Kommunikationswissenschaftliches Arbeiten. Petra Herczeg
Читать онлайн книгу.zur Öffentlichkeit“ (Becker, 2014, S. 108) geht. Societal Relations haben sich aus den Public Relations herausentwickelt. Als ein legendäres Beispiel dafür gelten die „torches of freedom“. Der PR-Pionier Edward Bernays (in Wien geborener Neffe von Sigmund Freud, dessen Eltern in die USA ausgewandert waren) hat versucht, psychologische Erkenntnisse für die PR-Arbeit zu nutzen. Sein Ansatz war, dass er PR-Arbeit in einem massenpsychologischen Kontext verortete und dabei „die Bedeutung unbewusster menschlicher Bedürfnisse“ (Lies, 2015, S. 184) betonte. In seinem Buch über Propaganda schrieb er: „Human desires are the steam which makes the social machine work. […] Only by understanding them can the propagandist control that vast, loose-jointed mechanism which is modern society.“ (Bernays, 1928, S. 52–53)
1929 arbeitete Bernays für die American Tobacco Company, die damals zu einem der größten US-Unternehmen zählte. Um weitere Zielgruppen zu generieren, sollten Frauen zum Rauchen motiviert werden, [42] denen es zur damaligen Zeit verboten war, in der Öffentlichkeit zu rauchen. Bernays entwickelte daraufhin eine Aktion mit dem Namen „torches of freedom“. „Er engagierte Models, die während der Osterparade in New York öffentlich rauchten, […]. Bernays ließ Fotos machen, verschickte sie weltweit und packte drumherum die Geschichte von den Fackeln der Freiheit: Frauen sollten sich emanzipieren und als Symbol ihrer Unabhängigkeit öffentlich rauchen. Jede Zigarette sei eine Fackel der Freiheit.“ (Becker, 2014, S. 109) Die Kampagne ging auf, überall in den USA wurde über die Aktion „torches of freedom“ berichtet und der Anteil der an Frauen verkauften Zigaretten stieg von 5 % auf 12 % im Jahr 1929 und hatte 1933 einen Anteil von 18 %. Für PR- und Marketingexperten gilt diese Aktion als ein Meilenstein in der Geschichte der PR. Auch wenn dazu angemerkt werden muss, dass durch die gesellschaftlichen Entwicklungen – wie den Feminismus – der Anstieg der rauchenden Frauen kontinuierlich in den 1920er-Jahren angestiegen war – unabhängig von den PR-Aktivitäten von Edward Bernays. Dieser verstand es aber sehr gut die in der Gesellschaft vorherrschenden Trends und Erwartungen aufzugreifen und in Kampagnen umzusetzen.
3.5.8Unterhaltungs-, Werbe- und Motivationsforschung. Von Herta Herzog
Herta Herzog gilt mit ihren Studien als Mitbegründerin der Uses-and-Gratifications-Forschung, d. h. der Untersuchung der Motive, warum sich Menschen bestimmten Medien und Inhalten zuwenden. Sie hat sich als eine der Ersten mit Unterhaltungssendungen und deren Bedeutung für die Rezipienten befasst. In „Professor Quiz – A Gratification Study“ (1940) hat Herzog die in den USA damals sehr populäre Radiosendung „Prof. Quiz“ untersucht, indem sie mit qualitativen Interviews die Zuhörer befragte und herausfinden konnte, dass diese aus verschiedenen Anreizen heraus die Sendung hörten. Für die empirische Untersuchung von Soap Operas „On Borrowed Experience. An Analysis of Listening to Daytime Sketches“ (1941) führte Herzog 100 Intensivinterviews mit Frauen durch und konnte zeigen, dass die Soap Opera z. B. dazu genutzt wurde, um dem Alltag zu entfliehen oder sich einfach nur zu entspannen. Auch in ihrer Studie „What Do We Really Know About Daytime Serial Listeners?“ (1944) wandte sich Herzog dem Publikum zu, da es nicht nur darum gehen könne, statistische Daten über die Mediennutzung zu sammeln, sondern: „We turn therefore to a summary of such studies which are concerned not with listener characteristiscs but with listenersʼ own reports of their listening experience“ (Herzog, 1944, S. 23). Herzogs Verdienste bestehen vor allem darin, [43] dass sie sich mit „populären Unterhaltungsprogrammen und deren HörerInnen“ (Klaus, 2008, S. 240) befasste, durch Intensivinterviews die Rezipienten selbst zu Wort kommen ließ und sich nicht nur auf quantitative Daten und große Stichproben verließ (vgl. Klaus, 2008, S. 240). Die daraus gewonnenen Erkenntnisse konnte Herzog ab 1943 bei der Anzeigenagentur McCann-Erickson weiter ausbauen, 1948 wurde sie Leiterin der McCann-Erickson Forschungsabteilung und etablierte in den 1950er-Jahren die Motivationsforschung in der Werbeforschung. „MarktforscherInnen benötigten ein dynamischeres Wissen über KonsumentInnen als es statistische Daten vermitteln“ (Klaus, 2008, S. 242). Durch den Einsatz von Tiefeninterviews sollten die Wünsche der Konsumenten ermittelt werden, d. h., es sollte nicht erforscht werden, was sie gekauft haben, sondern warum sie etwas gekauft haben. Das Vorgehen von Herta Herzog war multidimensional angelegt, zunächst wurden Zielgruppen- und Marktanalysen vorgenommen, daran anschließend wurden Tiefeninterviews und projektive Persönlichkeitstests mit den Konsumenten durchgeführt und in einem weiteren Schritt wurden Anzeigenentwürfe bei ihnen getestet. Mit ihren Studien lieferte Herzog wesentliche Beiträge für die Marktforschung, indem sie die Vermarktung von Produkten mit den Erwartungen, Wünschen und Lebenssituationen der Menschen in einen Zusammenhang setzte.
Viele Jahrzehnte später – Herta Herzog war von den USA nach Europa zurückgekehrt – wendete sie sich wieder der Unterhaltungsforschung zu. In ihrer Studie „Der Stich ins Böse: Dallas und Denver Clan: Garantiert anders als der Alltag“ (1990) wurden qualitative Interviews kombiniert mit einem projektiven Persönlichkeitstest durchgeführt und es wurde eruiert, welchen Stellenwert diese Serien im Leben der befragten Zuschauer einnahmen.
Herta Herzog hat mit ihrer Publikumsforschung einen wichtigen Beitrag für die Rezeptionsforschung geleistet, der in der Wissenschaft lange Zeit nicht ausreichend erkannt und gewürdigt wurde (vgl. Klaus, 2008). In der Marktforschung wurde Herzog zur „Gray Eminence of Market Research“ und sie wurde „in die ‚Hall of Fame‘ des Market Research Council aufgenommen“ (Klaus, 2008, S. 242). Ihre Ansätze über die Motive und Entscheidungen von Konsumenten haben auch heute noch in der Marktforschung große Bedeutung. [44]
4Quelle: Persönliche Mitteilung von Prof. Dr. Roland Burkart. Mit der Bezeichnung „ein bisserl“ (Wienerisch für „ein wenig“) erwies sich Paupiè als Visionär in einem doppelten Sinn: Einerseits erkannte er die damals aufkeimende Diskussion um Inter- und Transdisziplinarität von (insbesondere: Sozial-)Wissenschaften und andererseits richtete er seinen Blick mit dieser Etikettierung auf die ebenfalls zu dieser Zeit stattfindende Auseinandersetzung über unterschiedliche Wissenschaftsbegriffe – speziell in den Natur- und Geisteswissenschaften – und die damit jeweils präferierten methodischen (quantitativen sowie qualitativen) Vorgehensweisen.
5Auf das angespannte Verhältnis zwischen Lazarsfeld und Cantril soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden, sondern es sei auf den Beitrag von Martin R. Herbers (2016) verwiesen.
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