Fremdsprachendidaktik als Wissenschaft und Ausbildungsdisziplin. Группа авторов
Читать онлайн книгу.soll“ (Körting, 1887, S. 40). Dieses wissenschaftliche Verständnis des Faches setzt den Neusprachler dem Altsprachler gleich. Es führt aber auch dazu, dass zahlreiche Lehrer der damaligen Zeit forscherisch tätig wurden. Das zeigt sich zum ersten an dem großen Anteil promovierter Fremdsprachenlehrer, wie dies aus den Mitgliederlisten des Allgemeinen Deutschen Neuphilologenverbandes ersichtlich wird: Von den 2182 Mitgliedern des Verbandes, die der Konferenzbericht zur 14. Versammlung 1910 in Zürich auflistet, tragen weitaus mehr als die Hälfte einen Doktortitel (vgl. Vorstand des Allgemeinen Deutschen Neuphilologenverbands, 1911, S. 137-173). Zum zweiten ist die Publikationstätigkeit der Lehrer jener Zeit erheblich: Allein zum Thema der Neusprachenreform verzeichnet die Bibliographie von Breymann (1895 und 1900) für den Zeitraum von 1875 bis 1899 über 1200 theoretische Veröffentlichungen in Fachzeitschriften, Schulprogrammen und Einzelpublikationen. Ein Großteil dieser Schriften wurde von Lehrern verfasst. Körting sieht denn auch in der wissenschaftlichen Tätigkeit einen Weg zur Erfüllung im Beruf:
Der Gymnasiallehrer, welcher nicht wissenschaftlich arbeitet, wird nothwendigerweise zum Routinier, zum Handwerker und noch dazu meist zu einem Handwerker, der sein Handwerk ohne Liebe, vielleicht sogar mit innerem Widerwillen eben nur des Brotverdienstes willen betreibt. Nur durch wissenschaftliche Arbeit wahrt der Gymnasiallehrer sich die Berufsthätigkeit und die Berufsfreudigkeit. Nicht freilich, als ob ein jeder schriftstellerisch thätig sein müsste. Das kann unmöglich gefordert werden, denn das ist nur dem möglich, der besondere Neigung und Begabung dazu besitzt. Aber ein Jeder soll irgend etwas arbeiten, soll das Fortschreiten seiner Fachwissenschaft verfolgen, soll darnach streben, auch in irgend ein Einzelgebiet derselben, und wäre es ein noch so eng begrenztes, so tief einzudringen und es so vollständig zu beherrschen, wie er es nur irgend vermag. (Körting, 1887, S. 40f.)
In die Reformzeit fallen auch die Anfänge der Lehrerforschung, im Rahmen derer Fremdsprachenlehrer ihren eigenen Unterricht über einen langen Zeitraum hin beobachten, dokumentieren, analysieren und ggf. verändern (dazu Klippel, 2013). Am bekanntesten ist wohl das mehrjährige Unterrichtsprojekt von Hermann Klinghardt (1888), der aber nur einer der vielen experimentierfreudigen Lehrer der Zeit war.
Von Forschung zur Lehrerbildung kann man bei den meisten Veröffentlichungen zum Thema aus der Zeit vor 1914 nach heutigem Verständnis wohl kaum sprechen, wenngleich sich in einigen der Grundsatzüberlegungen, so etwa bei Körting (1887) oder Schröer (1887) durchaus Ansätze für eine theoretisch-konzeptuelle Darstellung erkennen lassen. Insofern lag der Schwerpunkt vor gut 120 Jahren auf ganz anderen Gebieten als heute. Vergleicht man die wissenschaftliche Diskussion zum Fremdsprachenlehrer-Werden und Fremdsprachenlehrer-Sein damals und heute, wie sie Caspari (2016) prägnant in zehn Thesen zusammengefasst hat, so fällt vor allem auf, dass die Innensicht auf den Lehrerberuf heute wesentlich stärker berücksichtigt wird. Dass es im Hinblick auf die Forschungsansätze große Unterschiede gibt, ist nicht verwunderlich; schließlich steckte die empirische Forschung in den Geisteswissenschaften damals noch in den Kinderschuhen. Historische Forschung zu Fremdsprachenlehrern war damals wie heute rar. Die Geschichte der Fremdsprachenlehrerbildung verdient jedoch mehr Aufmerksamkeit, denn in ihr zeigen sich Grundmuster, die uns bis heute begleiten.
Literatur
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Schmeding,