Requiem für den amerikanischen Traum. Noam Chomsky

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Requiem für den amerikanischen Traum - Noam  Chomsky


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      Geheime Verhandlungen und Debatten des 1787 in Philadelphia versammelten Verfassungskonvents

      MR. MADISON: So vielfältig sind die Lebenswege unserer Zeit, dass in allen zivilisierten Ländern die Interessen einer Gemeinschaft geteilt sind. Es gibt Schuldner und Gläubiger und ungleichen Grundbesitz, und daraus erwachsen verschiedene Sichtweisen und verschiedene Ziele im Staat. Dies ist die Grundlage der Aristokratie, die Bestandteil jeder Regierung ist, sei es einer der Antike oder einer modernen. Selbst dort, wo Titel länger bestehen bleiben als Eigentum, stoßen wir bisweilen auf den edlen Bettelmann, hochmütig und anmaßend.

      Der Mann, der über Reichtum verfügt, der sich auf seinem Sofa rekelt oder in seiner Kutsche dahinrollt, kann die Wünsche und Gefühle des Tagelöhners nicht beurteilen. Der Staat, den wir errichten wollen, soll immerdar Bestand haben. Gegenwärtig haben die Grundbesitzer Vorrang, doch im Verlauf der Zeit, wenn wir uns den Staaten und Königreichen Europas annähern; wenn die Zahl der Grundbesitzer aufgrund der Vielgestalt des Handels und der Fabrikation verhältnismäßig klein sein wird, werden dann nicht bei zukünftigen Wahlen die Grundbesitzer überstimmt, und was wird dann, wenn nicht kluge Vorsorge dagegen getroffen wird, aus dem Staat werden? Stünden in England heute die Wahlen allen Klassen offen, wäre das Eigentum der Landbesitzer gefährdet. Bald würde es zu einem Agrargesetz kommen. Wenn diese Beobachtungen richtig sind, sollte unser Staat die langfristigen Interessen des Landes vor Neuerungen schützen. Landbesitzer sollten einen Teil der Regierung stellen, um diese unverzichtbaren Interessen zu unterstützen und ein Gegengewicht zu den anderen zu bilden. Sie sollten in die Lage versetzt werden, die Minderheit der Reichen vor der Mehrheit zu schützen. Das Instrument hierzu sollte der Senat sein; und er sollte Dauerhaftigkeit und Stabilität besitzen. Es wurden die verschiedensten Vorschläge unterbreitet, meiner Meinung nach aber wird man diesen Ansprüchen umso mehr gerecht, je länger die Senatoren im Amt bleiben.

      Thomas Jefferson in einem Brief an William Short am 8. Januar 1825

      Je nach ihrer Konstitution und den Umständen, in denen sie sich befinden, vertreten die Menschen unterschiedliche Meinungen. Manche sind Whigs, andere Torys, Sklaven, Aristokraten und so weiter. Letztere fürchten das Volk und möchten die Macht in die Hand der höheren Gesellschaftsklassen geben. Erstere betrachten das Volk letztlich als den sichersten Hort der Macht, sie schätzen es deswegen und möchten ihm alle Befugnisse überlassen, zu deren Ausübung es befähigt ist. So sind die Ansichten heute in den Vereinigten Staaten geteilt.

      Aristoteles, Politik, Buch III, Kapitel 8

      Der Punkt, in dem sich Demokratie und Oligarchie voneinander unterscheiden, ist Armut und Reichtum. Wo die Regierung auf dem Reichtum beruht, da handelt es sich notwendigerweise um eine Oligarchie, mögen die Regierenden viele oder wenige sein, wo aber die Armen regieren, da ist es eine Demokratie, und es ist, wie wir sagten, eine Nebensache, dass die einen zahlreich und die andern wenige sind. Denn am Reichtum haben nur wenige einen Teil, aber an der Freiheit alle, und aus diesem Grunde nehmen beide Parteien die Verfassungsmäßigkeit für sich in Anspruch.

      Aristoteles, Politik, Buch IV, Kapitel 4

      Man darf aber die Demokratie nicht […] einfach danach bestimmen, dass die Menge entscheidet (denn auch in der Oligarchie und überall sonst regiert der überwiegende Teil des Volkes), und auch nicht als Oligarchie den Fall bestimmen, wo wenige die Verfassung beherrschen […] sondern eine Demokratie besteht nur dort, wo die Freien und Unbemittelten in der Mehrheit sind und regieren, eine Oligarchie dort, wo es die Minderheit der Reichen Vornehmen tut.

      Aristoteles, Politik, Buch VI, Kapitel 5

      Der wahrhafte Demokrat muss also vielmehr darauf schauen, dass das Volk nicht gar zu arm werde. Denn dies ist die Ursache, wenn eine Demokratie schlecht wird. Man muss es also so einrichten, dass eine dauernde Wohlhabenheit entstehe; denn dies nützt auch den Wohlhabenden. Man soll den Ertrag der Staatseinkünfte sammeln und aufhäufen und dann ganz den Armen verteilen, und zwar womöglich auf jeden so viel, dass es zum Ankauf eines Landstückes reicht, oder doch wenigstens als Anfangskapital für ein Geschäft oder einen Bauernbetrieb.

      Somerset vs. Stewart, Court of King’s Beach, England, 14. Mai 1772, Urteilsbegründung von Lord Mansfield

      Der Stand der Sklaverei ist so beschaffen, daß er ungeeignet erscheint, aus irgendeinem moralischen oder politischen Grunde eingeführt zu werden; das kann nur durch das positive Gesetz geschehen, welches seine Wirkung noch lange behält, nachdem die Gründe, Veranlassung und Zeit selbst, die es geschaffen, aus dem Gedächtniß gerissen sind. Dieser Grund ist heute so gehässig, daß nichts als das positive Gesetz zu seiner Entschuldigung angeführt werden kann. Was immer für Nachtheile sich also aus der Entscheidung ergeben: ich kann nicht sagen, daß dieser Fall nach dem Gesetz von England erlaubt oder gerechtfertigt sei – der Schwarze muß somit befreit werden.

      Malcolm X, Demokratie ist Heuchelei, Rede im Jahr 1960

      Was für ein soziales oder politisches System ist das, in dem ein schwarzer Mann vor Gericht keine Stimme hat? Wenn er sich nur auf das berufen kann, was der weiße Mann euch zu geben gewillt ist? Meine Brüder und Schwestern, wir müssen dem ein Ende bereiten, und es wird nie beendet werden, wenn wir es nicht selbst beenden. Sie greifen das Opfer an, und dann wirft der Verbrecher, der das Opfer angegriffen hat, diesem Opfer vor, ihn angegriffen zu haben. Das ist amerikanische »Gerechtigkeit«. Das ist amerikanische »Demokratie«, und diejenigen von euch, die damit vertraut sind, wissen, dass in Amerika Demokratie Heuchelei ist. Und wenn ich damit falsch liege, steckt mich ins Gefängnis, aber wenn ihr nicht beweisen könnt, dass in Amerika Demokratie nicht Heuchelei ist, legt nicht Hand an mich. Demokratie ist Heuchelei. Wenn Demokratie Freiheit bedeutet, warum sind dann unsere Leute nicht frei? Wenn Demokratie Gerechtigkeit bedeutet, warum haben wir dann keine Gerechtigkeit? Wenn Demokratie Gleichheit bedeutet, warum haben wir dann keine Gleichheit? Zwanzig Millionen Schwarze in diesem Land sind nur Boys im Haus des weißen Mannes. Er nennt uns sogar Boy. Und egal, wie großartig du bist, er nennt dich Boy. Selbst als Professor bist du für ihn nur ein Boy.

      Martin Luther King, Wo wollen wir hin?, Rede am 16. August 1967

      Wenn wir über die Frage »Wo wollen wir hin?« reden, müssen wir uns ehrlich dem Faktum stellen, dass unsere Bewegung sich daran machen muss, die gesamte amerikanische Gesellschaft umzubauen. Es gibt bei uns vierzig Millionen Arme, und wir müssen uns fragen: »Warum gibt es in Amerika vierzig Millionen Arme?« Und wenn ihr euch das fragt, stellt ihr die Frage nach dem Wirtschaftssystem, nach einer breiteren Verteilung des Wohlstands. Und wenn ihr euch dies fragt, stellt ihr bereits die kapitalistische Wirtschaft in Zweifel. Ich sage nur, dass wir immer mehr Fragen nach der ganzen Gesellschaft stellen müssen. Wir sind angehalten, dem hungrigen Bettler auf dem Marktplatz des Lebens zu helfen. Aber irgendwann müssen wir einsehen, dass eine Gesellschaft, die Bettler erzeugt, umgebaut werden muss. Das heißt, es müssen Fragen gestellt werden. Und meine Freunde, ihr seht, wenn ihr euch darauf einlasst, werdet ihr euch fragen: »Wem gehört das Öl?« Und ihr werdet Euch fragen: »Wem gehört das Eisenerz?« Ihr werdet Euch fragen: »Warum müssen Menschen in einer Welt, die zu zwei Dritteln aus Wasser besteht, Wassergebühren bezahlen?« Genau das ist es, was gefragt werden muss.

      Gaylord Nelson, Rede des US-Senators zum Tag der Erde am 22. April 1970

      Ich gratuliere Ihnen, die Sie durch Ihre Anwesenheit hier am heutigen Tag Ihre Besorgnis und Ihr Engagement für ein Thema zum Ausdruck bringen, bei dem es nicht nur ums


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