Gourmetkatz. Kaspar Panizza
Читать онлайн книгу.beiseite.
»Das mit der Handyortung wird vor morgen früh nichts werden, aber der Spezialist fürs Passwörterknacken ist noch im Revier.«
»Das ist doch nicht möglich, dass ihr für die Handyortung einen halben Tag braucht. Was ist, wenn Gefahr im Verzug ist?«, maulte die kleine Reporterin.
»Von Gefahr im Verzug kann wohl keine Rede sein, nur weil Putzi Ihnen einen Laptop geschickt und seit ein paar Tagen nicht mehr in ihrem Bett geschlafen hat«, konterte Steinböck. Er musterte sie kurz, und wieder fiel ihm ihre ungewöhnliche Ähnlichkeit mit Harry Potter auf.
In diesem Moment klopfte es zaghaft an der Tür, dann betrat Phan Lan Huong den Raum. Ihres Zeichens geniale vietnamesische IT-Spezialistin und zugleich illegale Putzkraft, die nirgendwo sicherer vor Entdeckung durch die Behörden war als inmitten der Münchner Mordkommission. Misstrauisch beäugte die zierliche Asiatin Sabine Husup und stellte zufrieden fest, dass diese nicht größer als sie selbst war.
Huongs Alter war schwer zu schätzen. Die hübsche junge Frau glich nach Steinböcks Einschätzung eher einem 15-jährigen Mädchen, obwohl er wusste, dass sie ein abgeschlossenes Studium als IT-Ingenieurin vorzuweisen hatte.
»Das ist eure IT-Spezialistin?«, fragte Husup zweifelnd. »Ich hab sie hier im Präsidium noch nie gesehen.«
»Sie ist eher meine persönliche Hilfskraft«, antwortete Steinböck verschmitzt. »Huong, ich bräuchte den Zugang zu diesem Laptop.«
»Gerät von Aldi«, bemerkte sie etwas abfällig. »Aber nicht schlecht für diese Preis.«
»Genauso wie das Katzenfutter«, schmunzelte der Kommissar.
»Du hast Katze noch nicht gegessen?« Huong tat überrascht, während sie einen mit bunten Abziehbildern übersäten Laptop aus ihrem Rucksack zog und ihn in Husups Gerät einstöpselte.
»Die Situation beweist eindeutig, dass kleine Frauen, unabhängig von ihrer Herkunft, eine Gefahr für Mensch und Tier darstellen können«, wagte sich Frau Merkel mit einem blöden Spruch aus der Deckung, wohl wissend, dass die junge Vietnamesin sie verstehen konnte.
»Ich habe lecker Rezept von meiner Großmutter. Katze mit viele Knoblauch und Kokosmilch.«
Husup, die das Gespräch zwischen Steinböck und Huong irritiert verfolgte, überlegte für einen Moment, ob sie sich ihren Laptop greifen und das Büro verlassen sollte, entschied sich aber dagegen, als Huong erklärte: »Haben fertig! Neues Passwort: 1,2,3,4.«
»Ist das Programm legal? Völlig wurscht, jedenfalls ist es genial«, stellte die Reporterin bewundernd fest und eilte zum Laptop ihrer Freundin. Nur eine einzige Datei, die mit »Schau genau hin« untertitelt war, thronte in der Mitte des Desktops. Ansonsten schien nichts anderes auf dem Computer gespeichert zu sein. In der Datei fand sie zwei kurze Videosequenzen.
Sabine Husup und ihre Freundin saßen auf einer Holzbank und drehten vor einer gigantischen Kulisse mithilfe eines Handysticks ein kleines Filmchen von sich. Der erste Versuch, mit einem Schwenk das Panorama hinter ihnen aufzunehmen, war erst ziemlich verwackelt. Danach wurde es besser. Schließlich endete die Aufnahme mit fröhlichem Winken der beiden.
Die zweite Sequenz war offenbar eine Vergrößerung aus der ersten. Die Bildqualität war schlecht. Trotzdem waren zwei Personen zu erkennen. Die eine stand an der Klippe und schaute aufs Meer hinaus. Die zweite Person mit einem auffälligen orangefarbenen Basecap näherte sich. Die beiden schienen miteinander zu sprechen. Plötzlich schubste die mit der Mütze die andere. Mit wild rudernden Armen stürzte diese nach unten. In diesem Moment schob sich die überdimensionierte Frisur von Harry Potter vor die Szene und die Aufnahme endete.
»Haben Sie das gesehen, Kommissar Steinböck?«, rief die Reporterin aufgeregt.
»Hab ich«, brummte er und kratzte sich über seinen spärlichen Haarkranz.
»Das ist illegal«, bemerkte Huong trocken, wobei sie das Wort »das« besonders in die Länge zog.
Husup ließ das Filmchen noch einmal abspielen. Zwar war der Ablauf deutlich zu erkennen, aber alles andere war unscharf. Deshalb klickte die Reporterin das Original ein weiteres Mal an. Weil sie jetzt wussten, worauf sie achten mussten, entdeckten sie auch dort den Vorgang.
»Sag mal, Huong, kannst du eine bessere Vergrößerung machen? Bis ich von unseren Experten ein Ergebnis krieg, vergehen bestimmt drei Tag.«
Das Gesicht der hübschen Vietnamesin verzog sich zu einer komischen Grimasse. »Programm hab ich zu Hause.«
»Wo wohnen Sie? Ich bring Sie hin«, drängte Husup aufgekratzt.
»Huong ist illegal. Adresse geheim. Ich mache Kopie und morgen Vormittag bring ich Vergrößerung.«
»Warum erst so spät?«, fragte die Reporterin enttäuscht.
»Huong muss putzen bis 2 Uhr. Dann schlafen. Dann bring ich Vergrößerung.«
Harry Potter seufzte frustriert.
Die Vietnamesin zog die Datei auf ihren Computer und verließ anschließend eilig das Büro. »Viel Arbeit. Polizei machen großen Dreck«, erklärte sie grinsend.
Perplex starrte Husup auf die Bürotür, die Huong hinter sich geschlossen hatte. »Puh, was für eine Frau«, stellte sie fest. »Es muss doch möglich sein, einen Job für sie zu finden.«
»Kein Wunder, dass wir keine Corona-App zustande bringen, wenn die IT-Spezialisten den Dreck von alternden Kommissaren wegräumen müssen«, nörgelte Frau Merkel.
»Ob es für einen Hobbykoch schwierig ist, ›Katze mit viele Knoblauch und Kokosmilch‹ zuzubereiten?«, sinnierte Steinböck.
Husup schüttelte verwirrt den Kopf und ignorierte seine letzte Frage. »Warum putzt sie hier im Polizeirevier?«, wollte sie ihrerseits wissen.
»Weil hier keiner nach ihr sucht. Sie hat in Kürze einen Termin für ein Gespräch in der deutschen Botschaft in Hanoi.«
»Warum ist sie dann schon hier?«
»Der Gesprächstermin in der Botschaft steht seit über einem Jahr fest.«
»Das glaub ich nicht! Zwölf Monate, nur um vorzusprechen?«
»Es sind sogar 13. Aber jetzt zu Ihrer Aufnahme, Sie kennen das Gebiet dort. Wie tief ist die Person gefallen? Könnte sie den Sturz überlebt haben?«
Die Reporterin überlegte kurz. »Kaum, das sind mindestens 30 Meter bis zum Strand runter, und der ist mit Felsen übersät.«
»Glauben Sie, dass Ihre Freundin zurück nach Spanien gereist ist?«
»Das ist sehr gut möglich.«
»Warum hat sie Sie nicht informiert?«
»Warum?« Husup lachte schrill auf. »Sie wittert bestimmt eine Story. Ich hätte sie auch nicht informiert.«
»So wie es aussieht, handelt es sich hier um Mord. Könnte es sein, dass Ihre Kollegin eine oder vielleicht sogar beide Personen kennt?« Steinböck bemerkte, dass Sabine Husup unsicher wurde.
»Nein, aber die Aufnahme ist auch sehr unscharf. Hier ist übrigens ein aktuelles Foto von Putzi. Sie heißt Candida Hinksel.«
»Okay, da ist ›Putzi‹ die bessere Variante«, frotzelte die Katze.
Steinböck hatte das Gefühl, dass Sabine Husup ihm etwas verschwieg.
»Wann haben Sie diese Aufnahme gemacht?«
»Am vorletzten Samstag, einen Tag vor unserer Abreise.«
»Gut. Wir sehen uns morgen Vormittag wieder. Bis dahin werden wir auch eine Handyortung haben«, beendete er unerwartet das Gespräch.
Es schien, als wolle Husup noch etwas sagen. Sie entschied sich aber anders und griff nach ihrer Tasche.
Steinböck legte seine Hand auf den Laptop und schüttelte den Kopf, als sie danach greifen wollte.
»Das