Es ist ein fast einstündiger Abendspaziergang nach Hause, auf dem Pfarrer Bardenbrecht sich das Abendgespräch über die kranke Gesellschaft mit dem Mangel an Menschlichkeit und díe 'weggebrochene' Verantwortung in die Erinnerung ruft. Die Referate des Kinderpsychologen Bebenau und des Schuldirektors Schucht haben ihn besonders angesprochen, weil sie in der symptomatischen Auflistung den Nagel auf den Kopf der Zeit getroffen haben. Wie schon das Prinzip 'Freiheit' zusammen mit der Verantwortung geht, so geht mit der Verantwortung auch die Menschlichkeit, die eine 'Mangelware' in den Familien und der Gesellschaft geworden ist. Beide sind krank und in sich zerrissen, als seien sie vom «humanity deficiency virus» befallen.Ünett: «Ich war noch keine zwei Jahre alt, als ich in ein Waisenheim gegeben wurde. Es war nicht klar, ob zu diesem Zeitpunkt meine Mutter noch lebte oder tot war. Jedenfalls fehlte jede Spur von ihr. Die Heimleiterin war eine ältere Frau von kurzer hagerer Gestalt. Sie hatte eine grelle Stimme und schimpfte bei den kleinsten Anlässen, Sie liebte uns nicht und tat ihre Arbeit nicht aus Liebe. Sie tat die Arbeit für Geld, das sie von Privatpersonen und vom Sozialamt jeden Monat bekam. Beim ungewohnten Blick in die Schaufenster mit den Kleidern, Möbeln oder Fahrrädern kam mir das Bild in den Sinn, wie Waisenkinder als Auslage hinter den erleuchteten Schaufenstern nebeneinander sitzen und den Betrachtern von der Straße ihre lächelnden Gesichter entgegenschicken. Denn weggegebene Kinder suchen Eltern und ein Zuhause. Diese Kinder sind zu erwerben, sie warten darauf, aus dem Schaufenster genommen und mitgenommen zu werden.» Auf dem Feld der Diagnosestellung, das für den Psychiater oft ein komplexes, wenn nicht kompliziertes Feld mit seinen Verschichtungen, Stufen und Schrägen ist, kommen die Symptome hinzu, die subtil gesehen, analysiert und bewertet werden müssen, um die Diagnose zu stellen, die einer Revision nicht vorenthalten bleibt, wenn am Gerüst der angereihten und übereinander gesetzten Symptome sich etwas verändert. Björn Baródin, der emeritierte Professor für Psychiatrie, dachte und malte die kranke Menschheit mit den hungernden, weinenden und verkrüppelten Kindern. Er schob den verzweifelten Menschen den psychiatrischen Spiegel unter, um sie aus dem Zwang finsterer Depressionen und den furchtbaren Träumen der Selbstvernichtung zu befreien. Was er auch dachte, der dunkelnde Grauschleier des Zweifels blieb. So liegt die letzte Weiche vor dem Auge, die noch zu stellen ist, damit der Zug der von allen guten Geistern verlassenen Menschheit nicht in die hoffnungslose Endgültigkeit der totalen Finsternis rast.