Karin Bucha ist eine der erfolgreichsten Volksschriftstellerinnen und hat sich mit ihren ergreifenden Schicksalsromanen in die Herzen von Millionen LeserInnen geschrieben. Dabei stand für diese großartige Schriftstellerin die Sehnsucht nach einer heilen Welt, nach Fürsorge, Kinderglück und Mutterliebe stets im Mittelpunkt. Als Käthe Dickhoff aus dem Verwaltungsgebäude der Kerstinschen Fleisch- und Wurstwarenfabriken hinaus in die grelle Sonne tritt, muß sie ein wenig die Augen schließen. Sie ist eine schöne Frau mit dunkelglänzenden Haaren und warmen grauen Augen unter dunklen dichten Wimpern. Ihre Figur gleicht der einer Fünfundzwanzigjährigen, dabei ist Käthe Dickhoff siebenunddreißig Jahre alt und gehört zu dem alten Stamm der Fabrik. Schon als junges Mädchen hat sie in der Fabrik gearbeitet und sich seitdem durch seltenen Fleiß, Gewissenhaftigkeit und Zuverlässigkeit Ansehen erworben. Sie öffnet die Augen wieder, bleibt sekundenlang in der warmen Sonne stehen und glaubt, die blonden Haare ihres Sohnes Uwe zu erkennen, der beladen den Fabrikhof überquert. Aber sie kann sich auch täuschen. Sie hört das tiefe Brummen eines Wagens und springt schnell zur Seite. Die dunkle Limousine rollt an ihr vorbei, um auf dem weiten Hof zu wenden. Ein Schrei läßt sie herumwirbeln, und dieser Schrei pflanzt sich fort. Aus den Gebäuden kommen die Arbeiter und Arbeiterinnen gelaufen. In Käthe Dickhoffs Ohren schwillt das Kreischen der Bremsen zu einer Lawine an. Sie stürzt vorwärts. Jetzt weiß sie, daß es Uwe war, der diesen Schrei ausgestoßen hat. Der schwere schwarze Wagen steht. Käthe beachtet ihn nicht. Sie stürmt auf die Stelle zu, wo die Arbeiter einen Ring gebildet haben. Man macht ihr beinahe ehrfurchtsvoll Platz. «Uwe!» Sie sinkt neben der reglosen Gestalt auf die Knie. Da liegt ihr Sohn, der Halt ihres Lebens, der einzige Mensch, den sie abgöttisch liebt.