Dialektik des geisteswissenschaftlichen Universums. Horst-Joachim Rahn

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Dialektik des geisteswissenschaftlichen Universums - Horst-Joachim Rahn


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Devote trägt den Hintern höher als den Kopf“ (E. Klepgen). Der Begriff Anpassung ist eng mit dem Lernen verwandt. Bei einfachen Verhaltensverstärkungen wird von Sensitivierung gesprochen und das Gegenteil ist die Gewöhnung. Die sensible Anpassung ist im Leben notwendig, ist andererseits aber als Totalanpassung gefährlich, wie es uns auch unsere deutsche Geschichte leider gezeigt hat: „Wer mit dem Strom schwimmt, schwimmt bergab“ (unbekannt).

      ► Thesen: „Jedermann hat sich zu bemühen, sich den Menschen anzupassen“ (Th. Hobbes). Warum? „Sensible Anpassung an die Mitmenschen macht uns Menschen das Leben leichter.“* Wir alle suchen Geborgenheit: „In der Umgebung von Menschen, die uns akzeptieren, fühlen wir uns sicher und geborgen. * Dabei gilt: „Anpassungsfähigkeit und Disziplin wachsen auf einem Holz“ (unbekannt). Das gilt sowohl für ältere als auch für jüngere Menschen. „Manche Schüler haben Probleme in der Schule, deren Folgen sich später im Beruf als sehr hinderlich erweisen. Deshalb ist es für junge Menschen wichtig, dass sie lernen, sich dem Druck der Schule bzw. der Ausbildung anzupassen.“* Das ist viel leichter gesagt als getan. Für das Agieren in einer Gruppe gilt: „Wer nicht bereit ist, sich anzupassen, kann schnell zum Außenseiter werden.“* „Wer es gelernt hat, nicht anzuecken, hat größere Entwicklungschancen als ein Quertreiber!“* Zum Schluss: „Die Fähigkeit der sensiblen Anpassung hat nichts mit Speichellecken zu tun!“*

      ► Dem stehen folgende Antithesen gegenüber: Totalanpassung ist falsch, denn vor allem, wenn es in der Gesellschaft ungerecht zugeht, sollten wir uns wehren: „Manche Gegebenheiten dürfen wir nicht einfach hinnehmen, sondern müssen uns entrüsten.“229 „Wer Widerstand zeigt, dient eher dem Fortschritt. Mitläufer sein ist einfach, begründet dagegen zu sein, ist schwieriger.“* Es darf auf jeden Fall nicht so weit kommen, dass man sich selbst aufgibt: „Reine Anpassung kann zur Selbstaufgabe der eigenen Persönlichkeit führen“ (Praxisweisheit). Wer persönliche Wünsche und die eigene Meinung ständig unterdrückt, kann krank werden. Mitunter ist mancher in seinem Widerstand anmaßend: „Angemaßte Größe ist oft die Ursache von Unzufriedenheit“ (U. Löchner). Auch gilt: „Nur Lebendiges schwimmt gegen den Strom“ (K.H. Deschner).

      ► Synthese: Die Forderung nach Anpassung oder Sozialisation beginnt bereits beim Kleinkind in der Familie, setzt sich beim Jugendlichen und später im Privat- und Berufsleben fort. E. Ferstl stellt fest: „Anpassung fördert allerdings den Drang, zu verdrängen.“ „Wer überhaupt nicht anpassungsbereit ist, wird im Regelfall scheitern.“* Und es gilt: „Wer nicht mit den Wölfen heulen will, muss mit den Krokodilen weinen“ (U. Erckenbrecht). Zum Nachdenken: „Die Anpassung ist die kleinste Form der Lüge“ (F.P. Rinnhofer).

      Anpassungsfähigkeit braucht man auch im Ausland: „Wenn du in der Fremde bist, singe nicht allein, sondern im Chor“ (aus Afrika). Jeder sollte sich mit diesem Thema und mit den Regeln der jeweiligen Gesellschaft auseinandersetzen und kritisch abwägen, wann es nötig ist, sich anzupassen und wann Widerstand angebracht ist. Die Frage nach Anpassung und Widerstand stellt sich vor allem in der Politik.230 Man kann es auch nicht allen recht machen wollen:

      „Wer es allen anderen recht machen will, kommt nicht weiter. Er dreht sich im Kreis“

       (E. Ferstl)

      Es liegt wohl in unseren Genen verankert, ob wir eher angepasst sind oder zu Widerstand neigen. Auch die Erziehung spielt dabei eine große Rolle. Die Gesellschaft benötigt schon immer Menschen, die sich nicht einfach in die Norm einfügen und sich mit einem Durchschnittsverhalten begnügen. Aber: „Widerstand hat grundsätzlich gewaltfrei zu erfolgen.“*

      Der Mensch darf nicht immer den Weg des geringsten Widerstands gehen und darf sich nicht zum reinen „Ja-Sager“ ohne eigene Meinung entwickeln, nach dem Motto: „Hat der Herr den Schnupfen, so niesen die Knechte“ (Deutsches Sprichwort). Wir Menschen müssen uns vor allem zu den bewährten Prinzipien bekennen, auch wenn das anderen Menschen nicht passt. „Jeder Mensch muss für sich selbst einen angemessenen Weg zwischen der Anpassungsfähigkeit und dem Widerstand finden.“* „Nur wer seine eigenen Kräfte richtig einschätzt, wird Veränderungen bewirken können.“* Und zum Schluss zum Nachdenken: „Wer sich nicht anpassen will, muss die Welt verändern. Wer die Welt verändern will, muss sich anpassen“ (W. Mocker).

      Kritik ist die Beurteilung einer Person, Sache bzw. eines Systems. Der Begriff der Kritik hat eine lange Geschichte, u. a. gibt es interessante Beiträge von Kant, Fichte, Hegel und Marx.231 „Kritisches Verhalten ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Lebens.“* Als Führungsinstrument ist Kritik als Lob oder als Tadel einsetzbar.232 Sie ist eine Grundform der Vernunft bzw. ein Wesensmerkmal der Urteilsbildung und auch eine Auseinandersetzung mit Handlungen, Handlungsnormen und -zielen, z. B. als Literatur-, Theater-, Spiele-, Musik- und Filmkritik. Es gibt außerdem Selbstkritik und Fremdkritik. Auch Karikaturen können Ausdruck von Kritik sein: „Kritische Karikaturen zeigen den politischen Pulsschlag der Zeitgeschichte“ (A. Dunker). Für kritische Karikaturen gilt: „Auch kein Karikaturist darf die Regeln des Anstands oder tiefreligiöse Empfindungen verletzen.“* Auf den ersten Blick ist die Meinung von H. Körber verblüffend: „Die spitzesten Lanzen werden von den Dünnhäutigen geschleudert.“ Interessant hinsichtlich der Kritik ist auch folgende Auffassung: „Die Zuneigung bestimmt den Blickwinkel“ (L. Peppel). Zur Kritik gibt es Feststellungen, positive Anmerkungen, aber auch negative Aussagen.

      ► Pro: Kritik kann als wesentliches Lebenselement hilfreich sein: „Kritik ist dort angebracht, wo sie hilft“ (V. Frank). Konstruktive Kritik ist allerdings nicht einfach: „Kritik will geübt sein“ (M. Hinrich). Auch die Qualität der Kritik spielt eine Rolle: „In dem Maße wie Wille und Fähigkeit zur Selbstkritik steigen, hebt sich auch das Niveau der Kritik an anderen“ (Ch. Morgenstern). Manche Menschen sind übertrieben kritisch: „Kritik ist lebenswichtig. Für Kritiker“ (E. Blanck). Die Praxis zeigt: „Kritische Menschen teilen gern aus, vertragen selbst aber überhaupt keine Kritik.“* Deshalb gilt schon immer: „Wer stechen will, muss selber stichfest sein“ (A. Grün). Wenn man im Stossfeuer der Kritik steht, dann ist Geduld nötig: „Manchmal muss man Kritik geduldig ertragen.“* Als Reaktion auf Kritik hat Neid überhaupt keinen Platz. Mark Twain mag Kritik nur unter einer Voraussetzung: „Ich liebe Kritik, aber ich muss damit einverstanden sein.“ Otto von Bismarck sagt zu Recht: „Ich bin dankbar für schärfste Kritik, wenn sie nur sachlich bleibt.“ Wirksame Kritik hat ihre positiven Folgen: „Was dich mitnimmt, bringt dich weiter“ (H. Sabo). Zum Schluss: „Konstruktive Kritik sollte uns nicht egal sein, sondern wir sollten uns mit ihr auseinandersetzen.“*

      ► Contra: „Kritik wirkt negativ, vor allem wenn sie unsachlich, destruktiv oder unverschämt ist.“* „Manche Sätze geben ihr Gift erst nach Jahren her“ (E. Canetti). Auch Diffamierungen sind unehrenhaft. „Kritik ist oft nichts anderes als Neid über den Erfolg des anderen“ (M. Mächler). Wir sollten uns darüber klar sein, das Kritik zu weiterer Kritik führt: „Kritik schlägt immer zurück“ (A. Maggauer-Kirsche). Vor allem sehr kritische Menschen sind anfällig für Kritik: „Niemand verträgt weniger Kritik als der Kritiker“ (P. Rosegger). Sie wollen das aber nicht wahrhaben: „Wer keine Kritik verträgt, hört nicht gern, dass er keine Kritik verträgt“ (M. Richter). Auch zur Reaktion auf Kritik gibt es interessante Meinungen:

      ▪ „Wer sich über Kritik ärgert, gibt zu, dass sie verdient war“ (Tacitus).

      ▪ „Wer Kritik übel nimmt, hat etwas zu verbergen“ (H. Schmidt).

      Vor allem gibt es viele Weltverbesserer: „Der Jammer bei den Weltverbesserern ist, dass sie nicht bei sich selbst anfangen“ (M. Twain). „Keiner von uns kann die Welt retten.“* Angemessene Kritik ist auch Kopfsache: „Mittelmäßige Geister verurteilen gewöhnlich alles, was über ihren Horizont geht“ (La Rochefoucauld). Aus der Lebenspraxis gibt es Vergleichsbeispiele: „Die Kritik gleicht einer Bürste. Bei allzu leichten Stoffen darf man sie nicht verwenden, denn


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