Kompetenzentwicklung und Mehrsprachigkeit. Gisela Mayr

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Kompetenzentwicklung und Mehrsprachigkeit - Gisela Mayr


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neu im Vergleich zum GER sind die Deskriptoren im Bereich Mediation (ibid.: 106-125) und Mehrsprachigkeit (ibid.: 159-162). Erstere stellen eine Erweiterung des Verständnisses von Mediation, wie sie im GER ausformuliert wurde, dar. Mediation sieht hier den Lernenden als sozialen Agenten, der im Versuch, Bedeutung zu übertragen, Brücken zwischen den Sprachen baut. Dies geschieht immer dann, wenn in der Kommunikation Raum geschaffen wird für gemeinsames Lernen und für die Ko-Konstruktion von Bedeutung. Das Verständnis von Mediation sieht hier auch Formen des sozialen Lernens vor, bei denen u.a. das Mitteln von Informationen in angemessener Form vorgesehen ist sowie die Fähigkeit, andere dazu zu motivieren, neue Bedeutung zu verstehen oder selbst zu konstruieren (ibid. 103). Erstmals wird auch von emotionaler Intelligenz und Offenheit gesprochen, von emphatischem Verständnis für die Bedürfnisse und Gefühle anderer sowie der Wichtigkeit des Erkennens und Einschätzens unterschiedlicher Kommunikationssituationen (ibid. 106).

      Dieser erweiterte Begriff von Mediation überschneidet sich mit den in der vorliegenden Studie identifizierten Kernkategorien Soziales Lernen und Mehrsprachige Gesprächspraktiken. Aspekte wie TL (Translanguaging), CS (Code-switching) und CM (Code-mixing) werden hier allerdings in ihrer Wichtigkeit für den mehrsprachigen und transkulturellen Diskurs nicht erwähnt. Man beschränkt sich vielmehr darauf, unterschiedliche Formen von Mediation vom Schriftlichen ins Mündliche und umgekehrt aufzuzeigen. Besondere Bereiche wie das Erläutern von Graphiken und Daten und das Mitschreiben werden auch anhand von Deskriptoren dargestellt. Erwähnt wird auch der Umgang mit literarischen und kreativen Texten. Hervorzuheben ist hier, dass es sich ausschließlich um rezeptive Kompetenzen handelt und sich auf die Bereiche Persönliche Reaktion auf kreative und literarische Texte und Analyse und Kritik literarischer und kreativer Texte beschränkt. Der aktive kreative Sprachgebrauch hingegen findet keinen Eingang. Außerdem wird der Komplexität der hermeneutischen mehrsprachigen Interaktion mit Texten kaum Rechnung getragen.

      Im Bereich der Mediation in der sozialen Interaktion werden unterschiedliche Strategien aufgezeigt, wie ein mehrsprachiger Diskurs gelenkt, unterstützt und verständigungserleichternd geführt werden kann. Diese fallen in der vorliegenden Modellierung MKK mit unterschiedlicher Gewichtung in die Kernkategorie Soziales Lernen, da die Deskriptoren sich ausschließlich auf den schulischen Bereich beziehen und somit mögliche Lernprozesse vorstellen. Da, wie aus der Datenauswertung hervorgeht, alle im CEFR/CV vorgestellten Aspekte der Mediation vorkommen, wird den Lernenden dank des besonderen Aufgabenformats die Möglichkeit gegeben, sich diese anzueignen. Der Bereich Mehrsprachigkeit wird mit lediglich zwei Kompetenzbereichen (Mehrsprachiges Repertoire und Mehrsprachiges Verständnis) umschrieben. Diese kommen mit einigen Unterschieden auch in der Modellierung vor (ibid.: 159 und 160).

      Auffallend ist, dass auch in den Ergänzungen zum GER der Bereich des Savoir s’engager nicht berücksichtigt wird. Das kulturkritische Bewusstsein und die Fähigkeit, Kulturen durch ein spezifisch kulturwissenschaftliches Vorgehen kritisch zu evaluieren und zu hinterfragen, ist zwar ansatzweise in allen anderen Savoirs enthalten, wird aber auch hier nicht systematisch aufgezeigt. Es ist kein Zufall, dass man besonders im Bereich Literarisches Lernen und kritische Reflexion über literarische und kreative Texte auf Aspekte stößt, die auch dem Savoir s’engager zugeordnet werden könnten (ibid. 116-117). Trotzdem wird sowohl dem Literarischen Lernen als auch dem Savoir s’engager in dieser Überarbeitung nur ein geringer Platz eingeräumt, der bei weitem nicht die Komplexität der Phänomene erfasst, die ein kritisches Verständnis von Mehrsprachigkeit und Transkulturalität besonders im Bereich Literarisches Lernen fordert. Die vorliegende Modellierung stellt u.a. den Versuch dar, einen ersten Vorstoß in dieses noch unerforschte Gebiet zu wagen.

      2.3 Der FREPA/CARAP oder A Framework of Reference for Pluralistic Approaches to languages and Cultures – Competences and Ressources

      Von maßgeblicher Bedeutung für die in der vorliegenden Studie anvisierte Modellierung der MKK sind Struktur und Inhalte des FREPA. Er versteht sich als ein Instrument zur Implementierung curricularer Mehrsprachigkeit. Daher diente er in großem Maße auch als Vorbild für das MSCS (Mehrsprachencurriculum Südtirol), auf das im Folgenden noch eingegangen wird. Der FREPA wurde 2012 vom ECML (Europäisches Centrum für Mehrsprachigkeit) ausgearbeitet und stellt einen ersten Versuch dar, mehrsprachige Kompetenzen strukturiert zu erfassen und darzustellen. Unter Bezugnahme auf Byrams Definition von mehrsprachiger Kompetenz versteht es sich als ein Instrument zur Entwicklung eben dieser:

      Managing the repertoire [which corresponds to plurilingual competence] means that the varieties of which it is composed are not dealt with in isolation; instead, although distinct from each other, they are treated as a single competence available to the social agent concerned. (Candelier et al. 2012: 8 zitiert Byram 1997: 73)

      In dieser Definition wird mehrsprachige Kompetenz mit Repertoire gleichgestellt und festgehalten, dass die Varietäten, aus denen sich das Repertoire zusammensetzt, obwohl sie unabhängig sind, nicht klar voneinander trennbar sind (zur Begriffsdefinition von Kompetenz cf. 4.1.). Sie sind als einzige umfassende Kompetenz für den Nutzer abrufbar. Aufbauend auf diese Definition werden vier dem Byramschen Modell für interkulturelle kommunikative Kompetenzen entnommene Kompetenzbereiche identifiziert, welche diese mehrsprachige Kompetenz ausmachen. Kompetenz ist demzufolge im FREPA die Fähigkeit „individuelle Ressourcen (Kenntnisse, Fertigkeiten und Lernerpersönlichkeit) sowie externe Ressourcen zu mobilisieren, um miteinander verwandte, komplexe Anforderungen meistern zu können“ (Beckers 2002: 57; zitiert nach Candelier et al. 2007: 16).

      Im Gegensatz zu Kompetenzen, die komplex und situationsgebunden sind, lassen sich laut Martinez & Schröder-Sura Ressourcen eher definieren und konkret im Unterricht durch geeignetes Unterrichtsmaterial und Aufgaben fördern (Martinez & Schröder-Sura 2011: 71). Daher bedient sich der FREPA der Deskriptoren von Ressourcen. Es gibt vier Deskriptorenlisten: Savoir, Savoir faire, Savior apprendre und Savoir être (zur detaillierten Erläuterung des Aufbaus des FREPA vgl. Martinez & Schröder-Sura 2011: 72ff.). Dabei ist für diese Studie aufgrund der Ergebnisse der Datenauswertung relevant, dass das Savoir apprendre als transversale Kompetenz verstanden wird, es bezieht sich somit auf alle anderen genannten Bereiche (cf. 9.1):

      Abb. 2.1. Martinez & Schröder Sura 2011, S. 72

      Damit wird veranschaulicht, dass Savoir apprendre, die mehrsprachige Lernkompetenz „eine deklarative (a), prozedurale (b) und personenbezogene Komponente (c) umfasst, welche in einer Wechselwirkung zueinander stehen“ (ibid.: 73). Dabei berücksichtigt der deklarative Aspekt von Savoir apprendre den Wissenstransfer von einem Bereich in den anderen, die prozedurale Komponente die Lernautonomie, das soziale Lernen sowie Lernstrategien und das Nutzen von kulturellem Vorwissen für den Lernprozess. Die persönlichkeitsbezogene Komponente beschreibt hingegen die Lerneinstellung. Die transversale Valenz des Savoir apprendre schlägt sich auch in der Modellierung der MKK nieder, da sie veranschaulicht, dass das mehrsprachige Lernen ein Prozess ist, der alle Aspekte der Persönlichkeit des Lernenden miteinbezieht und ihm Möglichkeiten und Wege offenbart, wie er in Beziehung zum eigenen mehrsprachigen Ich treten kann und zum mehrsprachigen und mehrkulturellen Umfeld.

      Die Savoirs können sich laut FREPA nur in einem Klassenzimmer entwickeln, in dem mehrere Sprachen und Kulturen gemeinsam einen Platz finden. Es muss die Möglichkeit zur Begegnung geboten werden. Sprachen und Kulturen sollen nicht mehr als etwas Getrenntes erfahren werden, sondern in Verbindung zueinander gebracht und vernetzt werden. Damit Unterricht mehrsprachige Ressourcen mobilisieren kann, muss er umgedacht werden, denn traditioneller einsprachiger Unterricht kann das nicht. Daher wird ein pluralistischer Ansatz gefordert, denn nur auf Mehrsprachigkeit aufbauend kann interkulturelles/intrakulturelles Lernen auch wirklich gelingen.1

      Diese Annahme wird im vorliegenden Forschungsansatz übernommen, wobei ein transkultureller einem interkulturellen Ansatz vorgezogen wird. Laut Kramsch entwickeln sich Kulturen sprachspezifisch und umgekehrt Sprachen kulturspezifisch. Beim Sprechen beziehen sich die Menschen auf gemeinsame Erfahrung und geteiltes Weltwissen, das auch ihre Haltungen und Glauben


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