Der deutsche Wortschatz. Christine Römer

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Der deutsche Wortschatz - Christine Römer


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Wörter und feste Wendungen gehören zwar zum Wortschatz und sind auch im mentalen Lexikon gespeichert. Ihre wissenschaftliche Beschreibung hat sich in den letzten Jahren jedoch mehr und mehr aus der Lexikologie heraus gelöst und erfolgt in eigenständigen sprachwissenschaftlichen Disziplinen.

      Die Phraseologie beschäftigt sich mit den festen Wortgruppen, also mit Wortgruppen, die wie Einzelwörter im Langzeitgedächtnis (im mentalen Lexikon) gespeichert sind, sich jedoch in verschiedener Hinsicht von den Wörtern und den freien Wortgruppen unterscheiden. Während früher die Phraseologismen als Ausnahmen, als etwas, was keinen Regeln folgt, betrachtet wurden, hat sich das in jüngerer Zeit geändert. Zum anderen wurde auch der Gegenstandsbereich der Phraseologie auf die Kollokationen (usuelle Wortverknüpfungen) ausgedehnt.

      Die Wortbildung befasst sich mit der Bildung und Strukturierung der komplexen Wörter. Sie untersucht die Wortbausteine und die Regeln ihrer Zusammenfügung. Sie kann auch als Wortsyntax bezeichnet werden und hat eine enge Verbindung zur Satzsyntax. So treten wie bei den Phrasen, den Grundbausteinen des Satzes, auch in komplexen Wörtern Kopfkonstituenten auf, die den kategorialen Charakter bestimmen. Wenn wir aus dem Satz (1.6) die Präpositionalphrase beim Drittligisten Unterhaching diesbezüglich betrachten, so ist beim der Kopf der Phrase, Phrasenkopfder den Kasus der folgenden Nominalphrase festlegt. Haching ist der Kopf des komplexen Wortes Unterhaching, der den substantivischen Status festlegt. Andererseits gibt es aber auch deutliche Unterschiede zwischen Wort- und Satzgrammatik. In unserem gewählten Beispiel betrifft das die Stellung der Kopfkonstituente. Der Kopf im komplexen deutschen Wort steht in der Regel rechts, für die deutschen Satzphrasen kann eine solche generelle Aussage nicht getroffen werden.

(1.6) Der in der Bundesliga bislang so enttäuschende Vizemeister setzte sich im Pokal-Viertelfinale beim Drittligisten Unterhaching durch. (Spiegel.Online, 06.01.2003)

      Die Lexikografie ist eine Disziplin, die mit der Lexikologie eng verbunden ist, weil sie ihre Ergebnisse zum Teil aufnimmt und zum anderen auch an der Wiege ihrer Entwicklung gestanden hat. Im engeren Sinne bezeichnet Lexikografie das Erstellen von Wörterbüchern und im weiteren Sinne die Theorie und Praxis der Wörterbuchforschung; Letzteres wird als Metalexikografie Metalexikografiebezeichnet. (Vgl. Herbst und Klotz, 2003)

      Die Morphologie wird in der Linguistik unterschiedlich eingeordnet. Der Terminus Morphologie wird auch mehrdeutig verwendet, zum einen als Synonym zu Wortbildung und zum anderen als Teilgebiet der Grammatik im engeren Sinne, welches die grammatischen Wortformen Morphologiebeschreibt. Bei Eisenberg (2013)Eisenberg, P. ist die Morphologie neben der Phonologie und Orthografie Teil der „Wortgrammatik“. Es ist sinnvoll, zwischen Flexionsmorphologie und Wortbildungsmorphologie zu unterscheiden. Eisenberg schließt neben der Flexions- auch die Wortbildungsmorphologie in seine Wortgrammatik ein.

      Die Namenkunde (Onomastik) ist ein Forschungsgebiet, das sich aus diachroner und synchroner Sicht besonders mit den Eigennamen (Personen- und Ortsnamen) „unter theoretischen sowie sprach-, siedlungs-, kultur- und mentalitätsgeschichtlichen Aspekten“ befasst. (Kunze, 1999) Kunze, K.Historisch betrachtet, besteht der „größte Teil des Wortschatzes Namenkunde[…] aus Namen.“

      Die Sprachkontaktforschung hat in unserer globalisierten Welt an Bedeutung gewonnen. Auch wenn sich die Wissenschaftler nicht einig sind bei der Beantwortung der Frage, wie viele Sprachen es auf der Welt gibt, wird von den meisten die Annahme gemacht, dass alle Sprachen SprachkontaktforschungWörter besitzen, die auf der Basis der angeborenen Sprachfähigkeit der Menschen im Umfeld einer konkreten Sprache erlernt werden müssen.

      Durch Sprachkontakte kam und kommt es zur Beeinflussung zwischen den Wortschätzen verschiedener Sprachen. Dies schlägt sich u.a. in Entlehnungen und der Entstehung von Internationalismen nieder (genauer in Kapitel 6.4).

      Sprachvergleiche Sprachvergleichehaben zu Tage gebracht, dass sich in unterschiedlichen Sprachgemeinschaften die Konzeptualisierung der Wirklichkeit und das sprachgebundene Verhalten unterscheiden können. Wenn in einer Sprachgemeinschaft das Rechtssystem eine Unterscheidung zwischen Verwandten mütterlicher- und väterlicherseits vornimmt, werden auch die entsprechenden Bezeichnungen von der Sprache bereitgestellt. Wenn diese Unterscheidung im Rechtssystem verschwindet, wie dies im römischen Recht war, sterben diese Bezeichnungen, wie im Lateinischen wieder aus.

      Nicht für jedes Wort in der Muttersprache gibt es in anderen Sprachen ein gleichbedeutendes. Auch sind die „falschen Freunde“ diesbezüglich interessant. (Siehe weiter bei Riehl, 2009). Wanzeck, C.

      Die Korpuslinguistik (Bubenhofer, 2018) hat im letzten Jahrzehnt auch für die moderne Lexikologie wie für die gesamte Linguistik immer mehr an Bedeutung gewonnen. KorpuslinguistikDeren Methode, spezifische Fragestellungen mit aufbereiteten (digitalen) Textsammlungen zu bearbeiten, wird ebenfalls in der Lexikologie für die Überprüfung von Hypothesen, von empirischen Fragen oder die Ermittlung von Regeln eingesetzt. In der Ausbildung spielen außerdem korpuslinguistische Methoden eine Rolle:

      Korpuslinguistische Methoden gehören inzwischen zum Standardrepertoire vieler Forscherinnen und Forscher in der Sprachwissenschaft. So verwundert es nicht, dass die Korpuslinguistik auch Eingang in die linguistische Lehre findet. (Bubenhofer, 2011)

      So machen es die existierenden Korpusportale leicht, beispielhafte Recherchen, „Faktenchecks“, vorzunehmen. (Beispiele sind bei Bubenhofer (2018) zu finden.) Daneben können die Online-Enzyklopädie Wikipedia und Suchmaschinen wie Google für wissenschaftliche Voruntersuchungen als Korpora benutzt werden, da beispielsweise nach Wortverwendungen, Wortformen und -teilen gesucht werden kann. Konkordanzprogramme bieten dafür systematische Suchoptionen an, die es erlauben, Klassen von Zeichenketten und Kollokationen zu bestimmen. Die gefundenen Trefferlisten können dann manuell durchgesehen werden. Ein mächtiges Instrument sind die Korpora vom Institut für deutsche Sprache (IDS), „mit 42 Milliarden Wörtern (Stand 13.11.2018) [bilden sie] die weltweit größte linguistisch motivierte Sammlung elektronischer Korpora mit geschriebenen deutschsprachigen Texten aus der Gegenwart und der neueren Vergangenheit. [Sie] sind über COSMAS II kostenlos abfragbar.“ (www1.ids-mannheim.de/kl/projekte/korpora/; Zugriff 17.04.2019)

      Die politische Sprachkritik hat im Rahmen der Diskussionen zu Political Correctness im öffentlichen Sprachgebrauch nicht nur für die Lexikografie sondern auch für die Lexikologie an Relevanz gewonnen. In der jüngeren deutschen Geschichte war es der Romanist V. Klemperer, der 1947 sein LTI – Notizbuch eines Philologen über die Sprache der Nazi-Diktatur veröffentlichte, und mit authentischen Beispielen auf die destruktive Kraft der Sprache aufmerksam machte. JudeSo wurde das Wort Jude systematisch mit negativen Konnotationen belegt und in Wortbildungen und Wendungen wie Judenstern, Judenhaus, Judengeschäft, Dieses Haus ist judenrein. weiter vertieft (LTI, Kap. 25). Die alte Wendung Hier geht es zu wie in der Judenschule., die sich ursprünglich auf das Stimmengewirr in jüdischen Schulen des Mittelalters bezog, erhielt für die Gegenwart eine antisemantische Konnotation1.

      Aktuell beklagen Politiker und Publizisten eine „Sprachverrohung“ im politischen Kontext. Darauf reagierend, setzt sich der Linguist Stefanowitsch (2018) für eine politisch korrekte Sprache ein, weil er den diskriminierenden Wörtern eine kognitive Wirkungskraft zuspricht. Busch (2018) dagegen „wirft die Frage auf, ob wir eine politisch korrekte Sprache überhaupt brauchen. Er beantwortet sie gleich dreimal mit Nein“ und verweist u.a. darauf: „Ein belastetes Wort durch ein anderes zu ersetzen, sei nicht sinnvoll, solange die Veränderung von Stereotypen nicht zuerst im Kopf stattgefunden habe.“ (Zur Thematik siehe weiter im Kapitel 5.3.5 in diesem Studienbuch). Lexikologieangelagerte Disziplinen

      1.6 Fazit

      Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die aktuelle germanistische Wortschatzforschung durch den Anschluss an neue Ansätze aus den Nachbarwissenschaften der Linguistik, beispielsweise der Integration von psycho- und kognitionswissenschaftlichen Erkenntnissen (kognitive Lexikologie) sowie computer- und


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