kindern spazierengehen. Ute spielt gern in ihrer Sand-Ecke oder bei ihrer Freundin Bea in deren Sandkasten. Die Großen haben Freunde, spielen draußen auf der Straße, auf der nur ein Auto verkehrt, das des Großvaters Gustav, und die Kinder müssen nicht Rücksicht auf Straßenverkehr nehmen. Hinter den Häusern sind Wiesen und Äcker.“

      Gegenwärtig machen sie Stoppelschlachten auf den abgeernteten Getreidefeldern, das heißt, sie reißen Büschel der Getreidestrünke mitsamt Wurzeln aus und bewerfen sich damit. Abends sehen sie aus wie zweibeinige Ferkel. Zwar müssten die Haare täglich gewaschen werden, aber den Umstand macht sich hier keiner. So sind auch in den Betten Sandspuren, auf den Betten, den Treppen, den Teppichen. „Warum eigentlich nicht?“, sagt Emma. „Kinder, die nicht in Watte gepackt werden, sind gesünder.“ Die Fakten geben ihr recht. Baden, Haare-Waschen inbegriffen, ist am Samstag angesagt. Bade-Fest in der Zinkwanne in der Waschküche. Nach jedem Badegang wird Seifenschaum abgeschöpft und ein Töpfchen frisches, heißes Wasser für den Nächsten nachgeschüttet. Spaß macht es auf jeden Fall. In der Woche reicht die Schüssel in der Küche für Gesicht, Hände und Füße.

      „Was für ein gutes Leben wir haben“, sagt Emma und umfasst Paul, dankbar für alles, was sie vor sich sehen und gemeinsam erlebt haben, seit sie vor neun Jahren geheiratet haben. „Ja, meine Emma“, bestätigt Paul.

      „Komm, ich zeig dir mal was Schönes.“ Emma zieht Paul hin zu ihren beiden Lieblingen. Rechts und links vom großen Wohnzimmerfenster zum Hof hin, haben sie kurz nach ihrem Einzug je einen Weinstock angepflanzt. Die Ranken reichen bis zur Dachrinne und werden von einem Holzgestell gehalten. In diesem Jahr tragen beide Weinstöcke zum ersten Mal. Die Trauben sind zwar noch grün, aber Emma zupft einige goldgrüne Beeren einer Traube vom linken und steckt sie Paul in den Mund. Paul verzieht zwar unwillkürlich sein Gesicht Richtung sauer, dann kaut er andächtig die Beeren und spürt ihrem Aroma nach: „Wie wunderbar“, sagt er schließlich, „wer hätte das gedacht! Der Versuch hat sich gelohnt. Und Du, mein Mädchen, kommst an deine heißgeliebten Weintrauben.“ Emma zieht Paul zur anderen Seite: „Diese hier sind rund, noch dunkelgrün, haben große Trauben, brauchen aber noch länger.“ Eine Hand unter einer Traube sagt sie, stolz lächelnd: „Schau dir das an, wie riesig!“

      Paul muss noch arbeiten, wie an den meisten Sonntagen. Emma hat vor, mit Ute und Sportwagen zu den Bleichen zu gehen, einem kleinen Hof Richtung Stadt, nahe der Neiße, wo ein Wurf junger Boxer angekommen sein soll. Sie will sie nicht


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