Antikorruptions-Compliance. Simon Schafer
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Politische Beiträge, insbesondere zur Parteienfinanzierung, werden oftmals unter dem Titel der legal corruption abgehandelt. Sie können aber demokratische Strukturen fundamental in Frage stellen, wenn sie nicht klaren Regeln folgen (insbesondere Transparenzvorschriften).[84]
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In über 80 % der bekannten großen internationalen Bestechungsfälle haben sich Unternehmen zur Bestechung Dritter, sog. Intermediäre, bedient.[85] Selbst wo im Anstellungsvertrag mit dem Agenten Bestechung ausdrücklich verboten wird, dienen solche Intermediäre oft dazu, illegale Zahlungen weiterzureichen.[86] Schon bei der Auswahl der Intermediäre hat das Unternehmen besondere Sorgfalt walten zu lassen. Sodann muss die Compliance Abteilung anhand von Listen von sog. red flags die vom Unternehmen beschäftigten business partners kritisch beobachten.[87] Agenten sind eine der häufigsten unternehmensinternen Konfliktzonen zwischen der Compliance Abteilung und der Linie. So hat sich Statoil im Iran-Geschäft[88] oder Och-Ziff im Kongo[89] fragwürdiger Intermediäre bedient. In beiden Fällen haben die Unternehmen große Strafzahlungen leisten müssen. Insgesamt muss das Unternehmen bei der Auswahl, der Beschäftigung und der Beaufsichtigung von Intermediären (insbesondere auch von sog. sales representatives) besondere Sorgfalt walten lassen.
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Eine Reihe weiterer Vorkehrungen dienen der Umsetzung des Compliance-Programms: Zunächst müssen die Mitarbeiter und die Intermediäre regelmäßig geschult werden. Bei großen Unternehmen mit stark wechselnder Belegschaft wird elektronische Schulung im Vordergrund stehen, bei KMU die face to face-Schulung.[90]
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Die Compliance-Abteilung hat eine wichtige Funktion bei der Beratung der Mitarbeiter im Alltag.[91] Sodann bedarf es Kontrollvorkehrungen. In diesen Kontext gehören auch die Whistleblower-Portale und der arbeitsrechtliche Schutz von Whistleblowern.[92]
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Schließlich ist zu bedenken, daß Compliance-Programme regelmäßig an veränderte regulatorische Vorgaben und an neue Risikolagen angepasst werden müssen.[93]
I. Das Dilemma
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Zumal auf schwierigen Märkten im globalen Süden befinden sich Unternehmen häufig in Problemlagen: Beamte fordern Bestechungszahlungen für Alltagshandlungen, auf die das Unternehmen im Grunde Anspruch hat (Verzollung, Aushändigung von Frachtgut, Bewilligungen, Steuerbescheide, Transport von Gütern etc.). Bezahlt das Unternehmen, riskiert es nicht nur lokal rechtliche Schwierigkeiten, es kann neuerdings auch zu Hause vor Gericht gestellt werden. Verweigert das Unternehmen, der erpresserischen Forderung nachzukommen, wird es Aufträge an weniger skrupulöse Konkurrenten verlieren und es riskiert, die Geschäftsbasis im betreffenden Land insgesamt einzubüßen.
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NRO, wie Transparency International, schlagen schlicht vor, die Zahlung zu verweigern: resist lautet ihre Losung.[94] Das mag bei kleinen Alltagszahlungen oder aber für sehr große Unternehmen auch bei großen Aufträgen praktikabel sein, die meisten Unternehmen werden sich diese Haltung alleine aber nicht leisten können.
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Multinationale Unternehmen haben in der Vergangenheit bei Großaufträgen direkt den Kontakt zum Staatspräsidenten des betreffenden Landes gesucht, unter Umständen gar mit der Drohung des Abzugs aus dem Land (wie z.B. Ikea in Russland). Das können sich KMU aber in der Regel nicht leisten.
II. Collective Action: High Level Reporting Mechanism
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Zur Sicherung vor Erpressung haben Industrieverbände vorgeschlagen, in problematischen Staaten spezielle business ombudsmen mit direktem Bezug zur Staatsleitung zu propagieren.[95] In der Ukraine wurde ein solches Ombuds-Büro mit der Hilfe der Europäischen Entwicklungsbank (EBRD) eingerichtet. In ähnlicher Weise hat Präsident Santos von Kolumbien, auf Anregung der OECD hin, einen High Level Reporting Mechanism in seinem Präsidialamt geschaffen (die Secretaría de Transparencia).
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Der business ombudsman ist ein Anwendungsfall der collective action,[96] an der nicht nur Unternehmen, sondern weitere Stakeholders, insbesondere auch der betreffende Staat teilnehmen.
III. Human Rights Compliance
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Es ist darauf verwiesen worden, dass Compliance ein offenes Gefäß ist. Neben den klassischen Risikofeldern wie Korruption, Geldwäsche, Preisabsprachen und Risiken am Arbeitsplatz, können die etablierten Compliance Programme mit weiteren Inhalten gefüllt werden.
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Gegenwärtig sind intensive Diskussionen im Gange, Unternehmen für schwere Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in Pflicht zu nehmen. Neben den generellen Rechtsquellen, wie die OECD Guidelines for Multinational Enterprises[97] und die UN Guiding Principles on Business and Human Rights,[98] werden etwa Sonderregeln zur Zwangsarbeit international umgesetzt.[99] Unternehmensverbände und Multistakeholder-Gruppen (wie die Partnering against Corruption Initiative, PACI, des World Economic Forum) beschäftigen sich mit der freiwilligen Ausdehnung der Compliance Regime in Antizipation staatlicher Regelungen auch auf weitere Bereiche der Menschenrechte. In ähnlicher Weise beschäftigt sich derzeit die Bekleidungsmittelindustrie – aufgeschreckt durch den Einsturz von Rana Plaza in Bangladesch[100] – mit Arbeiterschutz in ihrer Lieferkette. Insgesamt wird das Thema Compliance über die klassischen Risikofelder hinaus diverse Erweiterungen erfahren. Dabei werden die Erfahrungen der Praxis der Antikorruptions-Compliance von großer Bedeutung sein.
Anmerkungen
Heimann/Pieth S. 94; Hoven S. 16 f., S. 548.
Vgl. etwa die Aufzählung bei Trechsel/Pieth Art. 322septies Rn. 5.
Hoven S. 15.
Heimann/Pieth S. 222.
Machiavelli Il Principe, 1513.
Hobbes Leviathan, 1651.
Bueno de Mesquita/Smith S. 1 f., S. 128.
Richter S. 64.
Bueno de Mesquita/Smith S. 4 f., S. 119.