Demokratie? Frag doch einfach!. Martin Oppelt

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Demokratie? Frag doch einfach! - Martin Oppelt


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oder Abgeordnete per WahlWahl und nur für eine bestimmte Zeit vom souveränen (Wahl-)VolkVolk damit beauftragt, mittelbar den Willen eben dieses Volkes umzusetzen, etwa in Form der Gesetzgebung, Verfassungsgebung, oder -änderung. Die gewählten Volksvertreter*innen finden sich in der Regel in ParteienParteien und diese im ParlamentParlament zusammen, weswegen repräsentative Demokratien auch parlamentarische Demokratien genannt werden, was aber nicht mit dem parlamentarischen Regierungssystem verwechselt werden darf. Mit der Entwicklung des modernen NationalstaatsNationalstaat hat sich die Praxis der Repräsentation für moderne Demokratien weitestgehend durchgesetzt, wenngleich es in den meisten repräsentativ organisierten Demokratien auch plebiszitäre, also direktdemokratische Elemente gibt (siehe hierzu die Frage zur direkten Demokratie). Der repräsentativen Demokratie wird der Vorteil zugeschrieben, die Interessensartikulation und Entscheidungsfindung großer und vor allem pluralistischer Bevölkerungen auf zudem großflächigen Territorien bestmöglich umsetzen zu können. Zudem wird im Prinzip der RepräsentationRepräsentation von dessen Befürworter*innen ein Sperrriegel gegen den angeblich leicht aufzuwiegelnden unmittelbaren VolkswillenVolkswillen gesehen, was der antidemokratischen Stoßrichtung der liberalen Tradition gemäß als ein wesentlicher Garant für die Stabilität und Rationalität der politischen Ordnung der Demokratie sowie der in ihr getroffenen Entscheidungen gilt (siehe dazu die Frage zur liberalen Demokratietheorie). Da das Prinzip der Repräsentation zudem in der Lage ist, gesellschaftlichen, politischen oder kulturellen MinderheitenMinderheiten Gehör zu verschaffen, wird es auch als eine Absicherung gegen die „Tyrannei der MehrheitTyrannei der Mehrheit“ angesehen. Dank der IntegrationIntegration der Erfahrungen und Interessen von Minoritäten in den Willensbildungs- und Entscheidungsfindungsprozess trägt es zudem zur Qualitätssteigerung des demokratischen Outputs bei (siehe dazu die Frage zur deliberativen Demokratietheorie). Unter Effizienzgesichtspunkten wird der repräsentativen Demokratie außerdem zugutegehalten, die dauerhafte Einbindung und Professionalisierung von Expert*innenwissen zu ermöglichen. Die gewählten Repräsentant*innen handeln dabei zwar im Namen des Volkes bzw. vertreten dieses, sind jedoch nicht in Form eines imperativen Mandates an einen ohnehin nicht unmittelbar gegebenen Volkswillen gebunden, sondern meist nur ihrem Gewissen, ihrer Urteilskraft, der Verfassung und in einigen Fragen auch ihrer Fraktion gegenüber verantwortlich. Die Abgeordneten demokratischer Parlamente üben also in der Regel freie Mandate aus, im Gegensatz etwa zu Rätesystemen. Die Repräsentant*innen gesellschaftlicher Gruppen wiederum müssen nicht unbedingt formell ernannt sein, sondern können im Zuge demokratischer Proteste sich selbst ermächtigender marginalisierter Gruppen mit informeller Legitimation ausgestattet werden.

      Was bedeutet direkte Demokratie?

      Eine idealtypische direkte Demokratie, die auch als identitäre Demokratie bezeichnet wird, geht von der Deckungsgleichheit der Herrschenden und Beherrschten, beziehungsweise der Regierenden und Regierten aus. Alle Bürger*innen wären hier also gleichermaßen an der Gesetzgebung, der Ausübung der Gesetze sowie der Rechtsprechung beteiligt. In der Realität findet sich allerdings nirgends ein reines direktdemokratisches System. In den meisten repräsentativen Demokratien werden jedoch direktdemokratische oder plebiszitäre (von lat. Plebiszit = Volksbeschluss) Elemente für besonders legitimierungsbedürftige, hoch umstrittene oder symbolisch herausragende Fälle vorgesehen. Das StaatsvolkStaatsvolk trifft dann als Gesamtheit die grundlegenden politischen Entscheidungen unmittelbar, etwa im Rahmen von VolksabstimmungenVolksabstimmungen, Volksbegehren, Volksentscheiden, in Verfassungsreferenden oder mittels der Wahl der Staatsoberhäupter. Oft wird RousseauRousseau, Jean-Jacques als Urheber der Idee direkter Demokratie genannt, was auch mit der Rezeption seiner Schriften in Carl SchmittsSchmitt, Carl (1888–1985) Souveränitätslehre zusammenhängt. Diese Lesart ist zwar in Teilen berechtigt, im strengen Sinne jedoch nicht korrekt. Denn Rousseau hat selber betont, dass er eine reine Demokratie im Sinne der Identität von Regierenden und Regierten für weder möglich noch wünschenswert hält. Darin ist ihm insofern zuzustimmen, als die Deckungsgleichheit von Herrschenden und Beherrschten, sei sie faktisch existent oder seitens der Machthabenden nur behauptet, eine große Gefahr für die individuelle FreiheitFreiheit und den Schutz der Privatsphäre darstellen kann. Das belegt auch Schmitts Lesart der Schriften Rousseaus, der diese zu einer Befürwortung der DiktaturDiktatur als Ausdruck demokratischer Willensbekundung herangezogen hat. Die Totalitarismen des 20. Jahrhunderts jedenfalls bauten ihre Gewalt- und Terrorherrschaften auch auf der behaupteten Einheit von Regierenden und Regierten auf. Jedoch gibt es auch demokratische Alternativen zur → RepräsentationRepräsentation durch gewählte Abgeordnete, die versuchen, sich dem Ideal der direkten Demokratie anzunähern, um so die Schattenseiten repräsentativer Systeme, zum Beispiel die Möglichkeit der Korruption, abzufedern. Hierzu zählt etwa das Rätesystem, welches Abgeordnete vorsieht, die von einem Rat in die nächsthöhere Ebene abgesandt und mit einem imperativen MandatMandat, imperatives ausgestattet werden. Sie sind also zwingend an den zuvor demokratisch ermittelten Willen des sie entsendenden Rates gebunden. Direktdemokratische Elemente finden jedoch nicht nur in der Politik Berücksichtigung, sondern auch im Arbeitsleben, etwa klassisch in Form von Arbeiter*innen- und Betriebsräten, wie sie die sozialistische Gesellschaftstheorie als konkreten Institutionenentwurf für die Umsetzung demokratischer Selbstbestimmung entworfen hat. Für die politische Theorie und Praxis moderner Demokratien stellt das Ideal der direkten Demokratie also ein wichtiges kritisches Instrumentarium dar, um Verletzungen der Prinzipien der Gleichheit und Freiheit innerhalb bestehender Herrschaftsverhältnisse in den Blick zu bekommen und anprangern zu können.

      Literaturtipp | Der Klassiker zum Thema: Bermbach, U. (Hrsg.): Theorie und Praxis der direkten Demokratie, Westdeutscher Verlag 1973.

      Was unterscheidet parlamentarische von präsidentiellen Regierungssystemen?

      Ein parlamentarisches Regierungssystem ist neben dem präsidentiellen Regierungssystem eine der zwei hauptsächlichen Typologien, mit denen die Vergleichende Regierungslehre arbeitet. Mittels dieser Typologien wird die real existierende Vielzahl an unterschiedlichen Formen von Regierungssystemen gebündelt, um so vergleichend untersuchen zu können, wie und mit welchen Vor- und/oder Nachteilen jeweils das spezifische Verhältnis zwischen Staatsoberhaupt, Regierung und Parlament geregelt ist. Als Vorlage für die beiden Modelltypen dient das britische Westminstermodell für die parlamentarische und das US-amerikanische politische System für die präsidentielle Demokratie. Laut dem Politikwissenschaftler Winfried SteffaniSteffani, Winfried (1927–2000) ist die Möglichkeit der Abberufung der Regierung durch das Parlament aus politischen Gründen das wichtigste Unterscheidungsmerkmal präsidentieller und parlamentarischer Regierungssysteme. Alle Regierungssysteme, deren Parlamente über ein Abberufungsrecht aus politischen Gründen verfügen, gehören für ihn zum Typus des parlamentarischen Regierungssystems, alle anderen zum Typus präsidentielles Regierungssystem, wo eine Abberufung nur aus verfassungsrechtlichen Gründen möglich ist. Weitere Unterscheidungsmerkmale, auf welche in der Forschung zurückgegriffen wird, sind die Frage nach einer doppelten Exekutive, bestehend aus Präsident*in oder Monarch*in sowie Premierminister*in in der parlamentarischen, oder einer geschlossenen Exekutive in der präsidentiellen Demokratie, wo die Staatspräsident*in zugleich Regierungschef*in ist. Parlament und Regierung stehen im präsidentiellen Regierungssystem eher unverbunden nebeneinander und werden zur Kooperation gezwungen, während sich die Gewalten im parlamentarischen Regierungssystem eher verschränken und die Parlamente die Regierung bestellen, sprich aus ihrer Mitte heraus bestimmen. Im präsidentiellen System hingegen wird das Staatsoberhaupt mehr oder weniger direkt vom Volk gewählt. Die Parlamente in präsidentiellen Systemen legen den Fokus daher auf die Gesetzgebungsfunktion und die Kontrolle der Regierung, was im parlamentarischen System die OppositionOpposition innerhalb des Parlaments gegenüber der aus der Parlamentsmehrheit hervorgegangenen Regierung übernimmt. Im parlamentarischen System ist laut Steffani zudem die Vereinbarkeit von Regierungsamt und Parlamentsmandat möglich, was im präsidentiellen System ausgeschlossen ist. Wo die Regierung im parlamentarischen System das Parlament prinzipiell auflösen kann, ist dies der Präsident*in im präsidentiellen System nicht möglich. Hier ist zudem die Fraktionsdisziplin weit geringer ausgeprägt als im parlamentarischen


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