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zu sein.

      Théra bekam zunächst nur ein sehr vages Gefühl für eine Art innere Ordnung, die das Leben bestimmt.

      Para hatte ihr das einmal erklärt. Sie saßen in der Holzhütte. Sie beobachteten die Ameisen und Para erklärte Théra, dass auch die Ameisen Gesetze und Regeln haben, die bestimmen, wer als Späher unterwegs war, wer das Futter besorgt und wer als Krieger galt. Théra hatte mit den Ameisen Kontakt aufgenommen und die Ameisen erzählten ihr, dass es da ein System gab, welches das Überleben des Stammes sicherte. Ohne Regeln würden die Ameisen nicht überleben, sagten sie.

      Théra war sehr beeindruckt.

      Théra verstand langsam immer klarer, dass dies auch bei den Menschen nicht anders war.

      Manchmal wurde sie von Para oder Papa mitgenommen zum Fluss. Das Wasser war kalt. Sie badeten. Sie bespritzten sich gegenseitig mit Wasser. Papa legte sie auf seine starken Arme und übte mit ihr schwimmen. Dann schallte ihr glockenhelles Lachen durch das Tal und die Arbeiter, die verstaubt in den Ruinen der alten Stadt standen und nach Schätzen gruben, sahen sich an, und sie lächelten sich gegenseitig zu. Kinder bedeuteten für die Indios Leben. Alle kannten dieses kleine Mädchen, das ihre Mutter Théra genannt hatte, die Tochter der Sonne. Sie war wirklich wie eine kleine Sonne. Théra hatte eine warme Ausstrahlung und sie steckte mit ihrem Lachen alle an.

      Théra wurde von Para und Papa ein paar Mal mitgenommen in das Tal des Wasserfalls. Es lag eine Tagesreise entfernt. Es gab dort Wald, Wiesen, einen kleinen Fluß und ein paar Holzhäuser. Théra lernte dort andere Kinder kennen. Viel größere. Sie machte die Bekanntschaft von Hühnern, Gänsen, Ziegen, Lamas und Maultieren. Sie lernte, dass es auch in diesem Tal eine Ordnung gab, die alles zusammenzuhalten schien. Jeder hatte seine Aufgabe und Théra lernte sehr schnell, dass es unter den Hühnern, den Gänsen oder den Maultieren auch eine Ordnung gab. Es gab bei den Tieren Anführer und es gab Regeln. Théra schloss sich mit den Tieren kurz. Sie hörte ihnen zu, sie stellte Fragen und sie beobachtete.

      Jetzt begann sie Papa und Para wirklich zu verstehen.

      Es gab überall eine Ordnung und das war wichtig, um das Zusammenleben friedlich zu gestalten. Papa hatte zwei Lieblings-Lamas, die bei den anderen Lamas unangefochten als die Leittiere der Gruppe galten. Sie sah bei den Tieren aber auch, dass es dort manchmal Rangstreitigkeiten gab.

      Bei den Maultieren bekam sie einmal eine Beisserei mit. Sie lernte, dass die Tiere um die Machtposition in der Gruppe kämpfen, um den Weibchen zu gefallen.

      Théra war noch kein Jahr alt, aber die Fürsorge von Para und Papa, ihre Fähigkeit, mit den Tieren zu sprechen, ihre Beobachtungsgabe, ihre Unbekümmertheit und ihr wacher Geist zeigten ihr all das immer klarer auf. Sie lernte, die Welt mit ihrer kindlichen Auffassungsgabe und der Kraft des Tunnels zu begreifen.

      Überall wo sie war, wurde sie mit Freundlichkeit aufgenommen, von den Menschen und auch von den Tieren. Das prägte Théras Verhalten.

       5.

      Unten am Fluß gab es eine Siedlung aus Holzhäusern. Dort wohnten viele Menschen. Es waren Indios, wie sie selbst. Alle diese Indios arbeiteten in der Ausgrabung, die Mama befehligte. Es gab dort aber auch einen Laden. Para, Papa und Mama gingen manchmal mit ihr dahin. In dem Laden gab es alles zu kaufen. Es waren immer irgendwelche Käufer da. Manche brauchten Zucker, andere Getränke, ein Sägeblatt, eine Sense oder ein Brot. Andere wiederum kauften sich Kleidung, Schuhe oder einen Hut. Hier erhielt Théra ihre erste indianische Kleidung. Ein Hemd aus Leinen, Sandalen, und einen Poncho, den sie überziehen konnte, wenn es regnete.

      Sie erhielt auch ein Kopftuch und einen Hut. Mama hatte ihr erklärt, sie sei eine Quechua. Darauf müsse sie stolz sein. Ein Quechua Mädchen müsse indianische Kleidung tragen.

      Viele der Indios hatten Instrumente. Panflöten, Rasseln, Trommeln, Gitarren und verschiedene andere Zupf-, Streich-, und Blasinstrumente. Abends wurde viel musiziert. Die Indios sangen und tanzten, und oft saßen sie zusammen und lernten miteinander.

      Für Théra war das wunderbar. Mama sang oft mit. Jeder, der ein Instrument spielen konnte oder singen konnte, der durfte mitmachen, egal wie falsch das klang. Auch Théra mischte sich mit ihrer kindlichen Stimme ein. Anfangs sehr schüchtern und leise. Später trällerte und sang sie, wobei sie bald darauf achtete den Takt und die Töne zu treffen. Mama machte ihr das vor. Théra sang Mama einfach nach.

      Es gab hier einen Imbiss mit einem großen Hof, in dem viele Tische und Bänke standen. Einfach und roh zusammengezimmert. Mama, Papa und Para aßen oft dort. Sie ließen Théra kosten. Es schmeckte ganz anders als im Hotel. Théra lernte den Unterschied zwischen indianischem Essen und der gehobenen Küche kennen, die im Hotel gepflegt wurde. Sie konnte nicht sagen, was besser war. Beides war gut, aber beides war anders. Sie sah auch immer wieder Gäste, die sie schon aus dem Hotel kannte. Sie liebten diese Zusammentreffen der Indios genauso wie Théra.

      Nun vielleicht nicht genauso. Für die Fremden war das exotisch. Es war Urlaub. Für Théra war das ihre Kultur, ihre Lebensart. Die Menschen lebten auch in Holzhäusern, so wie sie und Mama. Sie sprachen eine eigene Sprache, die Sprache der Quechua und der Aymara Indianer. Die Fremden sprachen mexikanisch, amerikanisch, deutsch oder etwas anderes. Sie verstanden vieles nicht.

      Théra hatte das indianisch und das spanisch von Anfang an gehört. Beides wurde „Zuhause“ gesprochen. Außerdem kannte sie von Dennis und Para diese Tiersprache, und sie lernte auch diese universelle Sprache zu verstehen und zu sprechen, die Papa und Para manchmal benutzten.

      Außerdem sprachen Para und Papa manchmal in einem indianischen Dialekt, den Mama nicht verstand. Später sollte sie verstehen, dass dies die Sprache der Théluan und der Peruan gewesen war. Auch diese Laute verstand Théra seltsamerweise.

      Obwohl diese kleine Siedlung rund um die Ausgrabung weit abgeschieden war, wuchs Théra gleichzeitig mit mehreren Sprachen auf und sie konnte diese Sprachen bald unterscheiden und lernte sie alle zu sprechen.

       6.

      Als die Sporthalle und die Eventhalle fertig waren, die dort neben em Hotel gebaut worden waren, diese muschelförmigen Gebäude, die sich bis hinauf in den Himmel hoben, da begann Papa regelmäßig verschiedene Musiker einzuladen. Es entwickelte sich bald ein weiteres Zentrum in dem indianische Musik genauso gepflegt wurde wie klassische Musik.

      Théra nahm an diesen Ereignissen von Anfang an Teil. Sie lernte, dass es ganz verschiedene Musikrichtungen gab. Jede hatte irgendetwas besonders schönes. Da gab es einen Klavierspieler. Papa hatte sie in dieses Konzert mitgenommen. Théra hatte mit wachen Augen und Ohren dagesessen, der Mund stand offen. Speichel tropfte aus den Mundwinkeln, so vertieft war Théra in diese Musik. Sie sabberte Dennis das ganze Hemd voll. Später schlief sie in seinen Armen ein.

      Manchmal kamen Gruppen, die indianische Musik spielten. Théra kannte das aus der Indiosiedlung, dennoch klang es anders.

      Schließlich kamen auch Conny, Armando und Fatima. Natürlich kannte sie diese Namen nicht. Aber Mama und Papa nahmen sie mit. So etwas hatte Théra noch nie gehört. Die Musik blieb in ihrem Kopf. Noch lange nachdem die Musiker aufgehört hatten zu spielen.

      Théra hatte auf Papas Schoß gesessen. Sie hatte die Ärmchen zu der Musik gestreckt. Manchmal bewegte sie die Ärmchen im Takt der Musik und wiegte mit dem Kopf. Sie hatte fieberheisse Wangen und ihr Atem ging schwer und stoßweise. In dieser Nacht prägte Théra ein eigenes Wort für Musik. Es klang wie eine Mischung aus Geige, Panflöte und dem Gesang Fatimas. In den Folgetagen sang sie immer wieder diese Art der Musik. Manchmal saß sie bei Papa oder Para auf dem Schoß, manchmal bei Mama. Théra sang und sang und sang.

      Sie sang auch ihren Hunden vor, die dann anfingen zu kläffen und zu heulen, und der Gesang wurde dreistimmig, Théra und ihre zwei Hunde. Manchmal klang das schaurig, manchmal melodisch. Théra und ihre zwei Hunde hatten einen eigenen Gesang gefunden.

      


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