The New Jim Crow. Michelle Alexander

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The New Jim Crow - Michelle Alexander


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beruht auch darauf, dass es den »Ausnahmeschwarzen« gibt, und wird durch dessen Existenz weder widerlegt noch ausgehöhlt. Andere wenden vielleicht ein, das Vorhandensein eines rassischen Kastensystems werde schon dadurch widerlegt, dass die meisten Amerikaner – egal, welcher Hautfarbe – Rassendiskriminierung ablehnen und für die Farbenblindheit eintreten. Doch wie die nächsten Seiten deutlich machen werden, bedürfen rassistische Kastensysteme keiner Feindseligkeit gegen bestimm te Ethnien und keines Fanatismus, um effektiv zu sein. Es genügt die Gleichgültigkeit gegenüber der Rassenfrage, wie Martin Luther King schon vor über 45 Jahren erkannte.

      Aufgrund der jüngsten Entscheidungen einiger Bundesstaaten, vor allem New Yorks, die Mindeststrafen für Drogendelikte abzuschaffen oder zu verringern, glauben manche, dass das in diesem Buch geschilderte System rassischer Kontrolle im Schwinden begriffen sei. Das anzunehmen, ist meiner Ansicht nach ein schwerer Irrtum. Viele Bundesstaaten, die ihre harten Strafgesetze reformiert haben, haben es nicht aus Sorge um das Leben und die Familien getan, die durch diese Gesetze zerstört werden, oder wegen der rassistischen Aspekte des Kriegs gegen die Drogen, sondern aus Angst vor einem explodierenden Haushalt in einer Zeit der Rezession. Mit anderen Worten, die Rassenideologie, die zu diesen Gesetzen geführt hat, bleibt trotz milderer Strafgesetze weitgehend unangetastet. Veränderte wirtschaftliche Bedingungen oder steigende Kriminalitätsraten können das Schicksal der Drogendelinquenten leicht wieder wenden, vor allem, wenn Drogentäter weiter hauptsächlich als People of Color wahrgenommen werden. Und man muss sich Folgendes klarmachen: Die bloße Verkürzung der Haftstrafe bringt die Architektur des neuen Jim Crow nicht ins Wanken. Solange man eine große Zahl von Afroamerikanern verhaftet und als Drogenkriminelle abstempelt, werden sie weiterhin nach ihrer Entlassung dauerhaft auf einen Platz am Rand der Gesellschaft verwiesen, egal, wie lange sie hinter Gittern gesessen haben. Das Fundament des Systems der Masseninhaftierung ist das Gefängnisetikett, nicht die Haftzeit.

      Skepsis gegen die hier aufgestellten Behauptungen ist berechtigt. Natürlich gibt es zwischen Masseninhaftierung, Jim Crow und der Sklaverei – den drei großen bisherigen rassistischen Kontrollsystemen in den Vereinigten Staaten – wichtige Unterschiede. Diese und ihre Implikationen zu verkennen, wäre fatal für den Diskurs über Rassengerechtigkeit. Viele dieser Unterschiede sind jedoch nicht so bedeutend, wie sie auf den ersten Blick erscheinen; andere zeigen lediglich, dass Systeme rassistischer sozialer Kontrolle ihre Gestalt verändern, sich weiterentwickeln und nach und nach den Veränderungen des politischen, sozialen und gesetzlichen Umständen der jeweiligen Zeit anpassen. Letztlich glaube ich, dass die Ähnlichkeiten zwischen diesen Kontrollsystemen gegenüber den Unterschieden überwiegen und dass die Masseninhaftierung im Großen und Ganzen so angelegt ist, dass Klagen dagegen scheitern müssen. Dies hat, wenn es zutrifft, tiefgreifende Auswirkungen auf jedes Engagement für die Rassengerechtigkeit.

      Aus der Rückschau lässt sich gut erkennen, dass unsystematische Reformen oder einzelne Gerichtsverfahren allein nicht ausgereicht hätten, die Rassentrennung unter Jim Crow abzuschaffen. Zweifellos hatten sie ihre Berechtigung, doch das Bürgerrechtsgesetz von 1964 und den damit verbundenen kulturellen Wandel hätte es nicht gegeben, hätte man nicht gleichzeitig in der afroamerikanischen Gemeinde ein kritisches politisches Bewusstsein geschaffen und damit für breite strategisch durchdachte Aktionen gesorgt. Und genauso ist es ein fundamentaler Irrtum zu glauben, der Neue Jim Crow könne über den konventionellen Gerichtsweg und einzelne Reformen, vor allem aber ohne eine sie stützende große soziale Bewegung besiegt werden.

      Eine solche Bewegung wird jedoch so lange nicht zustande kommen, als sich die engagiertesten Gegner der Rassenhierarchie äußern und verhalten, als ob es kein vom Staat gestütztes rassisches Kastensystem mehr gäbe. Wenn wir uns weiterhin die populären Mythen vom Fortschritt in der Rassenfrage erzählen, schlimmer noch, wenn wir uns einreden, das Problem der Masseninhaftierung sei einfach zu groß, zu abschreckend, als dass wir etwas dagegen unternehmen könnten, wenn wir meinen, es sei besser, unsere Energien auf die Kämpfe zu richten, die leichter gewonnen werden können, dann wird die Geschichte ein hartes Urteil über uns fällen. Unter unseren Augen spielen sich Menschenrechtsverletzungen ab, die einem Alptraum gleichkommen.

      Wenn wir jemals den Neuen Jim Crow überwinden wollen, müssen wir einen anderen Konsens über die Rassenfrage herstellen, indem wir uns über die Grundstruktur unserer Gesellschaft einigen. Am Anfang sollte ein Dialog stehen, ein Gespräch, das das kritische Bewusstsein fördert, ohne das kein effektives soziales Handeln möglich ist. Dieses Buch soll sicherstellen, dass das Gespräch nicht mit einem Augenzwinkern endet.

      Es ist unmöglich, in einem relativ schmalen Buch alle Aspekte der Masseninhaftierung und ihrer Folgen für die Rassengleichheit zu behandeln, und ich erhebe gewiss nicht den Anspruch, dies hier geleistet zu haben. Das Buch ist eher eine grobe Skizze, sodass viele wichtige Themen nicht die Aufmerksamkeit erhalten, die sie verdient hätten, zum Beispiel die speziellen Erfahrungen von Frauen, Latinos und Einwanderern mit der Strafjustiz, obwohl gerade diese Gruppen besonders betroffen sind und unter den schlimmsten Übergriffen zu leiden haben. Der Schwerpunkt dieses Buches liegt jedoch auf dem, was afroamerikanischen Männern im neuen Kastensystem widerfährt. Ich hoffe, andere Wissenschaftler und Anwälte werden dort weitermachen, wo dieses Buch endet, und die Kritik weiter ausführen oder die hier skizzierten Themen auf andere Gruppen und andere Kontexte übertragen.

      Was mit diesem Buch erreicht werden soll – das Einzige, was damit erreicht werden soll –, ist, einen dringend gebotenen Diskurs darüber anzuregen, welche Rolle dem Strafjustizsystem bei der Schaffung und Erhaltung der Rassenhierarchie in den Vereinigten Staaten zukommt. Das Schicksal von Millionen Menschen – ja, die Zukunft der Afroamerikaner an sich – hängt vielleicht davon ab, ob diejenigen, die für Rassengleichheit eintreten, bereit sind, ihre Meinung zum Strafjustizsystem in unserer Gesellschaft einer Prüfung zu unterziehen. Dass zurzeit in vielen amerikanischen Großstädten mehr als die Hälfte der jungen schwarzen Männer unter dessen Kontrolle stehen, ist nicht nur – wie viele behaupten – ein Symptom der Armut oder eines Mangels an Wahlmöglichkeiten, sondern Beweis für die Existenz eines neuen rassischen Kastensystems.

      Kapitel 1 gibt einen kurzen historischen Abriss der rassistischen sozialen Kontrolle in den Vereinigten Staaten und beantwortet die grundlegende Frage, wie es überhaupt dazu kommen konnte. Es beschreibt die Herrschaft über die Afroamerikaner durch die Sklaverei und Jim Crow, die offiziell abgeschafft wurden, dann aber in neuer Form wieder auferstanden, in einer Form, die auf die Bedürfnisse und Beschränkungen der neuen Zeit zugeschnitten war. Wie wir sehen werden, folgen Geburt und Tod der rassischen Kaste in Amerika einem bestimmten Muster. Immer wieder gelingt es den fanatischsten Verfechtern der Rassenhierarchie, ein neues Kastensystem zu schaffen, indem sie quer durch das politische Spektrum jeden Widerstand dagegen brechen. Diese Meisterleistung beruht vor allem darauf, dass sie an den Rassismus der weißen Unterschicht appellieren und deren prekäre Lage ausnutzen, also die einer Bevölkerungsgruppe, die verständlicherweise darum ringt, nicht am untersten Ende der amerikanischen Gesellschaftshierarchie zu landen. Und mit dieser bis auf die Sklaverei zurückgehenden Methode haben sie jetzt einem neuen rassischen Kastensystem zur Geburt verholfen: der Masseninhaftierung.

      Die Struktur der Masseninhaftierung wird in Kapitel 2 genauer beschrieben, wobei der Schwerpunkt auf dem Krieg gegen die Drogen liegt. Die Polizei unterliegt in diesem Krieg kaum gesetzlichen Einschränkungen, und enorme finanzielle Anreize sorgen dafür, dass sie Menschen mithilfe quasi militärischer Taktiken massenhaft wegen Drogendelikten festnimmt. Wer einmal in die Mühlen der Strafjustiz gerät, hat fast keine Chance mehr, jemals wieder wirkliche Freiheit zu genießen. Angeklagten wird in der Regel ein echter Rechtsbeistand verweigert, man drängt sie durch Androhung einer langen Haftstrafe zu einem Schuldeingeständnis und einem Deal mit dem Gericht, um sie dann unter institutionelle Kontrolle zu stellen – im Gefängnis oder durch eine Bewährungsstrafe. Nach der Entlassung werden ehemalige Täter mit Billigung des Gesetzes ihr Leben lang diskriminiert, und die meisten landen irgendwann erneut im Gefängnis. Sie gehören zu Amerikas neuer Unterkaste.

      In Kapitel 3 steht die Rolle des Konzepts Rasse im amerikanischen Strafjustizsystem im Mittelpunkt. Es beschreibt die Methoden, mit denen es einem offiziell rasseneutralen Strafrechtssystem gelingt, eine außerordentlich hohe Zahl schwarzer und brauner Männer zu verfolgen, festzunehmen und zu inhaftieren, obwohl People of Color nicht mehr Drogendelikte


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