Die NATO. Falk Ostermann

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Die NATO - Falk Ostermann


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dass eine Organisation Krisen und weltpolitische Wandelprozesse, wie das Ende des Kalten Krieges, überleben können und dabei ihre Aufgaben verändern (s. Kap. 5).

      Diese theoretischen Überlegungen zum InstitutionalisInstitutionalismus (Neoliberaler)mus zeigen, dass seine Anwendung auf Sicherheitsorganisationen keinesfalls so abwegig ist, wie Mearsheimer impliziert. Wenngleich seine Kritikpunkte, vor allem mit Blick auf das Problem relativer versus absoluter MachtMachtgewinne, Grund zum Nachdenken geben und zu einer vorsichtigen Analyse von politischen Interessenlagen und Konfliktdynamiken anhalten, so erscheint eine institutionalisInstitutionalismus (Neoliberaler)tische Perspektive zumindest als eine valide Betrachtungsweise der NATO unter anderen. Seine ökonomisch inspirierten, rationalistisch geprägten Konzepte zu Kostenvorteilen und absoluten Gewinnen durch Kooperation sowie zur Regelbefolgung sind ein fundiertes Gerüst zum Begreifen von Vorgängen in Sicherheitsinstitutionen. Bei der folgenden Befassung mit der NATO als Organisation können uns diese theoretischen Überlegungen bereits hilfreich sein.

      2.2 Verträge und Erweiterungen

      2.2.1 Gründungsmitglieder: Brüsseler Vertrag 1948 und Nordatlantikpakt 1949

      Von Jalta und Berlin nach Brüssel

      Brüsseler VertragNach demJalta Ende des Zweiten WeltkriegZweiter Weltkriegs wurde den westlichen Siegermächten und den Verantwortlichen der von ihnen befreiten Staaten schnell klar, dass die gemeinsamen Absprachen über die europäische Nachkriegsordnung und Kooperation in den neuen Vereinten Nationen, die in JaltaJalta zwischen der UdSSR, den USA und dem Vereinigten Königreich ausgehandelt wurden, keinen Bestand haben würden. Die Sowjetunion verfolgte angesichts eines schwachen Westeuropas eine Expansions- und Annexionsstrategie und mischte sich in die internen Prozesse anderer Staaten, z. B. Bulgariens, Polens, Rumäniens oder der Tschechoslowakei, offensiv oder subversiv ein (Harbutt 2010; Schöllgen 2013a, 250ff.; von Gersdorff 2009, 74f.). Durch das Verlassen des Alliierten KontrollratAlliierter Kontrollrats Anfang 1948 bildete sich ein westlich-liberalLiberalismuses und ein östlich-kommunistischKommunismuses Lager (ibid., 92ff.). Dass die politische IdeologiIdeologiee als fundamentaler Unterschied zwischen den beiden Lagern angesehen wurde, wurde am besten durch das Long TelegramLong Telegram illustriert, die Fundamentalkritik des politischen und gesellschaftlichen Systems der Sowjetunion durch den amerikanischen Diplomaten George F. KennanKennan, George F. (1946). In seinem langen, analytischen Telegramm an den damaligen amerikanischen Außenminister identifizierte KennanKennan, George F. den sowjetischen Expansionismus als Hauptgefahr für die freie, westlich geprägte Welt.1 So nahm die Politik des ContainmentContainment, der militärischen, ökonomischen und politisch-ideologiIdeologieschen Eingrenzung der Sowjetunion, ihren Lauf. Die Blöcke des Kalten Krieges begannen, sich zu konstituieren (Combs 2012, 210ff.; Czempiel und Witzel 1998; Welch Larson 1985). Die Teilung Europas wurde durch die Gründung der westgebundenen Bundesrepublik Deutschland am 23. Mai 1949 und der Deutschen Demokratischen Republik als Satellitenstaat der Sowjetunion am 7. Oktober 1949 besiegelt.

      In Anbetracht der wahrgenommenen Gefahr von Osten, verdeutlicht durch den Staatsstreich der Kommunistischen Partei in der Tschechoslowakei im Februar 1948, wurde am 17. März 1948 von Belgien, Frankreich, Irland, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich der Brüsseler VertragBrüsseler Vertrag unterzeichnet, der die Westunion begründete (Kaplan 1984, 63f.). Das Abkommen sah sowohl Aspekte der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellKulturen Kooperation als auch der kollektiven Selbstverteidigung vor, wobei letztere in Anbetracht der politischen Ereignisse zunehmend im Zentrum der Verhandlungen standen (Grosser 1986, 95ff.; Georgantzis 1998, 27ff.; von Gersdorff 2009, 94ff.). Dazu bestimmt Art. 4 unter Verweis auf Art. 5Bündnisfall1 der UN-Charta (Recht auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung, United Nations 2013), dass ein angegriffener Unterzeichnerstaat „alle militärische und andere Hilfe und Unterstützung“ (NATO o. J.-a) der anderen Staaten erhalten soll.2 Somit ist die Formulierung bereits nah an die späteren Ausführungen des NordatlantikvertragNordatlantikvertrags angelehnt, implizierte jedoch im Gegensatz zu letzterem einen Automatismus (Georgantzis 1998, 29; Raflik 2011, 212). Der Wille zur Schaffung eines langfristigen Bündnisses spiegelte sich in der 50-jährigen Vertragslaufzeit wider (Art. 9, s. auch Grosser 1986). Im September 1948 richteten die Brüsseler VertragBrüsseler Vertragsstaaten ein eigenes Hauptquartier in Fontainebleau bei Paris, einen Ministerrat und einen Rat der militärischen Stabschefs ein, die als Vorbild für die NATO-Strukturen dienten (Georgantzis 1998, 29; Ismay 1955, Kap. 1; Kaplan 1984, 102).

      Im Verlauf der kommenden Monate hatte sich die politische Lage in Europa so verschlechtert, dass immer deutlicher wurde, dass eine gemeinsame kollektive Verteidigungkollektive Verteidigungslösung mit den USA erarbeitet werden musste, um sich gegen sowjetische Einmischung, Expansion und MachtMachtgebaren (s. Exkurs Berlin-KriseBerlin-Krisen Kap. 3) zu wehren (Grosser 1986, 96; Schöllgen 2013b, 24ff.). Diese Aktionen machten klar, dass der UdSSR nicht an einer gemeinsamen Neuorganisation von Europa gelegen war. Vielen Verantwortlichen, allen voran US-Präsident TrumanTruman, Harry S., war daher bewusst, dass der vom Krieg zerstörte Kontinent weiterhin starke Partner nötig hatte, um sich gegenüber der Sowjetunion zu behaupten (Combs 2012, 210ff.; Kaplan 1984, 65ff.).3 Durch das Europäische WiederaufbauWiederaufbauprogramm – den Marshall-PlanMarshall-Plan – unterstützten die USA seit April 1948 zwar schon massiv die westeuropäischen Wirtschaften, aber es setzte sich die Einsicht durch, dass dies nicht reichen würde, um den FriedenFrieden zu sichern. Letztlich ging es den US-Amerikaner*innen auch darum, dass die europäischen Staaten in Anbetracht der Nähe zu Russland und seiner militärischen Präsenz in Westeuropa nicht ein kommunistischKommunismuses rapprochement eingehen würden. So wurde die TrumanTruman, Harry S.-Doktrin geborenTruman-Doktrin, die allen demokratischen Staaten Unterstützung gegen innere und äußere Feinde zusicherte (Combs 2012, 210ff.; Kaplan 1984, 49ff.; von Gersdorff 2009; Schöllgen 2013b, 24). Der republikanische US-Senator Arthur H. VandenbergVandenberg, Arthur H. und der kanadische Außen- und spätere Premierminister Louis Saint LaurentSaint Laurent, Louis brachten schließlich erfolgreich ResolutionUN-Sicherheitsratsresolution (UNSCR)en in ihren Parlamenten ein, die den Startschuss zu Verhandlungen für eine Sicherheits- und Verteidigungsallianz markierten. Die USA traten aus militärischen Gründen außerdem dafür ein, dass die Allianz nicht nur die Brüsseler VertragBrüsseler Vertragsstaaten und sich selbst umfassen sollte, sondern auch Kanada sowie die weiteren NATO-Gründungsmitglieder, um territoriale und somit auch im Angriffsfall logistische Kontinuität herzustellen. Frankreich wollte durch die Einbeziehung Italiens die Südflanke der Allianz bedacht wissen. Es dauerte daher eine Weile, bis man sich auf den genauen Zuschnitt des Bündnisses geeinigt hatte (Kaplan 1984, 42, 70ff.; Ismay 1955, Kap. 1; von Gersdorff 2009).

      Der Nordatlantikvertrag von 1949: Die Gründung der NATO

      UnterNordatlantikrat (NAC) dem Eindruck einer immer noch andauernden Berlin-BlockadeBerlin-Krise (bis 12. Mai 1949) und sowjetischer Gegendiplomatie (Kaplan 1984, 96) wurden die Verhandlungen für einen transatlantischen Pakt fortgesetzt. Die NATO wurde schließlich am 4. April 1949 in Washington D.C. mit der Unterzeichnung des NordatlantikvertragNordatlantikvertrags – auch Washingtoner Vertrag genannt – durch Belgien, Dänemark, Frankreich, IslandIsland, Italien, LuxemburgLuxemburg, Kanada, die Niederlande, Norwegen, Portugal, das Vereinigte Königreich und die USA gegründet. In der Präambel verpflichten sich die Unterzeichner sowohl auf die Prinzipien der UN, darunter das Ziel der friedlichFriedenen Konfliktbeilegung, als auch auf die „Grundsätze[n] der Demokratie, der Freiheit der Person und der Herrschaft des Rechts“ (NATO 1949a).1 Damit wird gleich zu Beginn deutlich, dass das Wertefundament der Atlantischen Allianz und der Unterzeichnerstaaten demokratisch-liberalLiberalismus geprägt ist. Ohne jemals die UdSSR direkt zu erwähnen positioniert sich der NordatlantikvertragNordatlantikvertrag klar gegen das gesellschaftliche und politische System des kommunistischKommunismusen Feindes im Osten, ganz im Sinne von KennanKennan, George F.s Long TelegramLong Telegram. Die Staaten bekennen sich des Weiteren zu einer friedlichFriedenen Konfliktbeilegung (Art. 1) sowie zur Intensivierung ihrer wirtschaftlichen Zusammenarbeit (Art. 2, s. von Gersdorff 2009, 396ff., 407ff.). Der Vertrag spricht ebenfalls gegenseitige Kooperation und Unterstützung beim Aufbau von Verteidigungskapazitäten (Art. 3) als notwendige Bedingung einer gemeinsamen Verteidigung an.

      Als


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