Christlich-soziale Signaturen. Группа авторов

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Christlich-soziale Signaturen - Группа авторов


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Gemeinwohl sowie zwischen Kapital und Arbeit zum Wohle der Gesamtgesellschaft minimieren. Eingelernte Verhaltensmuster, beliebte Sündenböcke und altgediente Feindbilder müssen hinterfragt werden. Es ist beispielsweise nicht sozial, wenn der Mittelstand in Österreich knapp 42 Prozent der Lohn- und Einkommensteuer entrichten muss, weshalb die neue Volkspartei klar für Steuerentlastungen eintritt. Es ist beispielsweise nicht sozial, wenn die gesellschaftliche Durchlässigkeit in Österreich erschreckend gering ist. Und schließlich: Es ist generell nicht sozial, wenn Partikularinteressen als bedeutender als Gesamtinteressen angesehen werden. Um den Sozialstaat neu zu denken, braucht es also einen theoretischen Überbau, der Sozialpolitik nicht in eigentlich zynischer Art und Weise mit der Auszahlung von Geld zur Befriedigung kurzfristiger Konsumanreize verwechselt. Das Ziel von Sozialpolitik muss sein, Menschen langfristig bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeit zu unterstützen und sie zu befähigen, selbst ihr Leben zu finanzieren und zur Gemeinschaft beizutragen.

      Nach dem Scheitern des real existierenden Sozialismus verbleiben die christliche Soziallehre, die „soziale Demokratie“2 und die liberale Demokratie als politische Weltanschauungen, die sich mit unterschiedlicher Gewichtung an der sozialen Frage abarbeiten. Während im rein liberalen Diskurs die soziale Frage oft zu einschränkend als Folgeprodukt der Marktwirtschaft betrachtet wird, ist sie für die christliche Soziallehre und die soziale Demokratie eine zentrale Begrifflichkeit, um die Gesellschaft in all ihrer Widersprüchlichkeit zu denken. Während die soziale Demokratie aber materialistisch und immanent argumentiert, fordert die christliche Soziallehre auch nicht-materialistische und transzendente Werte und Begrifflichkeiten ein.

      Solche Grundwerte können von Parteien ebenso wenig wie in Verfassungen letztbegründet werden – wie es auch der Verfassungsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde in seinem Diktum, wonach „der freiheitliche, säkularisierte Staat von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann“3, formuliert. Gemeinsame Werte können zwar von der Gesamtgesellschaft anerkannt werden, aber begründen kann diese Werte in pluralistischen Gesellschaften nur der Einzelne. Oberste und letztendliche Wahrheiten kann eine demokratische Politik nicht liefern; politische Parteien begnügen sich mit vorletzten Begründungen und überlassen es dem Gewissen des und der Einzelnen, Entscheidungen schlüssig zu begründen. Stimmige Letztbegründungen für soziale Homogenität und nachhaltige Sozialpolitik findet der Bürger beim Rückgriff auf die großen Weltreligionen und die klassischen philosophischen Ethiken. Neben der katholischen Soziallehre und der evangelischen Sozialethik haben auch der Islam (z. B. mit der Zakat) und das Judentum komplexe Vorschriften für ein sozial verträgliches Miteinander entwickelt.

      Christliche Zugänge zum Sozialen

      Die katholische Soziallehre fußt auf bestimmten philosophischen Überzeugungen und Prämissen und erhebt daher auch den Anspruch, von jedem, also auch von Nichtchristen, Atheisten und Angehörigen anderer Glaubensgemeinschaften akzeptiert werden zu können. Im Unterschied zur katholischen stellt die evangelische Sozialethik auch ihre theologischen Grundlagen dar und stellt die Frage „Was soll ich tun?“ in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen. Die evangelische Sozialethik verzichtet auf leitende Prinzipien und bietet dem Einzelnen keine vorgefertigten Handlungsanleitungen an. Vielmehr besinnt sich die evangelische Sozialethik auf den Kern der christlichen Botschaft und fordert den Einzelnen auf, bei der weltlichen Gestaltung aktiv mitzuarbeiten. Als Leitfaden und Einstieg in die Grundfragen der evangelischen Ethik bietet sich die „Barmer Theologische Erklärung“ des Jahres 1934 an.

      Die katholische Kirche hat neben dem Primat des Gewissens als menschliche Leitinstanz zusätzlich eine Soziallehre entwickelt. Unter dem Begriff „katholische Soziallehre“ versteht man kirchliche und päpstliche Schriften zu sozial relevanten Themen und Fragestellungen. Die erste Abhandlung aus dem Jahre 1892 verfasste Papst Leo XIII. unter dem Titel „Rerum novarum“, wo der Konflikt zwischen Kapital und Arbeit sowie die Ausbeutung der Lohnarbeiter thematisiert wurden. Sie ist vor allem eine Erwiderung an den damals entstehenden Sozialismus. Eine Vielzahl weiterer Sozialenzykliken4 folgte und zum 100. Jubiläum des sozialen Lehramts der Kirche veröffentlichte Papst Johannes Paul II. mit „Centesimus annus“ eine Jubiläumsenzyklika. In diesen hundert Jahren haben sich auch die bleibenden Prinzipien der katholischen Soziallehre herausgebildet und weiterentwickelt. Die grundlegenden Prinzipien der Soziallehre bilden „den wahren und eigentlichen Angelpunkt“5 und erheben den Anspruch, die gesellschaftliche Wirklichkeit in ihrer Gesamtheit deuten zu können. Damit behaupten und reklamieren sie einen „allgemeinen und grundlegenden“ Charakter für sich und verstehen sich als philosophisches System, das sich sowohl aus den Quellen der Bibel als auch aus Erkenntnissen der Sozialethik speist.

      Die katholische Soziallehre ist ein philosophisch-logisch argumentierendes Ordnungssystem, das mit seinen Prinzipien und Axiomen explizit auch Gläubige anderer Konfessionen und Agnostiker ansprechen und vertreten will. Im Unterschied zu den vorletzten Begründungen von Politik und Interessenvertretungen beanspruchen die vier Grundprinzipien eine a priori für jeden Menschen moralische Bedeutung, da sie „auf die letzten und Richtung gebenden Grundlagen des sozialen Lebens verweisen. […] Die Prinzipien bilden in ihrer Gesamtheit jene ersten Formulierungen der Wahrheit, die jedes Gewissen dazu aufrufen und einladen, in Freiheit und voller Mitverantwortlichkeit mit allen und für alle zu handeln.“6 In diesem universalen Geltungsanspruch steckt auch die Rückbindung an die moralische Verpflichtung jedes Einzelnen, diese Prinzipien aktiv zu leben und zu befolgen, um gemäß dem göttlichen Schöpfungsauftrag zu handeln. Das klingt in säkularen und aufgeklärten Gesellschaften bisweilen fremd und unverständlich, wird aber durch das Diktum der Gottesebenbildlichkeit jedes einzelnen Menschen klarer: Wenn ich meinen Mitmenschen – gleich ob gläubig oder ungläubig – als Gottes Ebenbild betrachte, werde ich ihn respektvoller behandeln, als wenn ich ihn als „arrivierten Affen“ oder noch „nicht festgestelltes Tier“ (Nietzsche) sehe. Mit dem sich ebenfalls als universaler Geltungsanspruch anmeldenden Kant’schen kategorischen Imperativ und den Menschenrechten, die jedoch ohne transzendente und überzeitliche Versprechungen auskommen müssen, bietet die katholische Soziallehre Leit- und Richtlinien für sozial verträgliches Zusammenleben an. Dabei formuliert sie im Unterschied zu anderen katholischen Lehrbereichen keine Dogmen, sondern möchte mit den Prinzipien konkrete Hilfestellungen für alltägliche Situationen anbieten.

      Die vier Grundprinzipien der katholischen Soziallehre

      Der Begriff der Personalität ist breiter als der des Individuums angelegt und bildet das Fundament der Soziallehre. Jeder Mensch ist einmalig und individuell geschaffen; jeder Mensch ist eine Einheit aus Leib und Seele. Als Abbild Gottes besitzen Mann und Frau dieselbe Würde und sind gleichwertig, aber nicht jedes Individuum ist gleich an Talenten und Fähigkeiten. Die einzelne Person erschöpft sich nicht in ihrer Individualität, sondern jeder Mensch ist seinem Wesen nach sozial und strebt nach Gemeinschaft. Menschliche Gemeinschaften sind dabei nicht einförmig, sondern pluralistisch. Damit die Entfaltung der Persönlichkeit sich nicht in Egoismen erschöpft, sondern dem Wohle aller dient, folgt aus dem Personalitätsprinzip in naturgemäßer Konsequenz das Gemeinwohlprinzip. Um das Gemeinwohl in der Gesellschaft zu verwirklichen, ist jede und jeder Einzelne in die Pflicht genommen, muss sich individuellen Anlagen gemäß beteiligen. Das Gemeinwohl wird in der katholischen Soziallehre im Unterschied zum historischen Materialismus weder ausschließlich historisch noch ausschließlich materialistisch definiert, es verfolgt vielmehr eine transzendente Zielsetzung, die nicht auf bloße sozioökonomische Kennzahlen verkürzt werden kann. Schließlich lebt der Mensch nicht von Brot allein. Wohlstandsverwahrlosung ist ein sicheres Indiz dafür, dass menschliche Armut nicht nur in ökonomischen Begriffen gedacht und argumentiert werden darf.

      Das dritte Grundprinzip, die Subsidiarität (von lat. „subsidium“: Hilfe, Reserve), setzt Selbstverantwortung vor staatliches Handeln. Was der einzelne Bürger in Vereinen, in der Familie, in der Nachbarschaft, in seiner Gemeinde, in seiner Region selbstständig schaffen, produzieren und verwalten kann, soll er nicht an den anonymen staatlichen Verwaltungsapparat delegieren. Verantwortungsgefühl entsteht durch räumliche Nähe, individuelle Betroffenheit und persönliche Taten, und nicht durch Anonymität und rhetorisch-abstrakte Gesten. Subsidiarität will die ursprünglichen und natürlichen gesellschaftlichen Ausdrucksformen


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