Dialektik des geisteswissenschaftlichen Universums. Horst-Joachim Rahn
Читать онлайн книгу.Schweitzer den wissenschaftlichen Bezug: „Die Wissenschaft, richtig verstanden, heilt den Menschen von seinem Stolz, denn sie zeigt ihm seine Grenzen.“168 Oder in anderer Sicht: „Je größer der Mann, desto geringer der Stolz“ (C.F. Hebbel).
2.5.2 Geiz
Der Geiz ist die zwanghafte oder übertriebene Sparsamkeit eines Menschen. Der Geizige ist unfähig, Güter mit anderen zu teilen und unterliegt der Habgier bzw. der Erhaltung und Vermehrung seines Besitzes. Es wird auch vom Pfennigfuchser, Geizhammel und Rappenspalter gesprochen. Das Schicksal von armen Menschen interessiert ihn leider überhaupt nicht. Der Geizige lebt karg und gönnt sich für sein eigenes Leben fast nichts. Vielmehr erfreut er sich am permanenten Anhäufen von Kapital und von Habenzinsen: „Der Geiz hat den Ehrgeiz, immer mehr Geld auf seinem Konto zu horten“ (unbekannt). Merke: „Wer mit einem Geizhals verheiratet ist, hat kein schönes Leben.“* Die Wurzeln dieses Verhaltens liegen wohl schon in der Kindheit. Es kann auch in der Erziehung durch Lernvorgänge bedingt sein. „Wer geizige Eltern hat, wird dadurch stark beeinflusst und verinnerlicht diese Haltung.“* Auch: „Der Geiz wächst mit dem Gelde“ (Sprichwort). Er zählt als Untugend im Christentum zu den 7 Todsünden. Die Nähe zum Neid ist unverkennbar: „Geiz und Neid hausen unter einem Dach“ (aus Sizilien). Das Gegenteil von Geiz ist die Mildtätigkeit.
► Pro-Argumente: Zwischen Geiz und Sparsamkeit sind die Grenzen fließend.169 Wer zu übertriebener Sparsamkeit neigt, findet Geiz gar nicht so schlimm: „Geiz ist geil!“ (Werbespruch). Und fügt schnell hinzu: „Der Geiz ist etwas ausschließlich Menschliches“ (O. Gildemeister). Trotzdem: „Viel Geld zu besitzen und reich zu sein, ist etwas Wunderbares!“ (unbekannt). „Wenn nicht gespart wird, dann ist kein Geld für Kredite da!“ (unbekannt). Und: „Die Volkswirtschaft braucht sparsame Menschen!“* Auch postuliert der Geizige unehrlich: „Ich spare für meine Familie, damit ihr es später besser geht.“ Es ist wohl wahr: „Der Geiz sucht Gründe für seine Sparsamkeit“ (M.M. Jung).
► Contra: Der Geizige gönnt sich selbst und anderen nichts: „Das größte Vergnügen aller Geizhälse besteht darin, sich ein Vergnügen zu versagen“ (G. Benn). Und: „Nichts zu geben findet der Geizige immer Ursache“ (Sprichwort). Es ist kaum zu glauben, aber wahr: „Dem Geizigen ist es sogar um das Wasser leid, mit dem er sich wäscht (T.M. Plautus). Übertriebene Sparsamkeit eines Menschen ist von Übel: „Geiz ist das Futter der Gier“ (S. Schütz). Auch gilt: „Geiz ist ein kranker Geist“ (M. Hinrich). „Der Geiz hat den Ehrgeiz, viel Geld auf seinem Konto zu haben.“* Medizinisch ausgedrückt heißt das: „Wenn ein Geizhals Geld ausgibt, verliert er Blut“ (aus Polen). So sind die Folgen offensichtlich: „Geiz zerstört Körper und Seele“ (aus Abessinien). Und auch: „Geiz macht ein Herz aus Stein und Erz“ (Sprichwort). Auf einen Werbespruch entgegnet A. Selacher: „Geiz ist geil? Geiz macht impotent.“ Großzügigkeit ist für den Geizigen ein Fremdwort: „Mancher Geizkragen hält sich schon für großzügig, wenn er den Sonnenschein mit anderen teilt“ (W. Meurer). Dazu eine kurze Geschichte.
Der Philosoph Franz von Baader weilte auf dem Gutshof seines Freundes Boris v. U., der als sehr geizig bekannt war und vor allem die Bettler hasste. Nun stand ein sehr alter, zerlumpter Mann vor dem Philosophen und fragte: „Sie sind doch der bekannte Philosoph Professor Franz von Baader, aus Bayern stammend?“ „Ja doch!“ „Sie haben ein bedeutendes Werk über Vermögenslose geschrieben, haben Sie eine milde Gabe für mich?“ Der Philosoph sagte: „Ich habe selbst nicht viel, aber mein guter Freund Boris wird sich vielleicht erkenntlich zeigen!“ Der Hausherr Boris kommt hinzu und rief voller Entsetzen: „Ein Bettler, ich gebe nichts! Raus!“ „Sie sind sehr liebenswürdig“, sagte der Bettler: „… möge es Euch ergehen wie Abraham, Isaak und Jacob!“ Boris meinte erstaunt: „Ein Schnorrer, aber höflich ist er!“ „Höflich?“ meinte der Bettler: „Was ich Euch wünsche ist, dass Ihr umherirrt wie Abraham, blind werdet wie Issak und hinkt wie der unselige Jacob!“
► Conclusio: Manche Geizige wurden mit ihrem Geiz sehr reich, andere haben sich zugrunde gerichtet.170 Kein Mensch möchte als geizig gelten, denn geizige Menschen sind in der Regel nicht beliebt: „Geizhals und Glück werden sich niemals kennen lernen“ (B. Franklin). Der Geiz trennt Paare und er lässt Freundschaften auseinander gehen. Denn: „Geiz ist die Wurzel allen Übels“ (Timotheus 6,10). Wenn Frauen heute auf Partnersuche sind, dann sehen sie den Geiz als die unbeliebteste Eigenschaft bei Männern. Befragungen zeigen, dass die Hälfte der Männer auch keine geizige Frau heiraten möchte. Bei diesem Phänomen sind die Übergänge zwischen Sparsamkeit und Geiz fließend. Der Geizige selbst leidet nicht unter dieser negativen Eigenschaft, sondern er freut sich an seinem Geld. „Wer den Geiz auf die Spitze treibt, kommt nicht umhin, sich in totaler Konsumverweigerung zu ergötzen“ (J. Wilbert). „Geiz beginnt, wo die Armut aufhört“ (H. de Balzac). „Man kann sich keine Niederträchtigkeit denken, deren ein Geizhals nicht fähig wäre“ (A.F. von Knigge). „Viel versprechen, wenig geben, lässt den Geizhals in Frieden leben (aus Flandern).“ „Einen Geizhals kann man aber nicht ändern: man muss ihn nehmen, wie er ist.“* Die gute Seite dabei ist:
„Geiz ist das einzige Laster, das sich in den Augen der Nachkommen in eine Tugend verwandelt“
(Martin Held)
Deshalb gilt: „Geizhälse sind die Plage ihrer Zeitgenossen, aber das Entzücken ihrer Erben“ (Th. Fontane). Und: „Des Geizhalses einzige Wohltat ist sein früher Tod“ (aus Bulgarien). Am Ende kann aber keiner etwas mitnehmen: „Jedenfalls hat es keinen Sinn, der reichste Mann auf dem Friedhof zu sein“ (P. Ustinow).
2.5.3 Eitelkeit
Die Eitelkeit ist dasjenige Wohlgefallen des Menschen an sich selbst, das sich auf vermeintliche Vorzüge vor anderen stützt und im Unterschied zum Stolz diese Vorzüge von den andern unbedingt anerkannt wissen will.171 Beispielsweise die Sorge um die Schönheit, um die geistige Vollkommenheit bzw. um das eigene Aussehen. Dabei sind die Grenzen zwischen der natürlichen Freude am eigenen Körper und der übertriebenen Sorge um die eigene Attraktivität fließend. Wir können als normale Eitelkeit die persönliche und die nationale Eitelkeit unterscheiden. Der überzogen eitle Mensch ist sehr stark von seinen vermeintlichen Vorzügen überzeugt und stellt sie häufig zur Schau. Übertriebene Eitelkeit ist eine Untugend. Das Gegenteil von Eitelkeit ist eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber der eigenen Person bzw. gegenüber Nationen. Man kann nun die Frage aufwerfen: „Ist Eitelkeit ein verwerfliches Laster oder eine fördernde Kraft?“172 Sie hat wohl von beidem etwas:
► Thesen: „Eine gewisse Eitelkeit ist menschlich“* . „Ohne die Eitelkeit wäre die Welt nur halb so schön“ (F. Löchner). Das gilt vor allem für bestimmte Künstler: „Musiker sind nicht eitel, sie bestehen aus Eitelkeit“ (K. Tucholsky). Treffend: „Eitle Fernsehjournalisten halten sich selbst für mindestens ebenso bedeutend wie ihre prominenten Interviewpartner“ (E. Probst). Aber: „Große Eigenschaften entschuldigen kleine Eigenheiten“ (Wiliam Penn). Für den Alltag gilt: „Wem sein Aussehen ganz egal ist, mit dem stimmt etwas nicht“ (unbekannt). Für das Besondere und Große gilt: „Glanz und Gloria, Triumph der Eitelkeit (O. Baumgartner-Amstad). Oder für den Sport gilt: „Medaillenspiegel: Attribut nationaler Eitelkeit“ (A. Eilers). Und: „Wenn der Ehrgeiz als Zwerg zur Welt kommt, nennt man ihn Eitelkeit“ (unbekannt).
Interessant ist auch folgende Meinung: „Der Mensch hat es so gern, wenn man über ihn spricht, dass ihn sogar eine Unterhaltung über seine Fehler entzückt“ (A. Maurois). Wie lässt sich übertriebene Eitelkeit erkennen? „Selbsterkenntnis behütet dich vor Eitelkeit“ (M. de Cervantes-Saavedra). Auch gilt: „Macht und Eitelkeit machen uns beredt“ (Ch. von Schweden). Außerdem: „Die Eitelkeit ist die Höflichkeits-Maske des Stolzen“ (F.W. Nietzsche). Etwas vermessen ist folgende Feststellung: „Eitelkeit ordnet Lebensglück gern der eigenen Intelligenz zu“ (M.M. Jung). Oft gilt im Leben: „Den