Musikeinsatz im Französischunterricht. Andreas Rauch

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Musikeinsatz im Französischunterricht - Andreas Rauch


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fest. Koldau bezweifelt jedoch, ob die Frage nach dem Repertoire und der vokalen und instrumentalen Ausführung der französischen Lieder auf den Sitzungen der Académie des Loyales aufgrund der spärlichen Quellenlage dieses geheimen Damenordens je beantwortet werden kann.23

      Viele dieser Damen gehörten parallel einer weiteren Damengesellschaft an, die neben dem gesellschaftlichen Miteinander und der standesgemäßen Konversation, die bei der Académie des Loyales im Vordergrund stand, besonders auf die christlich-moralische Sittsamkeit und Tugend achteten. 1619, also zwei Jahre nach der Noble Académie des Loyales, gründeten neun Adelsdamen als „neün newe Kunstgöttinnen auf dem gräflichen Schloss zu Rudolstadt die Tugendliche Gesellschaft, einen Damenorden, der der Fruchtbringenden Gesellschaft eng verbunden war, sich allerdings ein „Werck“ zum Ziel setzte, „das mehr als singen“ sei.24 Koldau stellt fest, dass das „Singen“ hier „primär als Dichtung und nicht als Musikausübung zu verstehen [ist]“ und sich „das ‚mehr‘ auf die bereits im Ordensnamen enthaltene Zielsetzung [bezieht], die weiblichen Tugenden und dadurch die christlich-evangelische Sittlichkeit im gesamten Staatsgefüge zu fördern.“25 Dabei stand die Tugendliche Gesellschaft nicht nur „Frauen aus reformierten Kreisen, sondern Angehörigen aller reformatorischer Bekenntnisse offen.“26 Klaus Conermann zitiert zeitgenössische Quellen von Damen der Tugendlichen Gesellschaft, die sich als Dichterinnen, Verfasserinnen von Erbauungsschriften, Sinnbildern und Frauenlexika, als musikalische Liebhaberinnen, sogar als Komponistinnen engagierten.27 Das gesellschaftlich-kirchliche Engagement reichte von der Gründung von Schulen und dem regelmäßigen Abhalten von Hausandachten mit Gebet (der „Haus-Kirche“) bis zu geistlicher Lektüre mit Kirchenliedern.28 Bis auf die frankophile Noble Académie des Loyales und die Tugendliche Gesellschaft waren alle weiteren Gesellschaften größtenteils Männerorganisationen, die einen deutschen Sprachpurismus förderten.29 Die von Barthold30 und Conermann31 erwähnte bukolische frankophile Académie des Vrais Amants, die aus Verehrern des Schäferromans Astrée von Honoré d’Urfé bestand und „deren Mitglieder in die Rollen von Schäfern und Hirten schlüpften und diese lesend, phantasierend und spielend an den Höfen Anhalts und Thüringens nachahmten“32, ist jedoch nach Dünnhaupt erfunden: „[…] die Erklärung, warum weder Barthold noch Conermann dokumentarische Beweise für die Existenz einer ‚Académie des Vrais Amants‘ auftreiben konnten, ist sehr einfach – es hat nie eine solche Akademie gegeben!!“33

      Weitere Akademien und Sprachgesellschaften waren männlich dominierte germanophile Nachahmungen der Fruchtbringenden Gesellschaft: Die Deutschgesinnte Gesellschaft mit dem Sinnbild der Rose hatte zwei weibliche Mitglieder und nahm neben Angehörigen des Adelsstands auch mehrfach Mitglieder aus bürgerlichen Kreisen auf.34 Der Pegnesische Hirten- und Blumenorden an der Pegnitz, später auch Nürnberger Dichterschule genannt, widmete sich der Förderung der deutschen Sprache und Poesie.35 Der Elbschwanenorden stand vor allem deutschen Gelehrten und Dichtern36 offen und beschäftigte sich unter anderem mit der Übersetzung französischer Romane ins Deutsche.

      I. 8 Französischlehrwerke und Grammatiken für weibliche Lernende

      Die Kultur der exklusiv weiblichen Sprachzirkel erlebte einen Höhepunkt mit Französischlehrwerken für weibliche Lernende.1 Das französisch-flämische Gesprächsbuch La gvirlande des ievnes filles von Gabriel Meurier gilt als „frühestes Französischlehrwerk für Mädchen […] [und wurde] in bearbeiteter Form auch in Deutschland verwendet.“2 Seine für die im Pensionat lebenden jungen Damen höheren Standes in Dialogform geschriebene Gesprächssammlung kann als Beispiel für den (damals noch seltenen) Klassenunterricht in französischer Sprache verstanden werden.3 Mädchen und Frauen lernten im 16. Jahrhundert meist Französisch und Italienisch. Sie beherrschten kein Latein, während die jungen Männer in Latein als erster Fremdsprache unterrichtet wurden.4 Nach Franz-Rudolf Weller wurde der Antwerpener Sprachmeister Meurier von den „Reformern des 19. Jahrhunderts als der Reformer unter den Alten angesehen.“5 Meurier integriert auch „während der Mahlzeiten und nach Tisch […] ‚kommunikative‘ und durch Anschauung unterstützte französische Sprechübungen.“6 Kuhfuß zeigt, wie Sprichwörter und Redensarten den Unterrichtsdiskurs kommunikativ gestalteten. Diese (französischen) Redemittel sollten auswendig gelernt und dann im Unterricht ad hoc angewendet werden:7 „Approchez, et soyez attentives / Dites, je vous escoute / Allez à votre place / Parlez haut et distinctement, à ce qu’on vous puisse entendre.“8 Der Einsatz dieser charnières9 ermöglicht nicht nur eine Fokussierung auf eine einsprachig-französische Unterrichtssituation, sondern favorisiert zudem eine Schülerzentrierung avant la lettre. Günter Holtus fasst die didaktische Funktion dieses Lehrwerks folgendermaßen zusammen:

      Insgesamt zeigt sich in Gabriel Meuriers Werk, daß als Methode für den Sprachunterricht für Mädchen ein assoziatives, situationsgebundenes Lernen bevorzugt wird; eine explizite Darstellung der Grammatik bleibt einem anderen Adressatenkreis vorbehalten, der des Lateinischen kundig ist und der mit diesem Lehrwerk nicht als Zielpublikum angesprochen werden soll.10

      Das Zitat verweist auf zwei ausgebildete Hauptrichtungen des Fremdsprachenunterrichts, die von Marcus Reinfried11 klassifiziert werden in:

      1 Eine hauptsächlich vom traditionellen Lateinunterricht inspirierte deduktive Richtung.12 Sie begann mit dem Auswendiglernen von (in Deutschland während des 17. Jhs. auch noch in vielen Grammatiken neuerer Sprachen lateinisch formulierten) Grammatikregeln und den dazu gehörigen zielsprachlichen Beispielsätzen. Zur Textlektüre kam es bei diesem Unterrichtsverfahren erst in einem fortgeschrittenen Stadium.

      2 Eine eher imitative Richtung, die keine zuvor erworbenen Lateinkenntnisse voraussetzte und entweder mit verschriftlichten Dialogen oder einfacheren zielsprachlichen Texten begann. […]. Diese Richtung setzte die Grammatik nur sehr reduziert ein.

      In dieser imitativen, praxisorientierten Perspektive wurde eine Vielzahl von Lehrwerken speziell für Lateinunkundige konzipiert. Mit den Grammaires des Dames13 entstand damit ein neuartiges Genre von Lehrmaterialien. Es handelt sich nach einer Untersuchung von Gabriele Beck-Busse um

      des grammaires d’usages14 (c’est-à-dire qu’elles font ressortir le côté pratique): presque deux tiers […] présentent, outre la description grammaticale au sens strict du mot, […] 1. Des dialogues, 2. Un guide épistolaire, 3. Une collection de proverbes, 4. Des exemples de lecture (tels que: extraits de journaux, histoires et curiosités), 5. Des extraits ou des exemples d’auteurs modèles (comme, p. ex. Un choix de lettres de personnages connus), 6. Des extraits de poésie, 7. Une explication du langage poétique, 8. des chansons,15 9. des énigmes, 10. des synonymes expliqués pour trouver le mot juste, 11. une liste d’homophones, 12. un recueil de prononciations vicieuses, 13. un traité d’orthographe, 14. un vocabulaire, 15. une introduction aux règles de la bienséance.16

      Beck-Busse stellte nach der Analyse von 37 französischen und italienischen Grammaires des Dames fest, dass „les Dames“ nicht Personen, sondern ein Konzept verkörpern, einen sprachlichen „Reflex einer Gesellschaft, die in ‚den Damen‘ den Prototyp eines Konstrukts von Leserschaft sieht, der folgende Erwartungen unterstellt werden […]:“17 Der Inhalt des Werks soll für Latein-Unkundige aufbereitet sein und sich auf das Wesentliche konzentrieren. Der Stoff wird auf „angenehme Weise“, „ohne Dornen“18 , also „unakademisch“ vermittelt und eignet sich für das Selbststudium. Eine Damengrammatik ist

      brève, concise, pertinente; qui préfère le pratique au théorique, le concret à l’abstrait, en mettant l’accent sur l’application et l’applicabilité (exercices, dialogues, vocabulaire, textes etc.) au lieu d’enseigner un système de règles stériles et arides, et, par conséquent, peu utiles; qui tienne compte de l’aspect „anti-érudit“, aussi par rapport à la forme extérieure:


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