Dialektik des geisteswissenschaftlichen Universums. Horst-Joachim Rahn

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Dialektik des geisteswissenschaftlichen Universums - Horst-Joachim Rahn


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Livland).

      ▪ „Je mehr er hat, je mehr er will. Nie schweigen seine Klagen still“ (J.M. Miller).

      Körperliches Begehren reicht für das Gelingen einer guten Partnerschaft nicht aus. Vergessen wir nicht, dass in Deutschland etwa ein Drittel aller Ehen geschieden werden. In den Großstädten soll es schon mehr als die Hälfte sein. Hier kann durchaus von einer Krise des Begehrens201 gesprochen werden.

      ► Zusammenfassung: Das zehne Gebot in der Bibel lautet: „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weibes und Besitzes“ (2. Mose 20,17). Aber menschlich ist: „Zu dem Verbotenen neigen wir stets und begehren Versagtes“ (Ovid). Dabei sollten wir andere Menschen aber nicht unglücklich machen: „Ehe man etwas begehrt, soll man das Glück dessen prüfen, der es besitzt“ (La Rochefoucauld). Eine wichtige Erkenntnis ist: „Des Glückes größter Feind ist die Begierde“ (E. Gött). Und: „Sündigen heißt, sich dem Leben hingeben“ (B. Steiner). Dieses Bestreben ist wohl unendlich: „Die Natur des Menschen ist so wesentlich auf das Bedürfen und Wünschen angelegt, dass jedes befriedigte wirtschaftliche Bedürfnis in unendlicher Folge neue weckt“ (H. von Treitschke). Und man ist nicht immer sich selbst gegenüber ehrlich: „Manch einer, der vor der Versuchung flieht, hofft doch heimlich, dass sie ihn einholt“ (G. Guareschi). Dazu Franz Grillparzer: „Ei, wer den Kelch der Weltlust nie versucht. Der weist vielleicht ihn von den trocknen Lippen. Doch wem’s einmal gelang daran zu nippen. Der ist zu ew’gem Trinken auch verflucht.“ Das Begehren wird dann immer stärker: „Wie wertvoll ein Ding ist, hängt davon ab, wie sehr wir es begehren“ (A. Maggauer-Kirsche). Ein Menschenkenner hat sich hinsichtlich des Reichtums so ausgedrückt:

      „Der Reichtum gleicht dem Seewasser: Je mehr man davon trinkt, desto durstiger wird man“

       (A. Schopenhauer)

      „Wer alles begehrt wird unzufrieden.“* Plutarch sagt zu diesem Thema: „Wer wenig bedarf, der kommt nicht in die Lage, auf vieles verzichten zu müssen.“ Auf der anderen Seite: „Wer keine Wünsche mehr hat, der ist ein armer Kerl.“* Aus Frankreich stammt: „Wünschend bereichert sich keiner.“ Zum Schluss: „Um glücklich zu sein, ist es nicht nötig, mehr zu besitzen, sondern weniger zu begehren“ (P. Bosmans).

      Der Egoismus ist eine Handlungsweise des Menschen, bei der die Verfolgung eigener Zwecke vor anderen Zwecken als das zentrale Motiv gesehen wird.202 Es geht hier um Antriebe und selbstsüchtige Strebungen: „Ein Egoist ist ein unfeiner Mensch, der für sich mehr Interesse hat als für mich“ (A. Bierce). Dabei sind Hartnäckigkeit, Zielstrebigkeit und Unermüdlichkeit nicht mit dem Egoismus identisch: „Beharrlichkeit wird zuweilen mit Eigensinn verwechselt“ (A. von Kotzebue). „Das Gegenteil vom kranken Altruismus ist und bleibt: „gesunder“ Egoismus“ (A. Selacher). Biologisch gesehen beruht der Egoismus auf dem Selbsterhaltungstrieb. Verwerflich wird er, wenn er sich im Geltungs- und Machtstreben zur Selbstsucht und Rücksichtslosigkeit steigert. Überzogener Egoismus ist auch ein Problem der Interessengruppen in unserer Gesellschaft.203 Das Gegenteil vom Egoismus ist der Altruismus (Selbstlosigkeit).

      ► Pro: In unserer heutigen Leistungsgesellschaft ist ein „gesunder“ Egoismus zum Überleben notwendig: „Auf ein Ziel gerichtet, ist er ein weiser Egoismus“ (P. Mulford). In diesem Sinne gilt: „Egoismus ist Drang zum Dasein und Wohlsein“ (A. Schopenhauer). Der bekannte Künstler S. Dali ergänzt: „Wer heute Karriere macht, muss schon ein wenig Menschenfresser sein.“ Auch Sport lebt der Egoismus: „Die Meisterschaft gilt oft für Egoismus“ (J.W. von Goethe). Man kann auch Bezug zum Theater nehmen: „Auf der Bühne des Lebens heißt der Souffleur meistens Egoismus“ (unbekannt). Auch in der Kindererziehung spielt er eine Rolle: „Egoismus der Eltern artikuliert sich gern in rücksichtsloser Förderung der eigenen Kinder.“ Dann verwundert folgendes nicht: „Kindergesichter zeigen schnell den Egoismus, den sie von ihren Eltern geerbt haben“ (M.M.Jung). Und zum Nachdenken: „Satire ist eine Art von Spiegel, in dem der Betrachter fast jedermanns Gesicht erkennen kann, außer dem eigenen“ (J. Swift).

      ► Contra: Demgegenüber ist kranker Egoismus verwerflich: „Der Egoismus ist des Menschen größter Fluch“ (W.E. Gladstone). Oder anders gesagt: „Egoismus: Ein kleiner Größenwahn“ (W. Mocker). Egoisten kennen nur sich und ihre eigenen Interessen: „Der Egoismus besteht darin, sein Glück auf Kosten anderer zu machen“ (J. Baptiste H. Lacordaire). Die Folgen des kranken Egoismus sind offenbar:

      ▪ „Egoismus ist Einsamkeit“ (F. von Schiller).

      ▪ „Egoismus: Die Leere vom Du“ (H.J. Quadbeck-Seeger).

      ▪ „Wer sich selbst zu wichtig nimmt, menschlich immer tiefer sinkt.“*

      ▪ „Niemand applaudiert dem, der etwas für sich tut“ (E. Pannek).

      ▪ „Der Egoismus kann viel in der Welt erreichen, nur nicht einen guten Leumund“ (E.J. Jonas).

      ▪ „Das Geld zieht nur den Eigennutz an und verführt stets unwiderstehlich zum Missbrauch“ (Einstein).

      ▪ „Nur wer an sich denkt, geht an sich kaputt“ (B. Steiner).

      ▪ „Mangelhafte Gesundheit und Einsamkeit sind der Preis für grenzenlosen Egoismus.“*

      ▪ „Egoismus ist die Klippe, an der jede Freundschaft zerschellt“ (L. Tieck).

      Der englische Dichter S.T. Coleridge drückt es n.m. A. zu milde aus: „Egoismus ist die Zärtlichkeit der Ellenbogen.“ Ich möchte es gern härter sagen: „Kranker Egoismus favorisiert die Rücksichtslosigkeit des Ellenbogens.“* Typisch für den Egoisten ist: „Der Mensch kennt ein Hauptwort nur, und das heißt ich“ (J.N. Nestroy). Der große deutsche Dichter T. Fontane sagt es pfiffig: „Manche Hähne glauben, dass die Sonne ihretwegen aufgeht.“

      ► Conclusio: Die Bewertung des Egoismus ist gar nicht so einfach: „Alle denken nur an sich – nur ich denk an mich“ (C.M. Schulz). Der deutsche Jurist R. von Ihering bringt es auf den Punkt: „Nicht der Egoismus als solcher ist unsittlich, sondern das Übermaß desselben.“ Die Literatur reicht von für mich nicht hilfreichen Versuchen seiner Befürwortung204 bis hin zur Ablehnung.205 „Mit der Verherrlichung des Egoismus und der Ignoranz seiner potentiellen Nachteile helfen wir unserer Gesellschaft in keiner Weise.“* „Ein „gesunder“ Egoismus ist heute zweifellos für das Überleben in unserer Gesellschaft notwendig, aber kranker Egoismus ist verabscheuenswert.“* Aber auch die totale Selbstlosigkeit ist nicht die Lösung. Deshalb gilt grundsätzlich:

       „Wer den Altruismus übertreibt, wird ebenso untergehen,

       wie derjenige, welcher der Ichsucht verfällt“

       (Horst-Joachim Rahn)

      „Der Egoismus ist oft das Gitter, das uns den Weg zum Du verschließt“ (A. Rademacher). Darüber hinaus sind große Gesellschaftssysteme in die Betrachtung einbeziehbar: „Weder Kapitalismus noch Sozialismus sind das wichtigste „ismus“-Problem: es ist der Egoismus“ (W.J. Reus). Typisch: „Man kann nicht allen helfen, sagte der Engherzige und hilft keinem.“ Und wieder zum Nachdenken: „Der Umgang mit einem Egoisten ist darum so verderblich, weil die Notwehr uns allmählich zwingt, in seinen Fehler zu verfallen“ (M. von Ebner-Eschenbach). „Deshalb ist Egoismus sehr ansteckend.“* Zum Schluss die weisen Worte von Martin Luther King: „Jeder muss entscheiden, ob er im Licht der Nächstenliebe oder im Dunkel der Eigensucht leben will.“

      Die Leidenschaft ist ein starker Antrieb, der als übermäßiges Begehren das Fühlen und Handeln eines


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