Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Heinz Pürer

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Publizistik- und Kommunikationswissenschaft - Heinz Pürer


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aktuelle Befindlichkeit (sei es nun in bewusster Selbstdarstellung oder in mehr oder minder freiwilliger Selbstöffnung und Selbstpreisgabe);3)der Beziehungshinweis, durch den der Sender zu erkennen gibt, wie er zum Empfänger steht, was er von ihm hält und wie er die Beziehungen zwischen sich und ihm definiert;4)der Appell, also der Versuch, in bestimmter Richtung Einfluss zu nehmen, die Aufforderung, in bestimmter Weise zu denken, zu fühlen oder zu handeln« (Schulz von Thun 1996b, S. 19f; Hervorhebung i. Orig.).

      Schulz von Thun zufolge verbindet sich mit diesem Modell »die Erkenntnis, daß ein- und dieselbe Nachricht – oder sagen wir nun besser: Äußerung – viele Botschaften gleichzeitig enthält, welche sich auf die vier Seiten verteilen« (ebd.; Hervorhebung i. Orig.). Explizit ausgesprochen »ist oft nur eine Seite (häufig der Sachinhalt) […] und alle anderen Botschaften [stehen] ›zwischen den Zeilen‹, [sind] aber deswegen keinesfalls weniger bedeutungsvoll und wirksam« (Schulz von Thun 1996b, S. 20). Das Modell weist teils Gemeinsamkeiten bzw. Ähnlichkeiten mit Aspekten auf, die sich bereits in Bühlers entwickeltem Sprachmodell finden (Darstellungsfunktion, Ausdrucksfunktion, Appellfunktion; siehe auch Beck 2010, S. 45f; Rau 2013, S. 89ff).

      Nach diesem kurzen Exkurs in Sprachsoziologie und Sprachpsychologie kann resümiert werden, dass Sprache nicht nur für die zwischenmenschliche Verständigung eine wichtige Rolle spielt. Sprache ist vielmehr generell von unübersehbarer soziokultureller Bedeutung (Döhn 1979, S. 207ff):

      • Sprache ist ein wichtiger Informationsträger, von dem alle anderen Formen der Kommunikation abhängen.

      • Individuelle wie soziale Kommunikation ist auf Sprache angewiesen, auch wenn Verständigung über andere Kommunikationskanäle erfolgt.

      • Sprache spielt für die Bewusstwerdung des Individuums eine wichtige Rolle, unser Denken folgt den Regeln der Sprache.

      • Die Speicherung und Weitergabe von Wissen und neuer Information ist auf Sprache angewiesen.

      • Nicht zuletzt werden gesellschaftliche und kulturelle Werte durch Sprache vermittelt und tradiert.

      Kommunikation kann in verschiedenen Arten vor sich gehen: direkt oder indirekt; wechselseitig oder einseitig; privat oder öffentlich sowie in Anwesenheit oder in Abwesenheit (und damit gegenseitig wahrnehmbar oder nicht wahrnehmbar).

      So verläuft Kommunikation zwischen zwei Personen (Face-to-face) in aller Regel in direkter Interaktion, wechselseitig und privat, wobei eine Vielzahl von Kommunikationskanälen benutzt wird. Die Kommunikationspartner sind gleichzeitig anwesend und gegenseitig wahrnehmbar, wodurch ein hoher Grad an Reflexivität und Reaktion gegeben sowie Rückfragen möglich sind. Kommunikation zwischen zwei Personen von Angesicht zu Angesicht hat eine dyadische oder dialogische Struktur. Dagegen ist unter zeitversetzter und/oder räumlich getrennter Interaktion bereits ein besonderer Typus von persönlicher Kommunikation zu sehen, auch wenn ihre Dialogstruktur weitgehend erhalten bleibt. Dies ist z. B. bei der Telefonkommunikation, beim Chat im Internet, auch beim Brief sowie bei Kommunikation mittels SMS der Fall.

      Gruppenkommunikation ist von der dyadischen, interpersonalen Kommunikation abzugrenzen. Sie zeichnet sich durch zweierlei aus. Zunächst ist ihre Kommunikationsstruktur »von der Zahl und den Rollen der einzelnen Gruppenmitglieder« bestimmt (Kübler 1994, S. 21). Und strukturell ist sie v. a. gekennzeichnet »von den Normierungen und Differenzierungen der in der Gruppe herrschenden Konventionen und Handlungsweisen« (ebd.). Zeitversetzte und/oder räumlich getrennte Kommunikation (wie Brief, Telefonkommunikation, E-Mail, SMS, Chat) schließt von der Kapazität der Kanalübertragung »alle nonverbalen Komponenten wie Mimik und Gestik, überhaupt alle visuellen Kommunikationskomponenten (derzeit noch) aus« und es fehlen »die sensorischen Eindrücke unmittelbarer Anwesenheit (die über den Geruchs-, Geschmacks- und Tastsinn wahrgenommen werden« (ebd.).

      Das Telefongespräch stellt eine Form der wechselseitigen Kommunikation dar, die allerdings indirekt verläuft (sie ist technisch vermittelt) und die privaten bzw. quasi-privaten (beruflichen) Charakter hat. Von der Zahl der benutzten Kommunikationskanäle her gesehen ist Telefonkommunikation eine eingeschränkte Form der Kommunikation (sie wird nur auditiv-vokal wahrgenommen). Beim Telefonieren sind die Kommunikationspartner zwar nicht (im Sinne von Angesicht zu Angesicht) anwesend, aber über den auditiven Kanal gegenseitig wahrnehmbar. Telefonkommunikation ermöglicht direkte Rückkopplung. Ähnliches gilt für Kommunikation via CB-Funk. Bei Videotelefonie sowie beim Skypen im Internet sind Mimik und teilweise auch Gestik je nach Perspektive der Kamera in eingegrenztem Maße mitübertragbar (vgl. ebd.).

      Kommunikation mittels Brief oder E-Mail sowie SMS stellt eine einseitige, indirekte und technisch vermittelte (Papier teils als Träger/Speicher der Information, der Computer als elektronischer Vermittler) Form der Kommunikation dar. Die Kommunikationspartner sind abwesend, Rückkopplungen nicht unmittelbar möglich. Im Hinblick auf die benutzten Kanäle ist briefliche und E-Mail-Kommunikation auf den visuellen Kanal begrenzt, wobei der visuelle Kanal selbst wieder einer starken Einschränkung unterliegt, zumal der Kommunikationspartner nicht wahrnehmbar ist. In modifiziertem Maße gilt eben Gesagtes auch für Internetchats und Blog-Einträge (inkl. daran anschließender Diskussionsthreads), an denen in aller Regel aber mehr als zwei Personen teilnehmen.

      Ein Vortrag (oder auch eine Vorlesung oder Rede) ist direkte, einseitige, oftmals technisch vermittelte (d. h. durch ein Mikrofon zumindest verstärkte) und zumeist öffentliche Kommunikation (auch wenn er z. B. nur für eine gezielt ausgewählte, d. h. eingeschränkte Öffentlichkeit gedacht sein sollte). Die Kommunikationspartner sind anwesend und gegenseitig wahrnehmbar (der Kommunikator für die Rezipienten jedoch eher als umgekehrt). Reaktionen und Feedback sind nur in eingeschränktem Maße möglich.

      [77]Massenkommunikation im herkömmlichen Sinn (Zeitung, Zeitschrift, Radio, Fernsehen) ist eine Form öffentlicher, indirekter und einseitiger Kommunikation. Sie bedient sich technischer Verbreitungsmittel und wendet sich an ein disperses (d. h. räumlich und/oder raum-zeitlich verstreutes) Publikum (Maletzke 1963), auch wenn z. B. nur bestimmte Publikumssegmente bzw. Zielgruppen angesprochen werden. Bei den Printmedien (Zeitung/Zeitschrift) sind die Kommunikatoren für die Rezipienten nicht unmittelbar wahrnehmbar (allenfalls mittelbar durch Autorenfotos); im Hörfunk sind sie dies mit ihrer Stimme, im Fernsehen mit Stimme und Bild (inkl. Mimik, Gestik und Körperhaltung). Rückkopplungen sind in aller Regel nicht möglich, Ausnahmen bilden bei den Funkmedien sog. Call-in-Sendungen bzw. Leserbriefe an und Telefonanrufe in Redaktionen. Klassische Massenkommunikation stellt Inhalte für weiterführende persönliche Kommunikation bereit, kann also in Form der Anschlusskommunikation kommunikationsstiftenden Charakter haben.

      Onlinekommunikation ist technisch vermittelte, indirekte, teils einseitige (z. B. E-Mail), teils gegenseitige (z. B. Internet Relay Chat), teils private, teils (teil-)öffentliche Kommunikation (z. B. Mailing Lists, Dienstleistungen via Internet oder teil-öffentliche Kommunikation in sozialen Netzwerken). Onlinekommunikation ist überwiegend Kommunikation in Abwesenheit, die Kommunikationspartner können sich gegenseitig meist nicht wahrnehmen, allenfalls imaginieren. Rückkopplungen sind, je nach Kommunikationsangebot und -form, direkt oder nur indirekt möglich (vgl. Kap. 3.3).

      Kommunikation im bisher geschilderten Sinne ist ein alle Aspekte des sozialen Lebens durchdringender, fundamentaler Prozess. Erst Kommunikation, und zwar sprachliche Kommunikation, ermöglicht das Wachstum, den Erhalt und die Übertragung von Kultur und somit die Kontinuität einer Gesellschaft, ebenso aber auch ihren Wandel. Ohne sprachliche Kommunikation ist organisiertes soziales Leben nicht möglich (vgl. Döhn 1979, S. 107f).

      Der uns so geläufige Begriff »Massenkommunikation« fand in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts Eingang in den deutschen Sprachgebrauch – zunächst fachsprachlich, dann auch umgangssprachlich. Davor (bereits ab Ende der 1920er-Jahre) und daneben bedient(e) man sich für Aussagen und Botschaften, die sich an die Öffentlichkeit richteten, des Begriffes »Publizistik«. Dabei wurde und wird unterschieden zwischen


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