Sacklzement!. Katharina Lukas
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Katharina Lukas
Sacklzement!
Kriminalroman
Zum Buch
Gehängter Hund Die Münchner Reporterin Gundi Starck trägt in ihrem niederbayerischen Heimatdorf Hintersbrunn gerade ihren Vater zu Grabe, als Dorfdepp Franz mit der Nachricht vom »Selbstmord« eines Hundes in den Leichenschmaus platzt. Bald ist klar, worüber niemand im Ort spricht: Der Bauunternehmer Django Schickaneder hat das Haustier eines zugereisten Bildhauers im Wald erhängt. Er will das Mahnmal verhindern, das an eine Gräueltat des Zweiten Weltkriegs erinnert. In ihrem Job frustriert, träumt Gundi vom Aussteigen. Ihr Elternhaus will sie verkaufen. Da erfährt sie, dass ihr Vater ein lang gehütetes Dorfgeheimnis lüften wollte: Der in Ehren gehaltene Altbürgermeister Schickaneder, Djangos Großvater, hat anscheinend besagte Gräueltat begangen. Gundi plagen Erinnerungen an ihre unglückliche Kindheit, in der sie, wie Franz, eine Außenseiterin war. Doch sie wittert eine Story und beschließt zu bleiben. Sie findet heraus: Django, Gundis heimlicher Jugendschwarm, hat mehr zu verbergen als die Tat seines Großvaters.
Katharina Lukas wurde in einem niederbayerischen Dorf geboren, das sich zu dieser Zeit damit brüstete, die kleinste Gemeinde Niederbayerns zu sein. Sie studierte in München Philosophie und schrieb als Journalistin über Film, Musik und Mode. Einige Jahre verbrachte sie als Korrespondentin in London, später wurde sie Chefredakteurin einer Fernsehzeitschrift. Als Ghostwriterin verfasst sie Privatbiographien. Sie lebt mit ihrem Mann, einem Musiker, in München. Nach mehreren Kurzgeschichten und einem autobiographischen Werk veröffentlicht sie mit »Sacklzement!« ihren ersten Krimi. www.privatbiographie.de
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Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch
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Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Daniel Abt
Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von: © mankale / Fotolia.com
ISBN 978-3-8392-6978-7
1
91 Jahre ist der Saukerl geworden. Wahrscheinlich hat ihn die Bosheit so lange nicht sterben lassen. Jetzt liegt der alte Bäckermeister doch noch im Sarg. Aufgebahrt im weiß getünchten Leichenhaus neben der Pfarrkirche von Hintersbrunn. Und wenn er nicht gerade vor einem höheren Richter steht, bleiben seine Schandtaten für immer ungesühnt.
Seit fast 30 Jahren ist Gundi nicht mehr in dem Dorf gewesen, in dem sie aufgewachsen ist. Sie hat versucht, es zu vergessen wie einen bösen Traum. Ungerührt schaut sie sich die Leiche an. Sie hatte ihn anders in Erinnerung, ihren Vater. Irgendwie größer. Mächtiger. Der alte Bäcker war kein guter Vater. »Eine Schixn« hat er in ihr gesehen, solange sie sich zurückerinnern kann. Später ein »Luder«. Und zum Schluss eine »Matz«. Es war die letzte Beschimpfung, die sie von ihrem Erzeuger gehört hat. Er hat sie ihr nachgerufen, als sie die Tür ihres Elternhauses endgültig hinter sich zuschmiss, kaum dass sie volljährig geworden war, und ihren verwitweten und verbitterten Vater allein zurückließ.
Und jetzt muss sie sich als einzige Hinterbliebene um seine Beerdigung kümmern. Und um die alte Bäckerei, das Haus ihrer unglückseligen Kindheit. Die abgewrackte Hütte will Gundi so schnell wie möglich zu Geld machen.
Er war mal wer, der alte Bäcker. Erwin Starck, geboren 1927, selbst Sohn eines Bäckers, trat in jeder Hinsicht in die Fußstapfen seines Vaters. Er übernahm dessen Bäckerei und dessen Arschlochheit. Gundis Elternhaus, vom Großvater erbaut, steht mitten auf dem Dorfplatz. Oben die Schlafzimmer, unten Küche, Wohnzimmer und Backstube. Vorn der Verkauf, für den ihre Mama zuständig war und immer auch die Gundi, die mithelfen musste und die ein Teufelsdonnerwetter erlebte, wenn sie nicht zur Stelle war, sobald Hilfe gebraucht wurde. Die einzige Tochter wurde nach dem frühen Tod der Mutter vom Vater als deren natürliche Nachfolgerin gesehen. Eine, die vor dem Familienoberhaupt aufsteht und Kaffee kocht, seine Wäsche aufsammelt, seine Kleidung rauslegt, seine Backwaren verkauft, die Stube putzt, Essen kocht, aufdeckt, abräumt, das Geschirr spült, einkauft, ein Bier bringt und aus dem Weg geht. Jeder Tag im Leben der Bäckersfamilie drehte sich um ihn, den Bäckermeister, und seine Bedürfnisse. Aber Gundi war nicht wie ihre Mutter, die ihr Schicksal als Dienstmagd ihres Ehemannes klaglos erduldet hatte, bis sie ein früher Tod davon erlöste. Gundi fügte sich nicht. »Schmier dir dein Brot selber!«, sagte sie und kassierte eine Ohrfeige. »Ich bin nicht deine kostenlose Arbeitskraft!«, schrie sie, worauf er zum ersten Mal mit den Fäusten auf sie losging.
Verglichen mit der Gnadenlosigkeit ihrer Kämpfe verlief Gundis Auszug von zu Hause erstaunlich unspektakulär. Am Abend davor hatte sie den großen Koffer ihres Großvaters vom Dachboden geholt und ein paar Bücher eingepackt, dazu ein paar wichtige Papiere und ein wenig Kleidung. Sie hatte vor Aufregung kaum geschlafen, als sie am Morgen ihres 18. Geburtstages, den Koffer in der Hand, in der Tür stand. Ihr Vater saß am Küchentisch und las in der Zeitung.
»Ich geh jetzt«, sagte sie.
Er sah nicht auf. »Dann hau doch ab.«
»Für immer. Du siehst mich nie wieder.«
Ein kurzer Blick, er bemerkte den Koffer. »Wirst schon sehen, wie weit du kommst.«
»Überall ist es besser als bei dir.«
»Auf was wartest du denn? Hau ab! Hau endlich ab!«
»Du Arschloch«, sagte Gundi und warf die Tür hinter sich zu. Er behielt das letzte Wort.
»Du Matz! Du dreckige Mistmatz!«, hörte sie ihn rufen, als sie ins Freie trat. Und als der Überlandbus mit ihr und ihren wenigen Habseligkeiten das Ortsschild passierte, hatte sie das Gefühl, sich irgendwie in Sicherheit zu bringen.
»Ähm-hm-hm.« Hinter Gundi macht sich der Kirchendiener bemerkbar. Ein kleiner dürrer Mann in Schwarz, der es sich angewöhnt hat, wie ein geprügelter Hund zu gucken, und der mindestens so alt ist wie der Mann in der Kiste vor ihnen. Er hat ihr das Leichenhaus aufgesperrt und den Sarg geöffnet an diesem Sommernachmittag, an dem sie nach vielen Jahren gekommen ist, um ihren Vater noch einmal zu sehen. Neben der groß gewachsenen und stämmigen Gundi ist der Mesner ein Zwerg. Halb so kräftig wie sie, die sein Gewicht vermutlich zweimal auf die Waage bringt. Deswegen packt sie den Deckel eigenhändig zurück auf den Sarg des Vaters und schraubt die Gewinde fest zu.
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