Klassiker der Romantik in Poesie und Prosa: Die berühmtesten Werke von Joseph von Eichendorff. Joseph von Eichendorff

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Klassiker der Romantik in Poesie und Prosa: Die berühmtesten Werke von Joseph von Eichendorff - Joseph von Eichendorff


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wahrhaftig nicht, was ich in der Welt eigentlich wollte und anfangen sollte. Was recht Tüchtiges war eben nicht zu tun und meine Tätigkeit, gleichviel, ob am Guten oder am Schlechten, bloß um der Tätigkeit willen abzuarbeiten, wie man etwa spazieren geht, um sich Motion zu machen, war von jeher meine größte Widerwärtigkeit. Wäre ich recht arm gewesen, ich hätte aus lauter Langeweile arbeiten können, um mir Geld zu erwerben, und hinterdrein die Leute überredet, es geschehe alles um des Staates willen, wie die andern tun. Unter solchen moralischen Betrachtungen ritt ich über das Gebirge fort, und es tat mir recht ohne allen Hochmut leid, wie da alle die Städte und Dörfer gleich Ameisenhaufen und Maulwurfshügeln so tief unter mir lagen; denn ich habe nie mehr Menschenliebe, als wenn ich weit von den Menschen bin. Da wurde es nach und nach schwül und immer schwüler unten über dem Deutschen Reiche, die Donau sah ich wie eine silberne Schlange durch das unendliche, blauschwüle Land gehn, zwei Gewitter, dunkel, schwer und langsam standen am äußersten Horizonte gegeneinander auf; sie blitzten und donnerten noch nicht, es war eine erschreckliche Stille. Ich erinnere mich, wie frei mir zumute wurde, als ich endlich die ersten Soldaten unten über die Hügel kommen und hin und wieder reiten, wirren und blitzen sah.

      Ich zog in den Krieg hinunter. Was da geschah, ist dir bekannt. Nach der großen Schlacht, die wir verloren, war das Korps, zu dem ich gehörte, erschlagen und zersprengt, ich selber von den Meinigen getrennt. Ich suchte durch verschiedene Umwege mich wieder zu vereinigen, aber je länger ich ritt, je tiefer verirrte ich mich in dem verteufelten Walde. Es regnete und stürmte in einem fort, aber ich mochte nirgends einkehren, denn ich war innerlichst so zornig, daß ich mich in dem Wetter noch am leidlichsten befand.

      Am Abend des andern Tages fingen endlich die Wolken an sich zu zerteilen, die Sonne brach wieder hindurch und schien warm und dampfend auf den Erdboden, da kam ich auf einer Höhe plötzlich aus dem Walde und stand vor Juliens Gegend. Ich kann es nicht beschreiben, mit welcher Empfindung ich aus der kriegerischen Wildnis meines empörten Gemüts so auf einmal in die friedens- und segensreiche Gegend voll alter Erinnerungen und Anklänge hinaussah, die, wie du wissen wirst, zwischen ihren einsamen Bergen und Wäldern mitten im Kriege in tiefster Stille lag.

      Überrascht blieb ich oben stehen. Da sah ich den blauen Strom unten wieder gehn und Segel fahren, das freundliche Schloß am Hügel und den wohlbekannten Garten ringsumher, alles in alter Ruhe, wie damals. Den Herrn v. A. sah ich auf dem mittelsten Gange des Gartens hinab ruhig spazieren gehen. Auf den weiten Plänen jenseits des Stromes, über welche die eben untergehenden Sonne schräg ihre letzten Strahlen warf, kam ein Reiter auf das Schloß zugezogen, ich konnte ihn nicht erkennen. Julie erblickte ich nirgends.

      Es ließ mir da oben nicht länger Ruh; ich eilte den Berg hinunter, ich wollte Julie, ihren Vater, den Viktor wiedersehen, die ganze Vergangenheit noch einmal in einem schnellen Zuge durchleben und genießen. Tiefer unten am Abhange erblickte ich den Reiter plötzlich wieder. Es war eine junge, hagere, verlebte Figur, durchaus modern, einer von den gang und gäben alten Jungen mit der Brille auf der Nase. Mich überlief ein Ärger, daß dieses modische, mir nur zu sehr bekannte Gezücht auch schon bis in diese glücklich verborgenen Täler gedrungen war. Er aber sah mich flüchtig vornehm an, lenkte auf einem bequemeren, aber weiteren Umwege nach dem Schlosse und verschwand bald wieder.

      Ein Bauer aus dem Dorfe des Herrn v. A., der auch von der Arbeit nach Hause ging, hatte sich indes neben mir eingefunden. Ich erinnerte mich seines Gesichts sogleich wieder, er aber kannte mich nicht mehr. Von diesem erfuhr ich nach einem schnell angeknüpften Gespräche, daß die Tante schon seit längerer Zeit tot sei. Ich fragte ihn darauf, wer der fremde Herr sei, der eben vorbeigeritten. Er antwortete mir mit heimlicher Miene: Fräulein Juliens Bräutigam. -

      Hier schüttelte Julie lächelnd den Kopf und wollte Leontins Erzählung unterbrechen. Leontin fuhr aber sogleich wieder fort:

      Es war inzwischen völlig Nacht geworden, als ich das Dorf erreichte. Ich mochte nach jener Nachricht nun niemand aus dem Hause sprechen, noch sehen, nur einen flüchtigen Streifzug durch den alten, schuldlosen Garten wollt' ich machen, und sogleich wieder fort.

      Ich band mein Pferd an einem Baume an und stieg übern Zaun in den Garten. Dort war jeder Gang, jede Bank, ja, jedes Blumenbeet noch immer auf dem alten Platze, so daß die Seele nach so vielen inzwischen durchlebten Gedanken und Veränderungen diesen gemütlichen Stillstand kaum fassen konnte. Der Sturm wütete indes noch immer heftig fort und riß ein Heer von Wolken nebst vielen verspäteten Abendvögeln, die kreischend dazwischen ruderten, in einer unabsehbaren Flucht über den Garten hinaus, während unten die Bäume sich neigten und einzelne Nachtigallentöne aus den Tälern durch den Wind heraufklagten; es war eine rechte dunkelschwüle Gespensternacht.

      Ein ungewöhnlich starkes Licht, das aus dem einen Fenster in den Garten hinausschien, zog mich zum Schlosse hin. Ich stellte mich gerade vor das Fenster und konnte das ganze Zimmer übersehen, das von einem Kaminfeuer so hell erleuchtet wurde. Der Herr v. A. saß in einem Lehnstuhl und las Zeitungen, Julie saß am Kamine und sang, hatte aber den Rücken gegen das Fenster gekehrt, so daß ich ihr Gesicht nicht sehen konnte. Was sie sang, war eine alte Romanze, die mir schon als Kind bekannt war. Sie ist mir noch erinnerlich:

      Hoch über den stillen Höhen

       Stand in dem Wald ein Haus,

       Dort war's so einsam zu sehen

       Weit übern Wald hinaus.

      Drin saß ein Mädchen am Rocken

       Den ganzen Abend lang,

       Der wurden die Augen nicht trocken,

       Sie spann und sann und sang:

      ›Mein Liebster, der war ein Reiter,

       Dem schwur ich Treu bis in den Tod,

       Der zog über Land und weiter

       Zu Krieges-Lust und Not.

      Und als ein Jahr war vergangen,

       Und wieder blühte das Land,

       Da stand ich voller Verlangen

       Hoch an des Waldes Rand.

      Und zwischen den Bergesbogen,

       Wohl über den grünen Plan,

       Kam mancher Reiter gezogen,

       Der meine kam nicht mit an.

      Und zwischen den Bergesbogen,

       Wohl über den grünen Plan,

       Ein Jägersmann kam geflogen,

       Der sah mich so mutig an.

      So lieblich die Sonne schiene,

       Das Waldhorn scholl weit und breit,

       Da führt' er mich in das Grüne.

       Das war eine schöne Zeit!

      Der hat so lieblich gelogen

       Mich aus der Treue heraus,

       Der Falsche hat mich betrogen,

       Zog weit in die Welt hinaus.‹

      Sie konnte nicht weitersingen,

       Vor bitterem Schmerz und Leid,

       Die Augen ihr übergingen

       In ihrer Einsamkeit.

      Julie ging es wohl nicht besser, denn sie stand plötzlich auf, öffnete das Fenster und lehnte sich in die Nacht hinaus. Überhaupt glaubte ich während des Singens eine große Unruhe an ihr bemerkt zu haben. Was ist das für ein erschrecklicher Sturm! hört' ich den Herrn v. A. drin sagen, der bedeutet noch Krieg. Gott steh' unsern Leuten bei, die schlagen sich jetzt wohl wieder. Und ich muß hier sitzen! sagte Julie aus tiefster Seele. Ich stand seitwärts, an einen Pfeiler gelehnt, und die Töne gingen in dem rasenden Winde gar seltsam wehmütig über den Garten hinaus, in dem ich mir nun wie ein lange Vebannter vorkam, da Julie bald in ihrem Gesange am offenen Fenster wieder also fortfuhr:

      Die Muhme, die saß beim Feuer

       Und wärmet sich am Kamin,

       Es flackert' und sprüht' das Feuer,

       Hell über die Stub' es schien.

      Sie


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