Internationale Migrationspolitik. Stefan Rother

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Internationale Migrationspolitik - Stefan Rother


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London, Los Angeles, Madrid, Moskau, New York, Paris, Seoul, Shanghai, Singapur, Sydney, Tokio, Toronto, Wien und Washington DC“ (IOM 2015). Gemessen an dem Gesamtanteil von 3,5 Prozent internationaler Migrant*innen an der Gesamtbevölkerung sind dies sehr hohe Werte. Insbesondere Dubai (83 %), Brüssel (62 %) und Toronto (46 %) stechen weltweit heraus.

      Hinzu kommt in fast allen Städten noch die Binnenmigration, die ebenfalls zumeist vom Land in die Städte erfolgt. Dies sorgt für eine weitere Verstädterung der Besiedlungsstrukturen. Dies ist insbesondere, aber nicht nur, in Ländern des Globalen Südens zu beobachten, wo Binnenwanderung die Verstädterung stark beschleunigt. Die am stärksten urbanisierte Region der Welt ist jedoch nach wie vor Nordamerika, wo 82 Prozent der Bevölkerung in Städten leben (ebd.).

      Abbildung 14:

      Städte mit den größten Anteilen im Ausland geborener Bürger*innen 2019 (in %)

       Quelle: Migrationsdatenportal.

      1.6 Ausblick: Migration und Demografie

      Es wird von der UN angenommen, dass internationale Migration auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weltweit zunehmen wird. Ein Grund dafür ist die weltweite demografische Entwicklung. So wird geschätzt, dass die Bevölkerungszahlen in den hochentwickelten Ländern des Globalen Nordens stagnieren und teilweise zurückgehen, während sie in den weniger entwickelten Länder des Globalen Südens steigen werden. Allein in Afrika und Asien, wo heute bereits die höchsten Geburtenraten verzeichnet werden, ist abzusehen, dass die Bevölkerung bis 2050 auf fast acht Milliarden Menschen ansteigen wird (UN 2013, S.16). Dabei werden in den zwei bevölkerungsreichsten Ländern der Welt, China und Indien, jeweils ca. eineinhalb Milliarden Menschen leben, wobei Indien China als bevölkerungsreichstes Land der Welt überholen wird. Nigerias Bevölkerung könnte bis zum Jahr 2050 auf fast eine halbe Milliarde Menschen ansteigen und damit die USA (rund 400 Millionen Einwohner*innen bis 2050) als drittbevölkerungsreichstes Land überholen (UN 2019). Nach der „World Population Clock“ der UN, die die Weltbevölkerung sekündlich zählt, leben gegenwärtig fast 7,8 Milliarden Menschen auf der Welt.1 Im Jahr 1989 waren es noch 5,2 Milliarden. Die UN prognostiziert, dass es im Jahr 2050 rund 9,7 Milliarden Menschen geben wird (UN 2020).

      Aufgrund dieser stark wachsenden Bevölkerungszahlen im Globalen Süden und den gleichzeitig stagnierenden Einwohner*innenzahlen – und der damit einhergehenden Verknappung an Arbeitskräften für die alternden Gesellschaften der Länder des Globalen Nordens – wäre es eine logische Folge, wenn die Süd-Nord-Migration in Zukunft weiter zunehmen würde. Sollte dies nicht geschehen, oder die Migration im Globalen Norden sogar zurückgehen, so würde dies unweigerlich in einen Bevölkerungsrückgang in diesen Regionen münden. Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht dies am Beispiel eines Null-Nettozuwanderungsszenarios in den verschiedenen Weltregionen. Während die Regionen Ozeanien, Nordamerika und Europa zum Teil deutlich an Bevölkerung verlieren würden, wüchse die Bevölkerung bei ausbleibender Auswanderung in den bisherigen Auswanderungsregionen. Auch das Durchschnittsalter der Bevölkerung würde bei geringer oder ausbleibender Zuwanderung in den Regionen des Globalen Norden deutlich steigen.

      Aber auch die Migration in sog. Schwellenländer, die sich weiter entwickeln werden, wird aller Voraussicht nach weiter zunehmen. Hier werden zunehmend hochqualifizierte Arbeitskräfte gesucht, die bereits in hochentwickelten Ländern knapp sind, so dass es um diese Migrant*innengruppe in Zukunft einen großen Wettbewerb geben wird (IOM 2014). Zudem ist von einem Anstieg der Geflüchtetenzahlen auszugehen, der von Konfliktherden und Kriegen, wie im Nahen und Mittleren Osten oder in Teilen Afrikas, noch zusätzlich beschleunigt werden kann. Internationale Organisationen gehen deshalb davon aus, dass die weltweite Migration bis zum Jahr 2050 auf über 400 Millionen ansteigen wird, was dann einem Anteil von über vier Prozent der Gesamtbevölkerung entsprechen würde (IOM 2018).

      Abbildung 15:

      Prognostizierte Bevölkerungszuwächse und -abnahmen bis 2070 bei einem Null-Nettozuwanderungsszenario in den verschiedenen Weltregionen (in %)

       Quelle: UN, International Migration Report 2019.

      Abbildung 16:

      Prognostizierte Entwicklung des Durchschnittsalters bis 2070 bei einem durchschnittlichen Nettozuwanderungsszenario der letzten 20 Jahre und einem Null-Nettozuwanderungsszenario in den verschiedenen Weltregionen (in Jahren)

       Quelle: UN, International Migration Report 2019.

      Weiterführende Fragen und Literatur

       Drei Fragen zum Weiterdenken

       Wie könnten sich die weltweiten Migrationsbewegungen in den nächsten Jahren verändern? Wird sich z.B. Asien von einem überwiegenden Auswanderungskontinent zu einem Einwanderungskontinent entwickeln?

       Welche Folgen hat die zunehmende Urbanisierung der Migration? Sollten Städte mehr Mitbestimmungsrecht in der internationalen Migrationspolitik erhalten?

       Welche Rolle spielt der demografische Wandel für das weltweite Migrationsgeschehen in den nächsten Jahrzehnten?

       Drei Bücher zum Weiterlesen

      UN (2019): International Migration Report 2019. New York.

       Zentraler Bericht zum weltweiten Migrationsgeschehen, auf dem dieses Kapitel weitgehend fußt. Diese Quelle eignet sich für eine differenziertere Auseinandersetzung mit Daten zu internationaler Migration. Er umfasst auch Angaben zur aktuellen Migrationspolitik. Der Bericht erscheint jedes Jahr, so dass hier die aktuellsten Daten zu finden sind.

      IOM (2019): World Migration Report 2019. New York.

       Der Bericht der Internationalen Organisation für Migration der UN bietet noch differenziertere Daten zum weltweiten Migrationsgeschehen. Er wird wie der UN-Bericht jedes Jahr neu aufgelegt.

      Jochen Oltmer (2016): Globale Migration. Geschichte und Gegenwart. München: C.H. Beck.

       Kompakte Darstellung der globalen Migration in Geschichte und Gegenwart.

       Online-Quellen:

      https://migrationdataportal.org.

       Hier finden sich alle Daten aus den Berichten zum Download und zur weiteren Vertiefung. Es gibt auch Analysen zu einzelnen Aspekten von Migration und Migrationsarten.

      2 Migrationstheorien1

      Warum migrieren Menschen und wie versucht die Politik Migration zu steuern? Während andere sozialwissenschaftliche Disziplinen, wie Soziologie, Geographie und Ethnologie, sich bereits früh mit diesen Fragen beschäftigt haben, kam die Politikwissenschat relativ spät zu diesem Themenfeld. Wie wir sehen werden, bedarf es für eine tiefergehende Analyse von Migration interdisziplinärer Zugänge. Dieses Kapitel gibt einen Überblick über das weite Feld der Migrationstheorien mit Schwerpunkt auf der politischen Dimension.

      2.1 Sozialwissenschaftliche Migrationstheorie

      Die Anfänge der Migrationstheorien gehen auf den Geografen Ravenstein zurück, der im 19.Jahrhundert erste statistische Untersuchungen zur Binnenmigration in Großbritannien durchführte. Er wertete dafür Daten zu Binnenwanderungen auf Basis der Zensuserhebungen zwischen 1871 und 1881 aus. Dabei kam er zu verschiedenen Ergebnissen, die er in allgemeinen ‚Migrationsgesetzen‘ formulierte. So kam er zu dem Ergebnis, dass Wanderungen zumeist über kürzere Distanzen und in Etappen erfolgten, wobei Frauen kürzere Distanzen zurücklegten als Männer. Weiterhin erkannte er, dass das Wachstum in den Städten primär auf Zuwanderung zurückzuführen sei (und nicht auf natürliches


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