Ausgewählte Briefe. Gregor der Große

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Ausgewählte Briefe - Gregor der Große


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innere Gefahr der Meuterei im Heere. Endlich empfehlen wir den Subdiakon Petrus, den wir unter Gottes Beistand zur Verwaltung der Kirchengüter gesandt haben, Ew. Herrlichkeit in Allem.

       IV. (4) An den Bischof Johannesvon Constantinopel.

      IV. Gesammtausgabe 4.

      An den Bischof Johannes4von Constantinopel.

       Inhalt: Gregor beklagt sich, daß der Patriarch seine Bestätigung durch den Kaiser nicht verhindert habe, bittet um sein Gebet und verspricht nächstens seine Synodalepistel zu senden.

      Wenn zur Tugend der Liebe auch die Nächstenliebe wesentlich gehört, wenn uns befohlen ist. den Nächsten zu lieben wie uns selbst, wie kommt es, daß Ew. Heiligkeit mich nicht liebt, wie sich selbst? Denn ich weiß, mit welch’ glühendem Eifer Ihr der Last der Bischofswürde entkommen wolltet; und doch habt Ihr kein Hinderniß in den Weg gelegt , daß mir die gleiche Last aufgebürdet wurde. Daraus ist ersichtlich, daß Ihr mich nicht liebt, wie Euch selbst, weil Ihr wolltet, daß ich die Last trage, die Ihr Euch nicht wolltet aufladen lassen. Aber weil nun ich Unwürdiger und Schwacher ein altes und von den Wellen arg mitgenommenes Schiff übernommen habe (von allen Seiten dringen ja die Wellen ein, und vom täglichen, heftigen Sturm gepeitscht ächzen schiffbrüchig die morschen Bretter), so bitte ich beim allmächtigen Gott, daß Ihr mir in dieser Gefahr die Hilfe Eures Gebetes zukommen lasset. Denn Ihr könnet mit um so größerer Sammlung beten, je mehr Ihr der Verwirrung und Trübsal, die wir hier zu Lande leiden, ferne stehet. Das Synodalschreiben5 werde ich nächstens zu schicken mich beeilen; denn seit meiner Weihe war ich von vielen und wichtigen Geschäften gedrängt, und den Überbringer dieses Briefes, unsern Bruder und Mitbischof Bacauda, willl ich nicht länger hinhalten.

       V. (5.) An Theoctista, die Schwester des Kaisers.

      V. Gesammtausgabe 5.

      An Theoctista, die Schwester des Kaisers.

       Inhalt: Klage über die Wahl zum Papste.

      Mit welcher Ergebenheit Euch mein Herz verehre, kann ich mit Worten nicht ausdrücken, auch bemühe ich mich nicht, Dieß kund zu geben; denn auch wenn ich schweige, könnt Ihr in Eurer eigenen Seele lesen, was Ihr von meiner Ergebenheit zu halten habet. Ich wundere mich aber, daß Ihr Eure längst bewiesene Gunst für mich gerade bei Gelegenheit der Übernahme dieses Hirtenamtes verschwendet habet, wodurch ich doch nur unter dem Vorwand der bischöflichen Würde in die Welt zurückgeführt und mit so vielen irdischen Sorgen belastet worden bin, wie ich sie als Laie nie gehabt zu haben mich erinnere. Denn ich habe die erhabenen Freuden meiner Einsamkeit verloren und innerlich in Verfall gerathen scheine ich nur nach aussen empor gekommen zu sein. Deßhalb beweine ich mich als von dem Antlitz des Schöpfers vertrieben. Denn täglich war ich bemüht, mich über Welt und Fleisch zu erheben, alle nur sinnlichen Vorstellungen von dem Auge des Geistes ferne zu halten und die himmlischen Freuden geistig zu schauen; und da ich nicht bloß mit Worten, sondern mit aller Inbrunst des Herzens nach der Anschauung Gottes verlangte, pflegte ich zu sprechen: „Mein Herz hat zu Dir geredet, dein Angesicht habe ich aufgesucht, dein Angesicht, o Herr, will ich suchen." 6Nichts verlangte, nichts fürchtete ich in dieser Welt und schien mir so gleichsam auf dem Gipfel aller Dinge zu stehen, so daß ich fast glaubte, es sei an mir in Erfüllung gegangen, was der Herr dem Propheten verheissen hatte: „Ich will dich erheben über die Höhen der Erde," 7Über die Höhen der Erde erhebt sich nämlich, wer auch Das, was vor dieser Welt erhaben und herrlich erscheint, mit verachtender Seele von sich stößt. Aber plötzlich bin ich von diesem Höhepunkt durch den Sturm dieser Prüfung herabgeschleudert worden und in Furcht und Zaghaftigkeit gefallen; denn wenn ich auch für mich selbst Nichts fürchte, so fürchte ich doch sehr für die mir Anvertrauten. Von allen Seiten bäumen sich die Fluthen der Geschäfte gegen mich auf und peitschen mich Stürme, so daß ich mit Recht sagen kann: „Ich bin gekommen in die Tiefe des Meeres, und der Sturm hat mich versenkt.“8Nach den Geschäften möchte ich wieder in mein Herz einkehren, aber durch den thörichten Aufruhr der Gedanken gehemmt kann ich es nicht finden. So ist mir mein Inneres fremd geworden, so daß ich nicht der Stimme des Propheten gehorchen kann, welcher spricht: „Kehret in euer Herz zurück, ihr Übertreter;” 9 sondern von thörichten Gedanken gequält kann ich nur mehr ausrufen: „Mein Herz hat mich verlassen." 10Den Reiz des beschaulichen Lebens habe ich geliebt als eine zwar unfruchtbare, aber scharfsichtige und schöne Rachel, die zwar wegen ihrer Ruhe weniger Kinder gebärt, aber um so klarer das Licht erschaut. Aber durch ein verborgenes Gericht ist mir während der Nacht die Lia beigesellt wordcn, das thätige Leben nämlich, und diese ist zwar fruchtbar, aber triefäugig, sie sieht weniger, obgleich sie mehr zu dulden hat. Schon beeilte ich mich, mit Maria zu den Füßen des Herrn zu sitzen und die Worte seines Mundes aufzufassen, unb siehe, da muß ich mit Martha vor der Thüre Dienste leisten und mir mit Vielem zu schaffen machen. Schon glaubte ich, es sei eine Legion böser Geister aus mir ausgetrieben worben, und wollte meine Bekannten vergessen unb zu den Füßen des Erlösers ruhen; da siehe, wird mir gegen meinen Willen und trotz meines Sträubens gesagt: „Kehre in dein Haus zurück und verkündige, wie Großes der Herr an dir gethan!" 11Aber wer vermöchte bei so vielen irdischen Sorgen Gottes Wunder zu verkündigen, da es mir schon schwer fällt, derselben zu gedenken? Ja in dieser Würde bin ich so sehr von zeitlichen Geschäften gedrückt, daß ich mich unter Jenen erkenne, von denen geschrieben steht: „Du hast sie gestürzt, da sie erhoben wurden." 12 Es heißt nicht: „Du hast sie gestürzt, nachdem sie erhoben waren," sondern: „da sie erhoben wurden," denn alle verkehrten Seelen kommen innerlich zu Fall, während sie mit vergänglicher Ehre bekleidet äusserlich sich zu heben scheinen. Die Erhebung selbst ist also ihr Fall und während sie sich an trügerischem Ruhme erfreuen, verlieren sie den wahren Ruhm. Darum heißt es anderswo: „Wie der Rauch schwinden sie dahin." 13Der Rauch verzieht sich nämlich, indem er in die Höhe steigt, breitet sich aus und verschwindet. So geht es, wenn das Leben eines Sünders von zeitlichem Glück begleitet ist; was ihn in seiner Größe zur Schau stellt, das bewirkt auch seinen Untergang. Delßhalb heißt es wiederum: „Mein Gott, mache sie wie ein Rad." 14Das Rad nämlich hebt sich von hinten und fällt nach vorne. Hinter uns aber sind die Güter dieses Lebens, die wir verlassen müssen, vor uns aber die ewigen und dauerhaften Güter, zu denen wir berufen stnd. Deßhalb bezeugt der hl. Paulus: „Ich vergesse, was hinter mir liegt, und strecke mich nach Dem aus, was vor mir liegt." 15 Wenn also ein Sünder im gegenwärtigen Leben emporkommt, so befindet er sich in der Bewegung eines Rades; er fällt nach vorn und steigt von hinten. Denn während er in diesem Leben, welches er verlassen muß, Ruhm erntet, verliert er jenes Leben, welches nach dem gegenwärtigen kommt. Indessen gibt es doch Viele, welche ihre äussern Beförderungen so zu benutzen verstehen, daß sie keinerlei innerlichen Schaden in Folge derselben erleiden. Darum heißt es: “Gott verwirft die Mächtigen nicht, da er selbst mächtig ist.” 16Und Salomon spricht: „Der Verständige kommt an’s Ruder."17Aber für mich ist Dieß schwer, weil es sehr mühsam ist, und was der Geist nicht freiwillig auf sich nimmt, das greift er nicht geschickt an. Sieh’, der allergnädigdte Herr und Kaiser hat befohlen, daß der Affe ein Löwe sein soll. Nun kann man freilich nach seinem Befehl den Affen einen Löwen heissen, aber er kann kein Löwe wirden. Deßhalb muß er alle meine Fehler und Nachlässigkeiten nicht mir, sondern seiner Güte zuschreiben, da er das Amt der Strke einem Schwachen übertragen hat.

       VI. (6.) An den Patricier Narses.

      VI. Gesammtausgabe 6.

      An den Patricier Narses.18

       Inhalt: Klage über die Erhebung zur päpstlichen Würde sammt freundlichen Erwiderungen.

      Da Ihr in erhabener Weise die Süßigkeit der Betrachtung schildert, habt Ihr in mir den Jammer ob meines Verlustes auf’s Neue angefacht; denn Ihr gabt mir zu hören, was ich innerlich eingebüßt habe, während ich ohne Verdienst äusserlich zur höchsten Würde emporgestiegen bin. Wisset, daß ich von solcher Trübsal darniebergebeugt bin, daß ich kaum zu reden vermag; denn die Finsterniß des Schmerzes lagert sich über den Augen


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