Generation Corona. Bernhard Heinzmaier

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Generation Corona - Bernhard Heinzmaier


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im Spiel um die politische Macht koalieren muss, damit man die Bühne behält, von der herab man weiterhin die Fantasien vom gelobten Land predigen kann. Die Grünen wollen die Erlösung der Gesellschaft zum Diskontpreis, die Umwälzung der Verhältnisse ohne Anstrengung und Risiko, eine gerechte Gesellschaft, ohne sich mit den Verantwortlichen für Ungerechtigkeit und Ungleichheit in eine fundamentale Auseinandersetzung zu begeben.

      Genau so ist der progressive Lehrer der kapitalistischen Aufschwung-Phasen gewesen, der jetzt groteskerweise in einer Abschwung-Phase als Grünen-Politiker wiederkehrt, eine antiautoritär und fortschrittlich gestylte Mogelpackung, die am Ende keine andere Funktion erfüllt, als die ungestümen und unangepassten Teile der Jugend in die systemtreuen linksliberalen oder grünen Weltverbesserungsbewegungen zu integrieren, die sich immer im Zustand des rasenden Stillstands befinden und dabei ständig so tun, als würden sie sich rasant auf das Ziel hinbewegen, an dem das gute Leben wartet.

      Wenn Bildung nach der Logik der neoliberalen Erfolgsvorstellungen funktioniert, kann es den Lernenden nicht mehr um die Sache selbst gehen, um Inhalte, für die man „brennt“, es geht nur noch um günstige Gelegenheiten, bei denen man für möglichst wenig Aufwand die größte Zahl an ECTS-Punkten mitnimmt.

      In den Jugendstudien der letzten 15 Jahre wurde diese sich schon damals abzeichnende neue Emotionslosigkeit und ideologische Abgeklärtheit als „Pragmatismus“ gefeiert. Eine pragmatische Jugend ist im Zeitalter des progressiven Neoliberalismus gerne gesehen, weil man keine Zwangsmittel anwenden muss, damit sie sich den Werten, Normen, Konventionen und Regeln des herrschenden Systems unterwirft. Sie hat die Prinzipien des Marktes und des Wettbewerbs bereits internalisiert.

      Musste man die 1968er und ihre Nachfolger:innen noch auf der Straße deftig niederknüppeln, so hat der Mainstream der heute lebenden Jugend, vor allem die aus den bildungsnahen Schichten, das brave Mitmachen und Apportieren der Stöckchen gelernt, die die immer freundliche und positiv gestimmte Herrschaft ihnen wirft. Sie halten sich brav an das Achtsamkeits- und Schönsprech-Gebot der links-bürgerlichen Kommunikationseliten, ziehen sich die modischen Business-Klamotten an, die sie brav im Internet bestellen, wenn sie zur Prüfung gehen – auch die Omama freut sich über so viel affirmative Adrettheit –, und haben depressive Episoden, wenn sie nicht 14-tägig ihre akkurate zeitgeistige Einheitsfrisur vom Friseur ihres Vertrauens modellieren lassen können. Und was das Wichtigste ist, sie begehren nicht auf und stellen den gesellschaftlichen Status Quo, dem die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen zugrunde liegt, nicht infrage.

      Dass man nicht zum Friseur gehen kann, ist offensichtlich tatsächlich die Einschränkung des Lockdowns, die der Generation Corona am meisten zu schaffen gemacht hat. Die Regierung hat die untergründig bebende Unzufriedenheit in den Jugendszenen gespürt und schnell die Friseurläden öffnen lassen. Hätte man damit noch einige Wochen länger gewartet, wer weiß, ob nicht gar eine revolutionäre Situation entstanden wäre.

      Auch die weniger Pragmatischen, die noch einen Rest an Ehrgefühl und lebendiger Überzeugung in sich haben und die an den täglichen ideologischen Sermon von Individualismus, Selbstverwirklichung, Aufstiegsversprechen, Achtsamkeit und Nachhaltigkeit nicht mehr glauben, halten aus taktischen Gründen den Mund, weil sie sich keine Schwierigkeiten einhandeln und Nachteile in Kauf nehmen wollen. Und so ist die Generation Corona pflegeleicht, anpassungsfähig, immer konstruktiv und meistens freundlich.

      Diese immerwährende Artigkeit kommt auch in der Demonstrationskultur der postmodernen Jugendbewegungen, nimmt man die linksradikale Antifa einmal aus, zum Ausdruck. Während die 1968er untergehakt als rhythmisierte Masse unter „Ho-Ho-Ho-Chi-Minh“-Rufen durch die Straßen hüpften und so den Kleinbürger:innen eher als militanter und entschlossener Kampfverband denn als um die Zukunft besorgte depressive Weltrettungsbewegung erschienen, sind die heutigen Jugendbewegungen bis zum Überdruss konstruktiv und gesprächsbereit. Während die 1968er wussten, dass der repressive bürgerliche Staat nur durch einen Machtkampf auszuhebeln ist, der auch konfrontativ auf den Straßen auszutragen ist, glauben die jungen Klimaschützer:innen unserer Tage, dass man mit einem ständigen besorgten Blick und vernünftigen Argumenten die Herrschenden dermaßen beindrucken kann, dass sie auf eine gemeinschaftliche und weltbewahrende Achtsamkeitspolitik umschwenken. Deshalb sitzen sie ja auch ständig mit den Staats- und Regierungschefs zusammen, gehen in den Büros der EU-Kommission ein und aus und nehmen unausgesetzt an irgendwelchen Versammlungen der UNO teil. Das Einzige, was ihnen das bringen wird, ist ein guter Job in der Politik oder in einem internationalen Konzern, wenn sie irgendeinem Lobbyisten in Brüssel positiv auffallen. Die Weltwirtschaft werden sie aber keinesfalls in ein nachhaltiges und sozial gerechtes Wunderland transformieren.

      Es ist schon richtig, wenn da und dort immer wieder festgestellt wird, dass die neuen Jugendbewegungen wie Kreuzzüge erscheinen. Davon haben sie schon etwas an sich, wenn man beobachtet, wie die in nette und saubere „Casual Couture“ eingekleideten juvenilen Protestumzüge, in denen schul-kreative Transparente und Protesttäfelchen mitgeführt werden, die so aussehen, als wären sie gemeinsam mit engagierten Lehrer:innen und Dozent:innen im Unterricht angefertigt worden, an einem vorbeiziehen. Die jungen Menschen sind zwar freundlich lebensbejahend gekleidet und ab und an stimmen sie auch fast hitzige und herausfordernd klingende Protestchöre an, aber im nächsten Augenblick zeigen ihre Gesichter wieder den depressiv-besorgten Ausdruck von zukunftsbesorgten angepassten Lehrerlieblingen. Ja, die postmodernen Jugendbewegungen sind Opferbewegungen, die ihr kollektives Erscheinen in der Form von Opfermärschen pflegen, oder sie halten es zumindest für zielführend, sich als Opferinitiative zu inszenieren.

      Überhaupt scheint heute jeder Protest nur mehr dann legitim und bemerkenswert zu sein, wenn gekränkte, beleidigte, verletzte, zutiefst in ihrer Ehre herabgewürdigte Menschen und Menschengruppen aufmarschieren. Und diese protestierenden Opfergemeinschaften empfinden sich zudem selbst nicht als materielle Macht, die an ihre eigene Stärke glaubt und ihr massives quantitatives und qualitatives Gewicht selbstbewusst in die Auseinandersetzung mit den Herrschenden in die Waagschale wirft, um die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse zu verändern. Vielmehr sind die neuen Jugendbewegungen immer appellierende Bewegungen, die nicht fordern, sondern bitten und betteln. Die Folge ist, dass die führenden Exponent:innen der Bewegungen überall als Bittsteller:innen vorsprechen und ihre Anliegen, wie immer konstruktiv, vortragen. Denn man empfindet sich, selbst wenn hinter einem 100.000 Leute vor der Tür eines Ministeriums stehen, nicht als mächtig und stark, sondern sieht sich als Abordnung einer Gruppe von immer wieder ans Kreuz genagelten Gekränkten und Beleidigten.

      Dieses Opferselbstverständnis führt dazu, dass niemals Aktionsformen entstehen, in denen junge Menschen im Bewusstsein ihrer Macht und Stärke im Kollektiv souverän und selbstbewusst auftreten. Gerne verstecken sich die Angehörigen der postmodernen Opferbewegungen in der Masse, und wenn sie in den sozialen Netzwerken auftreten, dann selten mit offenem Visier, sondern gut verborgen hinter der Anonymität eines Pseudonyms.

      Das wichtigste Kriterium für den Erfolg der alten Arbeiterbewegung war, dass sie sich selbstbewusst als die aufsteigende Klasse gesehen hat, mit der die neue Zeit zieht. Niemals war die Arbeiterbewegung eine Opferbewegung. Bis zum letzten kleinen Gewerkschaftsfunktionär waren dort alle davon überzeugt, dass, auch wenn es immer wieder Rückschläge gibt, am Ende der Sieg der Arbeiter:innen stehen wird, weil er eine historische Notwendigkeit ist. Genauso wie der Sturz der herrschenden Klassen, der Eliten des alten Systems, als die notwendige Voraussetzung für einen Neubeginn gesehen wurde.

      Die neuen Opferbewegungen haben nichts von diesem Selbstbewusstsein der alten Arbeiterbewegung. Ihnen fehlt auch der Sicherheit gebende verlässliche Zusammenhalt innerhalb der Bewegung. Eine Ansammlung von Individualist:innen kann keine stabile Gemeinschaft sein, in der sich die Einzelnen aufgehoben und getragen fühlen. Und so besteht die Kernstrategie des Handelns dieser Pseudobewegungen immer darin, sich mit den Herrschenden zu verbünden, um die eigenen Ziele zu erreichen. Darin gleichen sie den Nerds in der Schule, die nicht gegen den Lehrer aufbegehren, sondern im Gegenteil das Bündnis mit ihm suchen. Immer nur die Schwachen sind es, die die Starken dafür zu benutzen versuchen, dass sie stellvertretend für sie Auseinandersetzungen führen. Die, die sich stark fühlen, erledigen das selbst.

      Und so suchen die neuen Opferbewegungen das Bündnis mit dem digitalen Kapital, mit den Herrschenden der Politik, mit den Gewerkschaften, den Generaldirektoren


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